2.Kapitel

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POV: Emma

Mist! Diese verfluchten Erinnerungen! Warum mussten sie in den unpassendsten Momenten auftauchen?
Ich hatte Carla gerade so schön aus meinen Gedanken verbannt und dann das! Ihre Art, wie sich von den Menschen bewusst abschottete, Alicia war wie sie. Wie sie kurz bevor...

Warum kann man Erinnerungen nicht ausschalten? Klar, sie waren wichtig, aber manche brachten nur Leid.

Mein Leben ging weiter und ich konnte es doch nicht nur mit Trauern verbringen. Trauer würde nichts ändern! Es würde weder Carla noch mir was bringen! Warum verstand das nur mein Kopf und nicht mein Herz?

•••

Mit schnellen Schritten lief ich zu den Toiletten. Keine Sekunde zu früh hatte ich die Tür hinter mir verschlossen, schon rannten mir die Tränen übers Gesicht. Wie in einem Gruselfilm, sah ich andauernd ihr Gesicht: Bleich und mit einem fahlen Ausdruck. Egal wie oft ich es versuchte, ich bekam das Bild nicht aus meinem Kopf. Ich wischte mir die Tränen weg und atmete ein paar Mal tief durch. Langsam kam ich wieder ins Jetzt. Ein paar Minuten blieb ich noch regungslos wo ich war und versuchte meine Gedanken zu ordnen, dann kam ich wieder aus der Kabine und lief zum Waschbecken. Dort wusch ich mir einmal über mein verweintes Gesicht und war froh, dass ich nie Make-up benutzte. Denn sonst hätte ich jetzt sicherlich ein Problem gehabt.

Ich schaute auf die Uhr, die schräg über dem Waschbecken hing und beeilte mich, um rechtzeitig zum nächsten Fach zu kommen. Im Kunstsaal angekommen, waren noch zwei Plätze frei. Ich lief auf den einen, welcher am Fenster war zu und fragte das Mädchen, auf dem Platz neben diesem: »Kann ich mich hier hinsetzten?«
»Klar, du bist Emma oder ? «, meinte sie freundlich und bevor ich ihr antworten konnte, fügte sie hinzu:»Ich heiße Joanna, aber nenn mich doch Jo.« Ich setzte mich hin, schenkte ihr ein Lächeln und schon kam die Lehrerin.

Während des Unterrichts stieg meine Laune stetig an. Das lag nicht nur daran, dass Kunst mein Lieblingsfach war und wir ein echt cooles Thema hatten, sondern  auch daran, dass  Jo echt witzig war. Mit ihr und  ihren beiden Freundinnen, July und Eleen, die vor uns saßen, habe ich so viel gelacht, wie schon lange nicht mehr.

Unser Thema war, etwas zu malen, was wir gern anders hätten. Ihr Beispiel war, dass wir  malen konnten, dass die Schule erst um 10:00 Uhr beginnt.
Während July, Eleen und Jo diskutiert hatten, was sie malen wollten, schaute ich aus dem Fenster. Die weiße Winterlandschaft war wunderschön und es dauerte nicht lange und mir kam eine Idee. Ich wandte mich meinem Blatt zu und begann meine Idee umzusetzen.

Ich blendete meine Umgebung dabei aus und bekam so recht spät mit, dass Jo mit mir geredet hatte.
»Erde an Emma! Ich habe dich was gefragt«,sagte sie. »Ups sorry. Kannst du es bitte noch einmal wiederholen?«, entgegnete ich ihr. »Natürlich, Ich habe gefragt, ob ich mal dein Bild sehen kann«, meinte sie schmunzelnd. Als Antwort lächelte ich und gab ihr den Blick auf mein Bild frei.
Sie musterte es kurz und meinte dann überrascht:»Du kannst echt gut malen.«
»Naja...«, stritt ich ihr Lob ab und betrachtete skeptisch mein Bild.

Ich hatte eine Kämpferin vor einen Spiegel gemalt, in dem man sie selbst in schwach sah. Oben drüber hatte ich: „Unterschätze mich nicht " geschrieben. Mir war die Idee gekommen, da ich ganz oft für schwächer, als ich eigentlich war, gehalten wurde. Und zwar nur, weil ich lange, blonde Haare, blaue Augen und eine schmale Körperstruktur hatte.

»Das ist echt schön oder?«, fragte auf einmal Jo Eleen und July. Sie hatte ihnen mein Bild nach vorne gereicht und als Eleen dann noch meinte:»Ja, total!«, wurde mir die Situation sehr unangenehm.
July verbesserte das Gefühl auch nicht als sie: »Du kannst genauso schön wie Lukas malen«, hinzugefügte. So gut gelungen war mir das Bild nicht und außerdem wusste ich auch nicht wer Lukas war.

Anscheinend war letzteres Jo auch eingefallen, denn sie rief einem Jungen, der in paar Reihen hinter uns saß: »Hey, Lukas! Zeig Emma mal dein Bild«, zu.
Der Junge zeigte mir das Bild und ich staunte nicht schlecht: Das Bild war echt schön. Er hatte die unterschiedlichsten Menschen gemalt. Kleine, Große, Dicke, Dünne, Kranke, Dunkelhäutige und Hellhäutige und sie alle hielten sich mit einem Lächeln im Gesicht an den Händen.

»Wow, total schön«, sagte ich an den Jungen gewandt. »Danke und jetzt zeig du deins«, erwiderte dieser. Zögernd zeigte ich ihm mein Bild und er meinte: »Oh, echt cooles Bild.«

»Kinder! Reden ja, aber nicht über die ganze Klasse hinweg«, äußerte sich die Lehrerin. Manche regten sich noch darüber auf, dass sie keine Kinder mehr waren, da sie ja bald 16 wurden und dann gongte es.

Über den restlichen Tag hinweg , hatte ich noch so viel Spaß mit July, Joanna und Eleen, dass ich bis abends nicht mehr an Carla und Alicia gedacht hatte.
Doch als wir schließlich schlafen sollten, holten mich die Gedanken wieder ein und raubten mir den Schlaf.

Ich war schonmal zu spät gewesen, war ich es diesmal wieder?

𝙷𝚒,
𝚅𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚑𝚊𝚋𝚝 𝚒𝚑𝚛 𝚍𝚊𝚜 𝙱𝚒𝚕𝚍 𝚘𝚋𝚎𝚗 𝚓𝚊 𝚐𝚎𝚜𝚎𝚑𝚎𝚗, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚜𝚘𝚕𝚕 𝙴𝚖𝚖𝚊 𝚍𝚊𝚜𝚝𝚎𝚕𝚕𝚎𝚗. 𝙹𝚎𝚍𝚘𝚌𝚑 𝚒𝚜𝚝 𝚎𝚜 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚟𝚘𝚗 𝚖𝚒𝚛, 𝚜𝚘𝚗𝚍𝚎𝚛𝚗 𝚟𝚘𝚗 𝙿𝚒𝚗𝚝𝚎𝚛𝚎𝚜𝚝.
𝙻𝙶

 𝗧𝘄𝗼 𝗚𝗶𝗿𝗹𝘀 - In search of the True Where stories live. Discover now