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Er holte Handschellen heraus und legte sie dem Alten um. Wenigstens diese kannten sie auch hier.

Der hochgewachsene Mann befestigte eine Kette an den Verschluss der Manschetten. Dann setzte er seinen Weg fort, als wäre nichts gewesen, als strömten nicht verängstigte Menschen auf die Straßen, durcheinander, nach Antworten suchend. Als blickte ihn Henry nicht voller Schock an.

Der alte Mann sagte energisch: „Wie ich eben schon verlauten habe lassen, weiß ich leider nicht, welchen Verbrechens ich beschuldigt werde." Er atmete schneller, um gleichzeitig dem blass-weißen Mann zu folgen und zu reden. „Können Sie mir wenigstens verraten, wo wir hingehen? Oder was jene Explosion zu bedeuten hat, ich bin nicht von hier. Genauer gesagt wüsste ich sehr gerne, wo ich mich befinde, da ich das auch nicht weiß."

Sein stummer Begleiter machte immer noch nicht den Mund auf. Er beschleunigte die Schritte ein wenig, bremste wieder ab.

Mit einem Hauch von Unsicherheit in der Stimme antwortete er: „Bringen ich Fremden in die Käfige, weil haben werden angreifen das Zentralum. Oder anderes."

Diese Antwort brachte wenig Licht ins Dunkle. Lediglich, dass der erlebte Angriff gegen den üblichen Alltag verlief und die Menschen hier entsetzte, hatte der alte Mann heraushören können. Der Rest dieser Worte waren böhmische Dörfer für ihn.

Bald schon erreichten sie, was der Endpunkt seiner Odyssee durch dieses Wirrwarr an Straßen sein sollte. Sein Begleiter steuerte auf eine schwarze Fassade zu. Sie wirkte unheimlich, Passanten wechselten die Straßenseite, um nicht vorbeigehen zu müssen.

Solch ein Gebäude hätte Henry hier nicht erwartet. Es endete bereits nach wenigen Stockwerken in der Höhe, breit war es nicht. Doch es strahlte eine unglaubliche Kälte, solch Abschreckendes ab, dass ihm unwillkürlich Schauer über den Rücken liefen.

Die schwarze Farbe, welche alles zu überwältigen schien, kontrastierte zu allem, was die Metropole sonst ausmachte. Keine Verzierung, keine Aufhellung erkannte der alte Mann an diesen Haus, und immer noch steuerte der Offizielle mit ihm im Schlepptau direkt auf dessen riesiges Eingangstor zu.

Henry wurde langsamer, das Ziehen an seinem Handgelenk trieb ihn wieder an. Der Uniformierte wollte wirklich dorthin. Dieses einem Kerker ähnliche Bauwerk sah nicht so aus, als würde der Senior dort Antworten auf seine Fragen finden, geschweige denn einen freundlichen Empfang erfahren.

„Name?", ertönte eine Stimme. Die beiden Männer standen direkt vor dem gewaltigen Tor.

„Hoka", sagte Henrys Begleiter.

Die Tür öffnete sich sekundenschleichend nach innen, gab den ungefähren Blick auf eine schneeweiße Diele frei. Sie traten ein, die Flügel begannen, sich wieder zu schließen.

Es war wohl kein Hausflur, sondern eine unermessliche Eingangshalle, die sie nun durchquerten. Weiße Kacheln an den Wänden und auf dem Boden, fast ebenso viele Männer in genauso weißen Anzügen. Hoka, wie der Mann, der Henry führte, anscheinend hieß, passte perfekt in das Bild.

Die unzähligen Uniformierten schienen keinem Schema zu folgen, manche standen wie Zinnsoldaten an der Wand, andere unterhielten sich gelöst und hatten ihre Bänder aus den Haaren genommen. Sie schenkten den beiden Neuankömmlingen wenig Beachtung, diese passierten die Menschen, ohne zu reden.

Obgleich dieser Halle riesig erschien, - wahrscheinlich füllte sie die gesamte Höhe und Breite dessen aus, was man von außen hatte sehen können - hatte sie ein Ende. Schnurstracks führte Henry sein Begleiter dorthin.

Hier löste sich die reinweiße Optik auf, sie war nun durchbrochen von schwarzen, zweiflügeligen Türen, davon mehrere aufgereiht. Links und rechts stand jeweils ein Uniformierter, der sich nicht rührte.

Was ich gesehen hätteWhere stories live. Discover now