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Nervös sah ich meinen Cousin an, bei dem mir aber nur der selben Blick entgegen kam.

„Bereit?", fragte er flüsternd.

„Nein", kopfschüttelnd drückte ich die Klingel.

Mrs. Miller hatte uns gesagt, dass wir Caleb recht schnell besuchen kommen dürften, weshalb Fridge und ich schon zwei Tage später vor deren Haus standen.

In den letzten beiden Tagen haben Fridge und ich alle Briefe gelesen, die die Millers Naomi geschrieben haben, damit wir so viel wie möglich über den Kleinen erfahren konnten, bevor wir ihn persönlich kennenlernen.

„Guten Tag", eine freundlich aussehende Frau öffnete die Tür. Catherine Miller. Anfang 50, viele Lachfalten im Gesicht und blonde schulterlange, lockige Haare. „Freut mich, dass ihr es geschafft habt"

„Danke, dass wir kommen durften", antwortete ich höflich mit einem Lächeln und trat ein, als Mrs. Miller zur Seite trat. „Ich bin Ryder und das ist mein Cousin Fridge"

„Ich bin Catherine", stellte sie sich höflicherweise vor. „Mein Mann Andrew kommt gleich mit Caleb runter, er hat gerade noch Mittagsschlaf gemacht", sie führte uns zur Couch, auf die wir uns setzten, bevor Catherine uns Wasser gab.

Kurz darauf kam auch schon ein Mann mit einem Baby runter. Andrew mit Caleb.

„Er sieht aus wie Azriel", flüsterte ich Fridge zu, der zustimmend nickte und genauso wie ich den Jungen fixierte.

„Hallo", schüchtern lächelte mein Neffe uns an „Ich bin Caleb"

„Hey, ich bin Fridge und das ist Ryder", stelle Fridge uns vor.

Andrew setzte sich hin, den Kleinen ließ er dabei auf dem Boden, auf dem viele Spielzeuge lagen, damit dieser dich beschäftigen konnte wie er wollte. „Wir hatten eigentlich erwartet, dass Naomi mitkommen würde"

Fridge und ich tauschten einen Blick, bevor ich antwortete. „Sie fühlt sich momentan nicht wirklich in der Verfassung"

Traurig schaute Catherine uns an „Wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben, dass Caleb Kontakt zu seiner leiblichen Familie haben würde, da Naomi sich nie gemeldet hat. Wie geht es ihr mittlerweile mit ihrer Sucht?"

Ich atmete lang aus „Nicht unbedingt besser wenn ich ehrlich bin. Aber sie versucht es. Eine Zeit lang war sie auch clean, aber dann hatte sie wieder mit den falschen Menschen Kontakt"

„Das tut und leid zu hören", meinte nun Andrew „Wir hoffen trotzdem - vor allem seit eurer Nachricht und diesem Besuch - dass er irgendwann mit ihr Kontakt haben oder sogar bei ihr wohnen kann. Dürften wir erfahren was mit seinem Vater ist?"

Ich räusperte mich und blinzelte aufkommende Tränen schnell weg „Er war unser Adoptivbruder und ist kurz vor Caleb's Geburt bei einem Autounfall gestorben"

„Unser aufrichtiges Beileid", beide Erwachsenen schauten uns traurig an.

Fridge schien zu merken, dass das Thema mir unangenehm ist und wechselte das Thema „Wächst der Kleine mit", er haderte etwas an der Bezeichnung „Geschwistern auf?"

Catherine lächelte uns an - schien unsere Unsicherheit zu spüren „Ja das tut er. Wir haben noch drei andere Kinder. Der älteste ist 15 und die jüngste - vor ihm natürlich - ist fünf"

Das fand ich gut und sagte dies auch. Bestimmt hätte auch Azriel gewollt, dass der Junge - sein Sohn - Geschwister hat oder mit vergleichbarem aufwächst.

Wir verbrachten noch eine Stunde dort und spielten auch etwas mit Caleb, bevor wir uns verabschiedeten und auch Fridge und ich getrennte Wege gingen.

Kaum kam ich durch die Haustür empfing mich das Gebrüll meines Vaters. „Ich schwöre bei Gott wie kannst du unserer Familie nur so etwas antun?"

Auf dem Weg ins Wohnzimmer kam mir Aaron entgegen, den ich sofort fragte, was denn los sei.

„Mum und Dad haben das mit Caleb heraus gefunden und auch Naomis Drogen gefunden", dann verschwand er nach oben.

Ich ging ins Wohnzimmer. Dort sah ich eine weinende Naomi auf der Couch sitzen, meine Mum, die auch weinte und einen vor Wut tobenden Dad, der auf und ab lief.

„Dort kommt der nächste Rumtreiber", Dad deutete auf mich und kam auf mich zu, um an mir zu riechen und in meine Augen zu schauen „und, was hast du genommen? Ein bisschen Gras oder gehst du direkt hoch und spritzt dir Heroin?"

Empört schubste ich Dad zurück „Was stimmt denn nicht mit dir? Ich hab wenn dann nur normale Kippen geraucht!"

„So fing das bei deiner Schwester auch an", brüllte er mir ins Gesicht, sodass ich zusammen zuckte.

„Dad halt ihn doch da raus!", rief Naomi. „Er hat nichts damit zu tun"

„Aber er wird so enden wie du! Siehst du es denn nicht?", jetzt hatte Dad sich in ihre Richtung gedreht.

„Was ist überhaupt hier los?", fragte ich jetzt, weil ich mir nicht erklären konnte, dass der Haussegen jetzt schon wieder ‚nur' deswegen schief hing.

„Wir haben gerade herausgefunden, dass unser Enkel, Caleb, noch lebt", schniefte Mum. Also doch deswegen.

„Das weiß ich. Ich hab ihn gerade mit Fridge besucht", unbeholfen deutete ich zur Tür.

„Du wusstest davon?", brüllte Dad und kam auf mich zu, sodass ich immer weiter zurück ging, bis ich gegen die Wand stieß. „Du wusstest es, gehst sogar zur ihm, ohne uns etwas zu sagen? Denkst du echt wir hätten kein Recht das zu erfahren oder ihn zu sehen? Er könnte hier bei uns leben und aufwachsen!"

„Nein!", Naomi sprang von der Couch „Das will ich nicht!"

„Wieso denn nicht? Sind wir so schlimme Eltern?", Mum weinte noch immer.

Fast gleichzeitig antworteten Naomi und ich - ich stand noch immer mit Dad an der Wand. „Ja", dann erklärte Naomi weiter „Schaut euch doch an was aus mir geworden ist, wie kaputt Ryder ist oder, dass Aaron euch nicht einmal vertraut und euch nicht erzählen will, dass er schwul ist!"

„Naomi!", schrie ich sie nun an. „Das darfst du doch nicht einfach so erzählen!"

„Wieso ist unser einziges normales Kind Tatiana?", weinte Mum.

Ein Schniefen zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Aaron stand da und beobachtete uns alle mit einem verletzten Ausdruck im Gesicht.

„Du bist nicht schwul!", schrie Dad ihn an und ging auf ihn zu, wahrscheinlich um ihm eine zu klatschen, doch hielt ich ihn auf und stellte mich beschützend vor meinen kleinen Bruder.

„Doch Dad das ist er und daran wird sich nichts ändern, egal wie du reagierst!", ich baute mich so gut es geht vor ihm auf.

„Wieso müsst ihr immer so böse sein? Ich will doch nur eine normale Familie!", Tatiana stand auf einmal zwischen uns allen und sah uns mit Tränen in den Augen an.

„Ich zieh vorübergehend zu Fridge", damit rannte Aaron aus dem Haus.

„Danke für nichts!", verheult rannt Tati die Treppe hoch, bevor eine Tür knallte. Schnell ging Naomi hinterher.

Und wieder stand mein Leben vor Trümmern.

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⏰ Last updated: Aug 22, 2022 ⏰

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Loving the blind girl Where stories live. Discover now