Kapitel 17

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»Aryn!«, mit ausgebreiteten Armen begrüßte ich meinen kleinen Bruder. Wie bei unserer ersten Begegnung saß er draußen auf dem Hof. Wieder mit seinen außergewöhnlichen Kristallen spielend. Diesmal aber hatte er viel kausalere Sachen an. Seine Tunika fiel kein bisschen auf und die mit Blättern geschmückte Krone war auch nirgends zu sehen.

Wie es aussah hatte sich Aryn geweigert, sich umzuziehen. So etwas passierte nicht zum ersten Mal. Lord Mullo erzählte mir oft, dass mein kleiner Bruder sich nach Gefühl verhielt. Egal ob es um Essen oder Kleidung ging, für Aryn zählten nur seine eigenen Vorlieben. Er machte das, was ihm gefiel.

Manchmal wollte ich einfach nur wie er sein. So sorgenlos und ohne irgendwelche Probleme. Sogar meine therapiebedürftigen Eltern wären eine bessere Option als all diese viel zu großen Verantwortungen.

Prinzessin zu sein ähnelte keinem Märchen.

»Deins«, er nahm den violetten Diamant in die Hand und gab mir diesen. Keine Sekunde später konnte ich schon spüren, wie die Tränen sich in meinen Augen sammelten. Nicht weinen. Ich durfte nun keine Schwäche zeigen. »Schön?«

Lächelnd nickte ich heftig mit dem Kopf. »Sehr sogar. Danke, Aryn.«

Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und ich konnte die ungeraden Zähne meines kleines Bruders sehen. Diese blaugrauen Augen, die er von seiner Mutter vererbt bekam, glitzerten im Sonnenlicht. Aryn war glücklich.

Alles an ihm erinnerte mich an die Kindheit, die ich schon immer gewollt hatte.

Manchmal fragte ich mich wirklich, ob das Universum mir einen schlechten Streich spielte. Als hätte der jahrelange Hass meiner eigenen Familie und die Zeit in der Klapse nicht gereicht, musste ich nun ein Reich regieren. Mit einem Mann heiraten, den ich nicht kannte. Nicht liebte.

Sollte ich in meinem Alter mir nicht Sorgen über das College machen? Mich mit Freunden auf einer Party treffen? Ein nettes Date mit Jungs in meinem Alter haben?

Doch nun nahm ich all die Last des Volkes Valeras auf mich. Millionen waren auf meine Entscheidungen angewiesen. Ein Wort meinerseits konnte das Leben von viel zu vielen Menschen in den Abgrund treiben. Und ich musste alles tun, damit so etwas niemals passierte.

»Hoheit.«

Die tiefe Stimme holte mich aus meinen nicht endenden Gedanken heraus. Noar stand an meiner rechten Seite, die Hand auf der Brust und sich leicht vorbeugend. Seine dunkeln, nicht allzu langen Haare fielen ihm wirr auf die Stirn. »Lord Mullo bittet Euch, mit den Vorbereitungen anzufangen.«

Vorbereitungen. Als hätte sein gestriger Monolog über das Ritual der Heirat nicht schon gereicht.

Als Noar den Kopf wieder hob, konnte ich das Misstrauen erkennen, welches sich auf seinem Gesicht bequem gemacht hatte. Erst jetzt fiel mir auf, dass er noch nichts von dieser Heirat wusste. Keiner tat es, ausgenommen Lady Enees, Lord Mullo und Lord Eden. Der, der für die Kontaktpflege mit den anderen Reichen zuständig war.

Gleichzeitig auch die Person, die nun dem König Maxeas Bescheid gab, dass ich seinen Antrag akzeptierte.

Allein der Gedanke an diesen Mann ließ mich komisch fühlen. Nun hieß es, ein ganzes Leben mit einen mir komplett fremden Mann zu verbringen. Mit ihm alt zu werden. Und am Ende zu sterben. Keine Liebe. Nichts. Nur die Rettung zweier Reiche. Und geopfert wurden eben wir. König Tegon und Prinzessin Alessa.

Trust & BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt