Prolog

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Der Bass der Musik vibrierte unter seinen Füßen, fuhr durch seine Glieder und ließ seine Organe im selben Rhythmus pochen. Die bunten Laserstrahlen und Lichteffekte schienen mit der Musik gekoppelt zu sein und ließen ihn noch tiefer in der Trance des Raves verschwinden.

Körper pressten sich an ihn, er an sie, egal.

Die Musik trug ihn, leitete ihn, erhob ihn in fast vergessene Ekstasen.

Es war eine Ewigkeit her...

Die Augen halb geschlossen genoss er die Anonymität in der Masse, während seine Glieder im Takt zuckten, seine Muskeln freudig spielten und der Schweiß frei seinen Körper hinab glitt und seine Kleidung tränkte.

Es war erlösend.

Sam schloss die Augen, sein Kopf fiel in den Nacken und der Beat übernahm die Kontrolle.

Der Takt wurde schneller, die Töne schriller und der Bass vibrierte ihm in den Knochen. Grinsend öffneten sich seine Augen einen Spalt breit und er starrte Richtung Decke, ließ das Stroboskoplicht tief in die Schichten seines Hirns eindringen.

Wieder änderte sich der Rhythmus, wurde langsamer, der Bass lauter, langgezogener.

Die Masse von Tänzern passte sich fließend an, ein lebendiger Organismus, dynamisch, flexibel.

Fasziniert kehrte seine Aufmerksamkeit zu den Menschen um ihn herum zurück, wie sich sich beugten, drehten, sich aneinander rieben.

Und dann sah er sie.

Reglos stand sie da und starrte zu ihm hinüber.

Sams Gehirn brauchte einen Moment, bis es die Bewegungen einstellen konnte und er verstand, dass sie wirklich dort stand.

Das lange, glatte braune Haar hing ungepflegt herab. Sie trug ein dunkles Top und eine zerschlissene Bluejeans. Ihre Haut war blass und wies Schatten an Stellen auf, wo keine sein sollten.

Ihre riesigen Augen voller Verzweiflung, umringt von dunklen Schatten.

Ihre Lippen formten Worte, die in der Musik verloren waren, doch Sam war sicher, seinen Namen zu hören.

„Charlie", wisperte er ungläubig und schob sich durch die Menge auf sie zu.

Um ihn herum schwoll der Rhythmus wieder an, die Bewegungen wurden ausladender. Ein Pärchen schob sich ihm direkt in den Weg und er verlor sie aus den Augen.

An der Stelle angekommen, wo er sie gesehen hatte, schaute er sich wild um, drehte sich wieder und wieder im Kreis, doch sie war nicht mehr zu sehen.

Sam schluckte schwer, trocken, und blieb hängenden Kopfes dort stehen, bevor er sich einen Ruck gab und zur Bar vorarbeitete.

Nachdem er zwei Tequila hinunter geschüttet hatte, verlangte er nach einer Flasche Wasser und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Der Alkohol brannte ihm noch in der Kehle, doch seine Nerven hatte er kaum beruhigen können.

Hatte er sie wirklich gesehen?

Oder war sie nur ein Trugbild, geboren aus einem fast erlöschten Hoffnungsschimmer?

Er gab der blonden Gardrobière mit den riesigen Creolen seine Marke und hielt wenig später seine dunkle Jeansjacke in den Händen. Ihr flirtendes Zwinkern und Streichen über seine Hand ignorierte er abwesend.

Ohne einen weiteren Blick zurück verließ er die Fabrikhalle mit den drei Rave-Ebenen und trat in die kühle Oktoberluft.

Vor dem Eingang zum bloom hatte sich eine lange Schlange gebildet und er bog in die andere Richtung ab.

Bizarre BestieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt