6. EINFACH SO GEMEIN II.

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„Uwe, komm sofort hier her", befahl der Schiedsrichter in einem Tonfall, der eine militärische Ausbildung in jüngeren Jahren des Unparteiischen vermuten ließ. Steffen und Patrick hielten sich die Hände furchterfüllt vor den Mund. Alle Augen lagen auf Uwe, der sich nun für den Anschiss seines Lebens wappnen musste. Er suchte emotionalen Halt bei seinen Mitspielern, doch sie schauten alle betroffen auf den Hallenboden. Er musste sich dem Ganzen alleine stellen.

„Tschuldigung...", wimmerte er, denn eine gefestigte Stimme war in meilenweite Ferne gerückt. „Schau mich an!", verlangte der Schiedsrichter wieder, doch Uwe konnte sich nicht überwinden. „Uwe schau mich an! Ich rede mit dir!", wurde er lauter und bei Uwe brachen alle Dämme! Er hatte sich so sehr erhofft, dass die Schimpfe nur durch harsche Worte erteilt werden würde, aber da hatte er falsch gedacht. Mit Anschreien konnte er nicht umgehen, das wusste doch jeder!

Wieder gähnte er.

„Ich will diese Missachtung des Fairplays nicht nur doch eine rote Karte ahnden...", EINE ROTE KARTE? Noch nie hatte Uwe eine rote Karte bekommen! Er wusste sich nicht mehr zu helfen, denn das Gähnen würde vielleicht seine Tränen erklären. Aber nun musste er auch noch Schluckauf vortäuschen, denn er sein abgehaktes Einatmen musste auch verschleiert werden.
„...ich werde mich nach dem Spiel mit deinem Trainer und deiner Frau in Verbindung setzen", kündigte er an und zog zu guter Letzt die rote Karte aus seiner Brusttasche.

Uwe war bedient. Weinend und schluchzend blickte er zurück in die bestürzten Augen seiner Teamkollegen. Doch nicht nur sie waren schockiert ob der Szene, auch dir Spieler des THW Kiel waren wie erstarrt. So einen Anschiss haben auch sie noch nie miterleben müssen.

„Geh jetzt!", mahnte ihn der Schiedsrichter und Uwe verließ das Spielfeld gen Kabine.

***

Uwe saß alleine mit seinem Frust und seiner Angst davor, was der Schiedsrichter mit dem Trainer und seiner Frau wohl besprechen würde, in der Kabine. Wie sollte er sich nun die Zeit vertreiben? Das Spiel dauerte noch fünfundzwanzig Minuten bis zur Halbzeit... Halbzeit! Ein Gedankenblitz schlug in seinem kognitiven Gehirnzentrum ein. Er schaute auf den Kuchentisch, auf dem der Halbzeitkuchen abgestellt wurde. Für dieses Spiel musste ihn Jannik backen. Seine Kuchen waren berühmt, denn er verzierte sie immer mit ein wenig Zuckerglasur. Das konnte niemand so gut, wie er.

Lüstern blickte er war das schokoladige Backwerk und fand sich in einer Dilemmasituation wieder: Sollte er den Schritt wagen und den Kuchen anschneiden auf die Gefahr hin, dass die anderen Jungs sauer sein würden? Eigentlich mussten immer alle warten, bis jeder sein Stück vor sich hatte. Oder sollte er Moral und Disziplin beweisen und auf den Rest warten? Minutenlang debattierte er innerlich, bis er plötzlich vor der Tür lautes Reden hörte und seine Mitspieler in die Kabine kamen.
„Uwe! Wie gehts dir? Das war echt nicht einfach zu ertragen eben...", erkundigte sich sein Kumpel Patrick bei ihm. Uwe wollte in ganzen Sätzen antworten, doch er merkte, wie sich wieder ein Kloß im Hals bildete und winkte deshalb nur beschwichtigend ab.

„Also Jungs, setzt euch hin und Jannik kommt bitte zu mir", intervenierte der Trainer und langsam wurde es still. „Gut. Also, Jannik! Dann erzähl mal, was hast du uns heute gebacken?" „Also, das ist heute ein Schokobiskuit mit einer Marillenmarmeladen-Schoko-Sahne Creme. Und ein kleiner Löwe als Zuckergussverzierung. Ich hoffe er schmeckt euch, ich hab mir nämlich viel Mühe gegeben", referierte er voller Stolz und seine Jungs lächelten ihm vorfreudig klatschend entgegen.

„Hat jeder ein Stück? Gut, dann los."

„Piep, piep, piep, wir ham' uns alle lieb!", rief die Mannschaft im Einklang, „Jeder isst so viel er kann, nur nicht seinen Nebenmann!" jeder der Spieler tat so, als würden sie jetzt anfangen wollen, das Kuchenstück zu essen, jedoch warteten alle insgeheim auf Janniks traditionellen Einsatz: „...und wir nehmen's ganz genau, auch nicht seine Nebenfrau!"
Amüsiertes Gelächter erklang, ehe alle ihre Kuchenschnitten zu essen begannen.

„Die war echt super! Jetzt können wir gestärkt in die zweite Halbzeit starten!", kündigte der Trainer euphorisch an und seine Mannen folgten ihm aus der Kabine. Nur Uwe musste bleiben.

***

„Wie habt ihr gespielt?", erkundigte sich Uwe nach dem Spiel, als seine Mitspieler in die Umkleide kamen. „Der Schiedsrichter hat gesagt, wir einigen uns auf ein Unentschieden, weil Rune dann den Andy gezwickt hat und dann hat Jannik zu Hendrik gesagt, dass er dick ist und dann war dem Schiri das zu viel. Wir waren alle zu granting heute, das war alles nicht fair." „Wenn sich alle darauf einigen konnten, dann ist das ja okay."

„Uwe, kommst du mal? Ich möchte ein kurzes Gespräch unter zwei Augen mit dir führen", forderte ihn sein Trainer auf. Verunsichert verließ er die Kabine und wartete gespannt auf den Monolog seines Coaches.
„Ich hab mit dem Schiri geredet und wir haben uns auf ein paar Sanktionen geeinigt. Besser gesagt auf eine, aber die muss deine Frau umsetzen." Uwe war verwundert, was würde nun auf ihn zukommen? Und was hatte Sandra damit zu tun? Ihm schwante Böses. „Du hast zwei Wochen Fernsehverbot." Scheisse! „Gilt das ab sofort?", fragte er verzweifelt. „Ja, Sandra ist schon eingeweiht", wies ihn sein Trainer in dir Schranken. „Aber nächste Woche kommt das Finale von the Voice Kids!", jammerte er, doch er stieß auf wenig Verständnis. „Das wird ohne dich stattfinden müssen."

HANDBALL ONE SHOTS (failfiction)Where stories live. Discover now