⁰⁹: straftat

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"Dann berufen wir jetzt aus dem Zeugenstand: D/N N/N."

Ich stand auf und als ich mich kurz vor dem Richter verbeugte, spürte ich, wie meine Hände schwitzten.

So etwas, wie vor Gericht aussagen, hatte ich noch nie in meinem Leben gemacht.








- Rückblende: 5 Tage zuvor -

Der vorherige Tag des Festes kam mir vor wie ein ferner Traum

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Der vorherige Tag des Festes kam mir vor wie ein ferner Traum. Oder zumindest der Abend.

Ich erinnerte mich natürlich am intensivsten an unseren Kuss vor all den Augen der anderen.

Es wäre mir vermutlich unangenehm oder peinlich gewesen, doch in diesem Moment war auf einmal alles egal.

Was nach dem Kuss geschah, wusste ich nicht mehr. Allerdings ganz genau, was ich nur eine Stunde später sah.

Ich weiß noch, wie ich zusammen mit Momoko die Straße hinunter lief. Die Feierlichkeiten waren noch immer im Gange, doch wir liefen durch eine ruhigere Straße, ein bisschen weiter abseits.

Plötzlich blieb ich abrupt stehen.

"Hast du das gehört, Momoko?"

"Was meinst du?"

"Da vorne in dem Stand da. Ich schwöre dir, ich habe da gerade jemanden Hilfe rufen hören."

"Ehm, wenn du meinst. Lass uns lieber mal nachschauen."

In der Dunkelheit sah ich einen Schatten hinter den Ständen vorbei rennen. Es war so dunkel und schwach beleuchtet, dass ich nur die Silhouette erkennen konnte, jedoch viel mir die neon pinke Mütze ins Auge.

Ich runzelte kurz die Stirn, und beschloss die Person nur für jemanden vom Fest zu halten.

Ein Stand mit Nudeln der bereits geschlossen war. Wir klopften von außen.

"Entschuldigung? Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"

Von drinnen hörten wir plötzlich eine schwache Stimme nach draußen dringen. "Hallo?"

"Brauchen Sie Hilfe?"

"Ich kann mich nicht bewegen und euch die Tür auf machen. Kommt durch das Fenster. Schlagt es falls nötig ein", krächzte die Stimme.

Momoko und ich sahen einander an.

Wir nickten und gingen an die Seite des kleinen Ladens, wo wir das Fenster fanden. Zu unserem Glück war es nicht verriegelt und wir öffneten es.

Natürlich waren wir nicht so dumm und kletterten einfach so dort hinein.

Mit meiner Handy-Taschenlampe leuchtete ich in das Innere und was wir sahen, verschlug uns die Sprache.

Auf dem Boden lag ein Mann mit blutverschmiertem Gesicht und mindestens zwei ausgeschlagenen Zähnen.

"Oh mein Gott", entfuhr es Momoko.

"Ich rufe einen Krankenwagen", sagte ich sofort.

Als der Krankenwagen an kam, genehmigten sie uns nicht sofort, nach Hause zu gehen.
Wir wurden auf eine Polizeistation geladen und unsere Eltern mussten angerufen werden.

Dann wurden wir ausgefragt.

"Der Mann sagt, er wurde angegriffen", erzählte ein Beamter. "Mehr konnten wir nicht erfahren, er hat nur ganz knapp überlebt und muss nun ruhen."

"Wir wollten doch einfach nur Awa Odori feiern...", murmelte Momoko.

In diesem Moment kam ein weiterer Beamter in den Raum gestürmt. "Wir haben soeben eine neue Meldung erhalten. Jemand hat sich in den Stand des Mannes geschlichen und dort gestohlen. Was genau ist noch unklar. Allerdings hat die Person, als sie von dem Herren erwischt wurde, ihn angegriffen und ist dann durch das Fenster abgehauen, durch das sie vermutlich auch gekommen ist."

"Moment Mal... Ich habe jemanden den Stand verlassen sehen!", fiel mir ein. "Die Person ist ziemlich schnell gerannt und hatte so eine auffällige Mütze an..."


- Gegenwart -

"Wir berufen jetzt aus dem Zeugenstand: D/N N/N."

Mein Blick schweifte noch einmal durch den Saal. Auf einer hinteren Bank saßen meine Eltern und... Ray, Emma und Norman, zusammen mit einem älter aussehenden Mann.

Weiter vorne, dem Richter direkt ins Gesicht schauend, stand Gillian. Ich hatte Gillian schon zuvor gesehen, als ich kurz bei Ray zu Hause war. Sie war älter, als sie aussah, schon achtzehn. Unsicher sah ich zu Ray hinüber, der schon die ganze Zeit über die Stirn runzelte.

"Bitte", sagte der Richter. "Erzähl uns alles, was du gesehen hast."

"Ich habe an dem Abend den verletzten Mann aufgefunden. Und... ich habe jemand anderes verschwinden sehen."

Emma sah dem Verzweifeln nahe. Ich wollte nicht, dass jemand aus ihrer Familie eine fette Strafe aufgebunden bekam. Sie hatte mir vor dem Prozess noch erzählt, dass sie nicht glauben könnte, was Gillian getan hätte. "Sie ist immer so fröhlich und nett... Das passt überhaupt nicht zu ihr", hörte ich Emma aus der Erinnerung.

Ich würde auch gern wissen warum. Doch im Moment schien mir das einzig richtige, jetzt die Wahrheit zu sagen. Vielleicht war Gillian im Endeffekt ja doch gar nicht Schuld...

"Dieser jemand trug eine auffällige neon-pinke Mütze."

Alle Augen schweiften zu Gillian, die diese immer noch trug.



𝐍𝐄𝐕𝐄𝐑𝐌𝐈𝐍𝐃 ➱ ʀᴀʏ x ғᴇᴍ. ʀᴇᴀᴅᴇʀWo Geschichten leben. Entdecke jetzt