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Ich atmete tief durch und betrat das Zimmer. Azriel's Zimmer. Naomi lag im Bett und schnarchte vor sich hin. Ich hatte das Zimmer ewig nicht mehr betreten. Außer Naomi hat das aber auch keiner, soweit ich weiß.

„Naomi?", ich setzte mich auf die Bettkante und versuchte die Bilder zurückzudrängen, die versuchten in den Vordergrund zu kommen.

Sie lag in Azriel's Bett.

„Hm?", grummelnd drehte sie sich zu mir und sah mich müde lächelnd an. „Hey Kleiner"

Oh hallelujah sie war mal clean. Mal schauen wie lange noch.

„Ich wollte mit dir reden", im Schneidersitz setzte ich mich ihr gegenüber und versuchte das Gefühl, was dieses Zimmer und diese Situation in mir auslöste, zu ignorieren.

So viele Tage und Nächte war ich mir Az hier gesessen und wir hatten geredet, gespielt, gezockt oder was auch immer.

Sie setzte sich auch auf und fuhr sich müde übers Gesicht. „Über was?"

Ich atmete tief durch „Azriel", sie erstarrte „Mom... Mom und Dad haben mit mir geredet"

„Du weißt es", stellte sie traurig fest und wich meinem Blick aus, indem sie auf ihre Finger, in ihrem Schoß sah.

„Ja", ich schluckte „Wieso habt ihr mir nichts erzählt?", immerhin dachte ich Az und ich hatten uns immer alles erzählt. Aber anscheinend nicht.

„Wir wollten", gedankenverloren sah sie auf ein Bild, was auf dem Nachttisch stand. Es war ein Bild von Azriel und ihr „Vor allem er. Es hat ihn innerlich aufgefressen, dass er es dir noch nicht sagen konnte. Wir wussten, dass du es für dich behalten würdest aber wir wollten das mit uns etwas ernstes werden lassen", ihre Hände zitterten. Ich war mir nicht sicher, ob es eine Reaktion auf die Vergangenheit war oder weil sie wieder Drogen brauchte.

„Wie lang ging das?", natürlich war ich verletzt, aber ich glaubte ihr, sie hatte mich nie angelogen. Und Az auch nicht.

Sie schluckte schwer „Ich war in ihn verliebt seit ich dreizehn war. Zusammen waren wir insgesamt fast ein Jahr. Er wollte es dir sagen, als ihr den Unfall hattet. Nach dem Streit mit Mum und Dad, denn wir wollten ausziehen und er wollte dich mitnehmen"

Er wollte mich mitnehmen? Er wollte, dass ich mit ihnen ging, wohin auch immer sie gegangen wären.

„Hätten sich Mum und Dad nicht dagegen gestellt?", fragte ich sie.

„Doch natürlich. Mum vor allem. Aber es war ihm egal. Er wollte mit dir gehen oder ganz bleiben. Aber Dad wollte nicht wieder ein Baby im Haus, deswegen sollten wir raus. Für keinen von uns vier gab es da einen Kompromiss, deswegen hatten wir so viel gestritten bevor Az... gegangen ist", Tränen stiegen ihr, wie auch mir in die Augen. Wenn er doch nur hier wäre.

Der Tod war etwas unfaires. Er kam und holte sich die, die es nicht verdienten. Ihm ist es egal ob man ein Kind war oder erwachsen. Ob man einen Grund hatte oder nicht.
Dieser Mensch ist einfach nicht mehr da. Einfach so.

„Und...und das Kind? Ihr wärt Eltern geworden", ich griff nach ihrer Hand, um mich noch in der Realität zu halten und nicht in meinen Gedanken zu versinken.

Sie schluchzte auf „Ja. Ein Junge. Caleb"

Ich drückte ihre Hand fest „Mom und Dad haben mir gesagt, dass er tot ist"

Loving the blind girl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt