8. Kapitel

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POV: Emma
Verschlafen blinzelte ich. Nachdem Alicia einfach gegangen war, hatte mich die Müdigkeit eingeholt.
Ich war nicht sauer auf sie oder besser gesagt auf ihre Reaktion.
Denn jetzt -im Nachhinein- kam ich mir selbst schon etwas verrückt vor: Ich konnte nicht mal richtig reden ohne, dass meine Stimme zerbrach; ich war noch nie in der Gegend außerhalb des Internates gewesen und dieses verdammte Rätsel war auch unlösbar!
Wahrscheinlich würde ich mich verlaufen und wenn's hart auf hart kam wieder zusammenbrechen.

Gedankenverloren starrte ich auf die Zimmerdecke. Die letzten paar Tage kamen mir vor wie ein Traum. Wie ein unwirklicher, unrealistischer, mit viel zu vielen Zufällen, geträumter Traum. Die Tatsache, dass Alicia wirklich einmal Winter hieß... Es war schon verrückt, wie ähnlich sie mir in manchen Fällen war, denn auch sie hatte ihre Familie verloren. Ihre Eltern, ihre Geschwister. Genau wie ich.

Ich versuchte die Gedanken an sie zu verdrängen. Ich hatte genug eigenen Probleme, da musste ich mir ja nicht auch noch den Kopf über ihre Sachen zerbrechen!
Doch es gelang mir nicht.
Was damals nur vorgefallen war?
Was hatte sie so gemacht?
So, wie sie heute war?
Joanna konnte es mir nicht sagen und sie, sie würde es nicht tun.

Emma!Verdammt, das geht dich ja ich nichts an!
Am liebsten hätte ich laut geflucht, denn fast wäre ich wieder in die unendliche Leere gefallen, die ich heute morgen gefühlt hatte. Die Leere, welche mich fast umgebracht hätte.
Das Leben geht weiter, Emma! Ihm ist egal, ob du seine Zeit verschwendest oder nicht!

Ich raffte mich zusammen und nahm den Brief meines Onkels noch mal in die Hand. Aufmerksam las ich ihn nun schon zum gefühlten 100. Mal durch.
Mittlerweile wusste ich zwar, wer das gesuchte Mädchen war, aber ansonsten blieb der Brief mir ein Rätsel. Wo bitte traf Höhe auf Tiefe? In der Nähe des Internats gab es lediglich Wald. Wald und ein paar Berge.

Genervt ließ ich den Brief auf meinen Schoß fallen und in dem Moment klopfte es. »Herein«, meinte ich. Zwei Frauen, welche ich nicht kannte, traten daraufhin ein.

•••

Nach einer halben Stunde waren die Frauen wieder gegangen und nun blickte ich nach draußen. Statt dem Schnee, der die letzten Tage heruntergekommen war, brach einzig und allein Regen aus den Wolken. Das Wetter passte zu meiner Stimmung. Die zwei Frauen hatten genau das gesagt, was ich befürchtet hatte. In zwei Tagen, wenn sie alles geklärt hatten, würde ich mit ihnen mitkommen müssen. Wohin? Das wusste ich nicht. Denn wenn ich ehrlich war: Irgendwann hatte ich nicht mehr zuhören können. Die Stimme der Frau war nämlich so monoton gewesen, dass ich fast wieder eingeschlafen wäre...

Bis heute Abend hatte ich mir vorgenommen mich noch auszuruhen und dann, dann wollte ich meine Sachen aus dem Zimmer hohlen und mich am frühen Morgen auf den Weg machen. Das konnte ich nicht schon in der Nacht, da es in dieser zu kalt wäre. Bis dahin musste ich aber dringend rausfinden, wo diese Reneé wohnte...

Doch je länger ich es versuchte, desto deprimierter wurde ich: Logisch denken oder Rätsel zu lösen, war einfach nicht meins!

•••

Mittlerweile war der frühe Abend eingebrochen. Eine Dame hatte mir Essen vorbeigebracht und ich war mit dem Rätsel kein Stück weiter.
Ich war kurz davor meinen ganzen Plan aufzugeben und den Brief einfach zu ignorieren, als die Tür sich öffnete.
Ohne Vorwarnung war sie einfach aufgegangen. Und in ihr stand diejenige, die ich gar nicht mehr erwartet hätte: Alicia.
Sie sah aus wie immer. Ihre schulterlangen, braunen Haare waren offen und zierten ihr Gesicht, welches den selben Ausdruck wie immer trug. Nämlich gar keinen.
Wie schaffte sie das nur?

Ich verwarf den Gedanken. Sie war da. Das war das einzigste was zählte.
Obwohl fragen wieso sie das war, tat ich mich schon... Schließlich hielt selbst ich meinen Plan für verrückt.

Eine Weile blieb es still. Sie stand, wo sie war und auch ich rührte mich nicht. Gerade wollte ich zum Reden ansetzen, da setzten sich ihre Beine in Bewegung. Sie lief zu meinem Nachttisch und legte einen Zettel auf ihn. Dann machte sie kehrt und verlies das Zimmer einfach wieder.

Schlau. Das war das einzigste, was ich mir dabei dachte. Sie benutzte kein einziges bisschen Sprache, außer auf dem Papier. Das hatte ich ja im Unterricht bemerkt. Aber wieso unterhielt sich dann niemand mit ihr so? Wieso kam niemandem die Idee so mit ihr zu kommunizieren? Wieso kam MIR diese Idee nicht?

Fürs Erste verwarf ich meine Gedanken und las mir einfach den Zettel durch. Auf ihm standen gerade mal 3 Sätze und trotzdem blieb mir der Mund offen stehen.
Ich hatte Stunden dieses Rätsel gelesen... und sie hatte es einmal gehört und dann das!
Auch wenn ich es nicht wirklich zugeben wollte: Ich hatte Alicia falsch eingeschätzt.

 𝗧𝘄𝗼 𝗚𝗶𝗿𝗹𝘀 - In search of the True Where stories live. Discover now