40: Auf der Suche

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Am nächsten Morgen wurde ich von Schritten geweckt, die verzweifelt versuchten leise zu sein und es doch nicht schafften. Langsam schlug ich die Augen auf und starrte kurz verwirrt durch die Gegend, als mir letzte Nacht einfiel. Oh man. Es gab nun kein Zurück mehr. "Oh du bist wach" Ich drehte den Kopf und erblickte Newt, der sich gerade ein Shirt über den Kopf streifte. Jetzt blickten seine hellbraunen Augen zu mir herab und ich legte den Kopf schief. "Wohin gehst du? Die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen" "Zweite-Anführer-Sachen", antwortete er und lies sich auf der Bettkante nieder. Ich wusste, das ich nicht viel mehr aus ihm herausbekommen würde und gähnte stattdessen ausführlich. "Heute kommt der Frischling zu uns" Ich horchte auf und drehte den Kopf zu Newt, der nachdenklich aus dem Fenster starrte. "Meinst du er ist hier gut aufgehoben? Irgendwie scheint es mehr mit ihm auf sich zu haben. Er ist nicht gewöhnlich, er ist den Lichtern nicht wirklich ähnlich", begann ich zu reden und Newt nickte finster. "Ist mir gestern schon im Gespräch aufgefallen. Er hört einfach nicht auf, über das Labyrinth zu fragen. Irgendwas zieht ihn da rein und wir wissen nicht, ob wir ihn lange davon fernhalten können" "Alby scheint dasselbe zu denken", antwortete ich. Newt wollte bereits fragend den Mund öffnen, als er den Anführer der Lichtung gemeinsam mit einer Gestalt am Fenster vorbeilaufen sah. Sie trugen eine Fackel und verschwanden in Richtung der Tore. "Ich muss los" Rasch erhob sich der blonde Junge doch ich konnte ihn gerade noch rechtzeitig an den Fingern festhalten. Wortlos zog ich seinen Kopf zu mir herab und drückte meine Lippen auf seine. Als ich den hübschen blonden Jungen wieder los lies, spielte kurz ein verträumtes Lächeln um seine Mundwinkel und er strich mir sanft die Haare aus der Stirn, bevor er sich herumdrehte und zur Tür lief. "Keinen Scheiß machen Y/n" Mit diesen Worten verschwand er und die Tür fiel leise knarzend hinter ihm ins Schloss. Lächelnd wälzte ich mich aus seiner Decke, die komplett nach ihm roch und mir wurde rasch bewusst, wie leicht bekleidet ich war. Genau genommen war ich überhaupt nicht bekleidet. Hastig schlüpfte ich in meine Unterwäsche, warf mir das Shirt über und zog mir die knielangen Shorts bis zum Bauchnabel. Meine Haare waren zerzaust doch ich hatte nicht wirklich den Nerv, sie zu kämmen - also band ich sie in einen raschen Zopf. Neugierig, was der Tag wohl bringen würde, trat ich aus der Tür und blickte umher. Dichter Nebel trübte die Sicht und ich beobachtete, wie die ersten Sonnenstrahlen sich wie lange dünne Finger über die riesigen Mauern tasteten. Es würde ein heißer Tag werden, soviel war klar. Während ich durch das hohe Gras streifte, blickte ich neugierig über die Lichtung: Alby und Thomas standen am Eingang der Tore, welche sich bereits geöffnet hatten und ich beobachtete, wie Minho und Ben joggend im Labyrinth verschwanden. Ich wusste, das sie erst am Nachmittag zurückkommen würden, denn der Läufer hatte gestern von der Öffnung des dritten Abschnittes im äußeren Sektor geredet.

Die Bänke waren bereits gefüllt als ich den Essensplatz erreichte und rasch lies ich mich neben dem wild winkenden Chuck nieder. Thomas uns gegenüber starrte mich sofort an und ich strich mir nervös eine lose Strähne hinter die Ohren. Womöglich erkannte er mich. Hoffentlich erkannte er mich. Irgendjemand musste hier doch ein paar Antworten haben. "Okay Leute dann haut rein!", hörte ich Alby rufen und sofort klapperten Teller und Becher, während jeder nach allem Essbaren in Reichweite griff. Auch ich griff nun eine Semmel und etwas Schinken. Der Blick des Frischlings lag noch immer interessiert auf mir. "Wie kommt es das du das einzige Mädchen weit und breit bist?", wollte er schließlich neugierig wissen, während ich in meine Semmel biss und ich zuckte mit den Schultern. "Ich- ich kenn dich" Mir blieb das Essen im Hals stecken und ich begann wild zu husten, Chuck klopfte mir fest auf den Rücken. Die Kombination aus dem festen Hauen und meiner halb kollabierenden Lunge trieb mir das Wasser in die Augen. Schmerzerfüllt kämpfte ich angestrengt um mein Leben, bis ich endlich wieder atmen konnte. "Iss langsam Y/n", mampfte Chuck neben mir mit ernstem Gesicht, vollem Mund und seiner dritten Semmel. Ich nickte, noch immer mit den Tränen kämpfend. "Also ich mein ich kenn dich nicht- meine Erinnerungen sind weg- aber ich kenn dein Gesicht", fuhr der Frischling unbeeindruckt von meinem unbeabsichtigten Selbstmordversuch fort und ich starrte in seine eisblauen Augen. "Wirklich?" "Ja und ein zweites Mädchen- ich hab gehofft du weist wo sie ist?" Ein zweites Mädchen. Da hatten wir meine schlimmste Befürchtung. "Nein", antwortete ich ruppig und bereute es sofort, denn Chuck starrte mich wissend von der Seite her an. "Okay okay ich frag ja nur. Seit wann bist du h-" "Frischling" Mein Herz übersprang einen Ton, als ich Newts Stimme hinter mir hörte und ich spürte seinen Körper an meinem Rücken. "Zeit für deinen Job" Thomas zog kurz verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Welcher Job?" Newt wartete ungeduldig und endlich erhob sich Thomas nach einer kurzen Weile. Mit einem letzten Blick auf mich folgte er dem zweiten Anführer durch die Bänke und ich war froh, als die Beiden mit einer Gruppe Hackenhauer in Richtung Weinreben verschwanden. "Y/n?" Ich drehte mich herum, als Winstons Stimme erklang und der Hüter lies sich neben mir nieder. "Du musst die Kadaver holen" Ich runzelte die Stirn und starrte den dunkelhaarigen Jungen irritiert an. "Kadaver?" "Die Lämmer- oder was von ihnen übrig ist- holst du heute aus dem Labyrinth" Ich erstarrte. Richtig, ich hatte die armen Tiere völlig vergessen und enttäuscht verzog ich das Gesicht. Sie waren tatsächlich tot. "Okay", antwortete ich einfach und schob mich an ihm vorbei. Ich hatte es ihm nicht verziehen, dass er mir mit der ganzen Gally- Sache nicht glaubte. Er dachte wirklich, ich hätte die Lämmer freigelassen. "Ach und- Frischling" Er packte mein Handgelenk und ich drehte mich überrascht herum. "Tut mir leid wegen gestern" Was? Er entschuldigte sich? Seine Augen wichen meinem Blick aus und er lies nach kurzem Zögern meinen Arm los. "Trotzdem kannst du nicht immer alles auf Gally schieben" Ich öffnete bereits wütend den Mund, als mir einfiel wie sinnlos das hier werden würde. Ich sollte den Atem sparen. Kalt drehte ich mich herum und verschwand in Richtung Ställe, um mir Ausrüstung zu besorgen.

Scharf zog ich die Luft ein, als ich mit dem Blecheimer vor dem zerfetzten Lamm stand. Das einzige, was noch ersichtlich war, war das rechte Vorderbein und sogar das war in einem ziemlich bemitleidenswerten Zustand. Ich war mir nicht einmal sicher ob es nicht auch das Hinterbein sein konnte. "Armes Ding" Mit angewiderter Miene griff ich das kalte Fleisch und lies das Bein in den Eimer fallen. Mir wurde speiübel doch es half nichts, es konnte hier nicht liegen bleiben. Ich kniff die Augen zusammen, als ich das verbliebene Fell mit spitzen Fingern anhob und hielt den Atem an, während mir ein verwesender Geruch in die Nase stieg. "Wäh", machte ich und versuchte, möglichst wenig Blut an die Finger zu bekommen. Es dauerte eine Weile, bis ich alle Knochen und Innereien in den kleinen Blecheimer gezwängt hatte und erleichtert griff ich nach der Schnur, dessen Ende weit hinter der nächsten Gabelung verschwand. Ich war kurz verwirrt, denn ich hatte die Kordel nicht in so lang in Erinnerung. Trotzdem trat ich vor, um sie zu nehmen. Plötzlich gab es einen Ruck und sie schnellte zurück, von mir weg. "Was zur Hölle-" Verwirrt trat ich ein paar Schritte weiter ins Labyrinth doch erneut verschwand sie weiter. War das Lamm noch am Leben? Irritiert rannte ich hinter der Schnur her und bog um die nächste Ecke. Das Seil wand sich auch noch bis zur nächsten Ecke und ich hatte beinahe den nächsten Schritt getan, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Ich erstarrte, als ich einen Schatten neben meinem Fuß entdeckte. Jetzt hatte mich ein Griever gefunden und er würde mich in der Luft zerfetzen, genauso wie das Lamm am Eingang. Warum war ich so weit ins Labyrinth gelaufen?

Verborgen im SchattenWhere stories live. Discover now