8. STERNENNACHT II.

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„...Niclas soll noch eine erzählen!" Die Saison war zu Ende und wie es beim THW Kiel eben so üblich war, wurde am letzten Spieltag die Sternennacht zelebriert. Alle hatten sich in der Trainingshalle eingefunden, alle hatten sich eine Matte geschnappt und sich zu einem Kreis kumuliert und alle hatten sich ihre Lieblingsdecke, welche sie von zuhause mitgebracht hatten, bis über die Ohren gezogen. Sie lagen auf dem Bauch, das Kinn in die Hände gestützt. Jeder einzelne trug ein vorfreudiges Lächeln auf dem Gesicht. Fast jeder.
„Lasst und doch lieber nochmal Stille Post spielen!", redete Magnus der allgemeinen Begeisterung über eine weitere Gruselgeschichte von Niclas entgegen.
„Stille Post ist was für Luschen! Wir wollen jetzt nochmal so richtig gegruselt werden!", knallte ihm Harald seine Meinung etwas zu forsch entgegen. Magnus gähnte. Er schämte sich so! Wieso mussten sie unbedingt Gruselgeschichten erzählen? Er hatte eigentlich keine Schwächen, er war furchtlos wie ein Löwe, wenn es darum ging, bei einem Pizzadienst anzurufen, um eine Bestellung abzugeben! Aber Gruseln? Das war zu viel. Seine einzige Schwäche! Sein Kryptonite! Und dann kam noch Harrys Gemeinheit als Kirsche auf der Torte hinzu...
„Mach mal bitte das Licht aus, dann kommt das Feeling besser raus!", kommandierte Niclas in Oberfeldwebel-Manier und Steffen, der zu seiner linken lag, tat, wie ihm befohlen war. Magnus zog ein Schauder durch den gesamten Körper, als er Steffen beobachtete. wie er vollkommen ohne die Sicherheit seiner schützenden Decke zum Lichtschalter hopste. Wie konnte er nur so sorglos sein? Er war von allen Seiten angreifbar! Ein Mörder hatte leichtes Spiel!
Geduldig hatte Niclas auf Steffen gewartet, der sich mit einem breiten Grinsen noch eben in seine König-der-Löwen Decke einmummelte und ihm dann mit einem kurzen Kopfnicken klar machte, dass er nun bereit sei für die nächste Geschichte.
„Die wird jetzt richtig schaurig! Nicht nur wegen dem Plot, sondern vor allem wegen den hier vorherrschenden Surroundings!", prophezeite der Fabulant und lachte schelmisch.
Magnus schaute um sich und blickte in erschrockene Gesichter. Wie weit würde Niclas gehen? Diese Frage blieb nicht lange unbeantwortet, denn gleich darauf nahm er sein Handy, schaltete die Taschenlampe ein und hielt sie sich direkt unter das Kinn. Magnus hörte Patricks nervöses Atmen links neben ihm und schlussfolgerte, dass nicht nur ihm eine herausfordernde Zeit bevorstand.
„Also ich finds zu heftig", flüsterte Rune zu seiner Rechten und erhoffte sich, einen zustimmenden Blick von Magnus zu bekommen. Und den bekam er auch.
Niclas schaute noch kurz in die Runde und nur noch einer grinste. Steffen. Er muss Nerven aus Stahl haben, dachten sich seine Teamkollegen.
Mit gesenkter Stimme raunte Nici los: „Es war einmal, in einer verlassenen Hütte am Waldrand..-", doch weiter kam er nicht. „Du Niclas, sei mir nicht böse, aber ich finds einen Schluck zu krass!", intervenierte Domagoj und ein erleichtertes Seufzen erfüllte die Trainingshalle. „Mach wenigstens das Licht wieder an", schlug Rune vor und Niclas war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Er wollte dieses mal performen, nicht nur eine Geschichte rezitieren! „Ja, mit Licht ist es besser", pflichtete ihm Miha bei, der beinahe komplett unter seiner Decke verschwunden war.
„Gut, dann halt jetzt mit Licht. Also, nochmal", Niclas brachte sich wieder in Position und senkte seine Stimme: „Es war einmal in einer verlassenen Hütte am Meer.." - „Hä? Gerade wars noch am Waldrand?", hinterfragte Niko Niclas' Erzählung und zerstörte die Stimmung erneut. „Mein Gott, dann is es eben am Meer! ist doch total egal!", echauffierte sich der Narrator und wagte einen dritten Anlauf: „Es war einmal in einer verlassenen Hütte am Waldrand..." - „Also jetzt doch Waldrand?" - „Ich hab jetzt langsam echt keine Lust mehr!", Niclas setzte sich entzürnt auf und blickte mit mahnendem Blick um sich. „Ich mach mir hier Mühe und ständig werd ich wegen Nebensächlichkeiten unterbrochen! Da macht's keinen Spaß mehr!", redete er sich weiter in Rage, doch Rune wusste die Situation zu entschärfen. „Wisst ihr was? Wir brauchen jetzt einen kleinen Absacker. Die ersten beiden Storys waren ja schon echt tough! Außerdem hat Patrick hier extra für die Sternennacht draußen ein paar Lampions aufgehängt, damit wir ums Lagerfeuer sitzen können! Und das Stockbrot will auch noch gegessen werden! Lasst uns rausgehen und ein wenig abkühlen. Sowohl körperlich, als auch mental." Rune war schon immer ein Mediator auf höchstem Niveau. Er konnte Situationen lesen und fand immer die richtigen Worte, um die gegnerischen Parteien wieder zu beruhigen.
„Ja, okay. Sonst hat sich Patty die Mühe ganz umsonst gemacht, wäre schade", sprach Niclas einsichtig und mit ihren Decken bewaffnet rappelten sie sich auf, ehe sie nach kurzer Zeit wieder ums Lagerfeuer herum ihre Plätze in Campingstühlen eingenommen hatten. Magnus war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Keine Gruselgeschichte, aber dafür Stockbrot! Und zwar das von Hendrik! Dem König der Stockbrot himself! Jackpot! Steffen war auch besänftigt. Er hätte zwar gerne noch eine Geschichte gehört, doch auch er wusste: Niemand ist größer als das Team! Immer wieder ärgerte er Rune und stupste mit seinem Stock gegen den von Rune, was beiden ein fröhliches Lachen entlockte.
Der Host des Abends, Patrick, war vollends zufrieden. Er hatte sein Saisonziel erreicht, die zweihundert-Sterne Marke hatte er souverän geknackt und der Nachthimmel war sternenklar. Als hätte er das Wetter so bestellt.

HANDBALL ONE SHOTS (failfiction)Where stories live. Discover now