Konfrontation

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Mein Bruder stockte mitten im Satz. Wir sahen beide erschrocken auf. Hinter ihm stand ein Mann mit bereits stark ergrautem Haar. Er war vielleicht irgendwo um die Mitte fünfzig und gehörte damit sicher nicht mehr zu den Männern im besten Alter. Trotzdem wirkte er ganz und gar nicht außer Form. Seine Gesichtszüge waren streng, sein Blick eiskalt.

"Das reicht, Luca."

Mein Bruder brauchte ein paar Sekunden, bis er reagierte. "Pavel? Was machst du hier?"

Pavel also... Na das wurde ja immer besser.

"Ich rette dir den Hintern, Junge. Das ist los", raunte Pavel ihm zu. "Du solltest etwas vorsichtiger sein mit dem, was du sagst. Wer sagt, dass der Blutsauger deiner Schwester nicht in der Nähe ist?"

Mein Bruder öffnete und schloss den Mund, doch brachte kaum ein Wort heraus. Sein Gesicht hatte deutlich an Farbe verloren. "Du glaubst, das Monster ist hier?"

Der Mann antwortete nicht. Seine Augen fixierten starr mein Handy. Ich konnte sehen, wie stark sein Kiefer mahlte. Hinter seiner Stirn ratterten die Zahnräder. Ganz offensichtlich ging er soeben sämtliche Optionen durch, die ihm zur Verfügung standen.

Ich zwang mich zu einem freundlichen Lächeln. "Hallo, ich bin Beatrice. Mein Bruder hat eben noch von Ihnen geredet."

Ah! Ein vernichtender Blick traf mich.

Pavels Augen wanderten zwischen Luca und dem Handy hin und her. So wie mein Bruder die Augenbrauen zusammenzog, war der Griff an seiner Schulter gerade deutlich fester geworden. Ganz klar, Pavel gefiel es nicht, dass Luca über ihn gesprochen hatte. Nur hatte er in diesem Moment keine Chance rauszufinden, was genau er mir verraten hatte.

Trotzdem verlor er nicht komplett die Fassung. Er atmete ein paar mal tief durch. Die Anspannung verschwand langsam aus seinem Gesicht. Schließlich lächelte er mir ebenfalls freundlich entgegen und setzte sich neben meinem Bruder mit an den Tisch.

Ich verspannte mich unwillkürlich. Eigentlich hatte ich nach seinen Worten gehofft, dass er mit ihm sofort Leine ziehen würde. Verdammt, so viel Glück war mir anscheinend doch nicht gegönnt!

"Hallo, Beatrice. Schön dich kennenzulernen. Ich bin Pavel, aber das wisst ihr ja bereits."

Ihr. Nicht du.

Er meinte eindeutig Jarvis und mich und nicht Luca und mich. Wusste er, dass Jarvis mithörte? Hatte er deshalb als erstes auf mein Handy gestarrt? Ich lächelte weiterhin, bemüht um einen möglichst ungetrübten Gesichtsausdruck. Es war besser, sich nichts anmerken zu lassen, für den Fall, dass er mich nur austestete.

Luca verfolgte unseren etwas seltsamen Blickwechsel mit zunehmender Verwirrung, während ich mir nur innigst wünschte, hier blad rauszukommen. Vielleicht erkannte der Exorzist, dass er so nicht weiterkommen würde, denn im nächsten Moment wurde sein Tonfall etwas versöhnlicher.

"Lass uns reden. Weder Luca und ich, noch du und.." Er hielt kurz inne. "... dein neuer Freund haben großes Interesse daran, dass wir hier eine große Szene machen, oder?"

In der Tat. Wenn wir noch mehr Radau veranstalteten, würden wahrscheinlich bald Videos von uns auf Youtube landen. Das hier war ein erstklassiges Familiendrama für die Leute um uns herum. Kostenloses Entertainment, sozusagen.

"Gibt es irgendeine Chance, dass du freiwillig mit uns zurück nach Hause zu deiner Mutter kommst?", fragte Pavel.

Freiwillig? Wenn ich ihm mit einem 'nein' antwortete, würde er dann versuchen, mich dazu zu zwingen? Ich überlegte und entschloss mich dazu, eine etwas vage Antwort zu geben.

In seinen FängenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt