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Nach gefühlten Ewigkeiten, die voll Selbsthass und Angst ihn zu verlieren waren, war ich endlich eingeschlafen.

Keuchend wachte ich am nächsten Morgen auf.
Als ich einen Blick auf Regulus' Wecker warf, merkte ich, dass es erst 4:30 Uhr und somit noch mitten in der Nacht war.
Doch an Schlaf konnte ich jetzt nicht denken.
Nicht jetzt, wo ich nicht wusste wo er ist.
Nicht jetzt, wo ich so Angst hatte, dass er wieder auf seine eigene Sturheit gehört hatte.
Ich betete und knetete meine Handknöchel und hoffte so sehr, dass er nur Zeit brauchte und gleich herein kommen würde und mir sagen würde, dass er es nicht alleine tun wird.
Doch er kam nicht.
Die Minuten vergingen viel zu langsam.
Ich ging im Zimmer umher und kaute an meiner Lippe.
So war es mir in der Nacht vor meinen ZAG's auch ergangen.
Ich wollte nicht weinen. Nur hoffen. Nur eine Bestätigung haben.

Ich schaute gefühlte Stunden aus dem Fenster.
Es regnete, so wie gestern. Doch das war alles nur nebensächlich.
Plötzlich fiel mir ein kleiner Zettel auf, der auf Regulus' Schreibtisch lag.
Ich war mir sicher, dass er vorher noch nicht hier war, also entfaltete ich ihn und fing an zu lesen:

Liebe Eleanor,
Das hier ist wohl mein Abschiedsbrief. Ich dachte nicht, dass wir uns so verabschieden, aber das ist wohl besser als wenn wir es anders machen würden. Wenn du das hier liest, bin ich wahrscheinlich tot. Und habe den Horkrux besiegt.
Ich bin so unglaublich dankbar für das was wir hatten. Und dafür im Gedanken an dich gestorben zu sein. Um ehrlich zu sein, will ich dich auch um Verzeihung bitten. Dafür, dass ich dir das hier antue. Ich hoffe, dass du - solltest du in Zukunft an mich denken - mir irgendwann verzeihen kannst.
Bitte sag Sirius, dass ich ihn geliebt habe. Auch wenn er ein absoluter Arsch war.
Und meiner Mum und meinem Dad bitte das Gleiche.
Und nicht zuletzt will ich es dir sagen:
Je t'aime.
Weißt du was, mon chéri?
Ich glaube, dass es gut zu mir passt durch einen Abschiedsbrief mit der Welt abzuschließen.
Und das ist gut so, dass ich es auf meine Weise gemacht habe.
Und, dass ich meinen Teil daran beitragen konnte Voldemort zu stürzen.
Nimm dir Zeit. Du musst es ihnen nicht sofort sagen.
Es wird alles gut.

P. S. Du siehst wunderschön aus beim Schlafen

In ewiger Liebe

R. A. B.

Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Konnte nicht atmen oder den Zettel nochmal durchlesen.
Es durchfuhr mich ein tiefer Schnitt, der mehr weh tat als alles andere auf dieser Welt.
Und das was er hinterließ war ein gewaltiges Loch in meinem Herzen.
Schließlich keuchte ich nochmal auf und dann liefen mir die Tränen aus den Augen.
Bitte nicht, Regulus.
Tu mir das nicht an.
Bitte nicht, Regulus.
Plötzlich gaben meine Beine unter mir nach, da ich keine Kraft dafür aufbringen konnte, mich noch länger hinzustellen.
Ich zog meine Knie an mich heran und fing an mit den Fäusten auf sie einzuschlagen.
Wie, Eleanor?
Wie konntest du ihm nicht folgen, als er aus dem Kessel ging?
Wie konntest du ihn alleine gehen lassen?
Wie konntest du dich nicht an ihn klammern und sagen, dass du es nicht zulassen wirst?
Wie konntest du nicht aufwachen, als er hier war?
Wie konntest du so leichtsinnig sein?
Wie konntest du so dumm sein?
Wie konntest du nicht ‚je t'aime' antworten?
Wie kannst du mit dem Gewissen leben es nicht zu ihm gesagt zu haben?
Kannst du nicht. Eben.
Ich war wie in Trance. Schließlich stand ich auf und schrieb einen kurzen Brief an seine Eltern, wo das drinnen stand, was er wollte, dass sie wussten.
Dann verließ ich das Haus. Ohne mein Gepäck. Nur Moris nahm ich mit. Ich hatte kaum die Kraft mich selbst auf den Beinen zu halten, also würde ich es kaum schaffen noch so einen schweren Koffer mit mir zu transportieren.
Ich musste weg von hier. Weg von dem Ort an dem Regulus seine Kindheit verbrachte. Weg von dem Ort an den er mit mir gekommen war.
Ich apparierte irgendwo hin, ohne genau zu wissen, wo überhaupt hin mit mir.
Nach Hause konnte ich nicht. Ich konnte meiner Mutter nicht sagen, dass ich die Schule abgebrochen hatte.
Als ich wieder klar sehen konnte, stand ich vor dem Haus der Potters.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr:
5:00 Uhr
Lily und James würden noch schlafen, aber das war mir im Moment egal.
Immer noch wie in Trance klingelte ich und wartete das Lily öffnete.
Doch es war James der die Tür aufmachte.
„E-Eleanor, was machst du denn hier? Ist etwas passiert?"
Ich nickte und dann sagte ich:
„Er ist tot"
„Wer?"
„Regulus"
„Oh mein Gott...komm rein"
Er nahm mich an den Schultern und setzte mich auf ihr Sofa.
Ich zitterte am ganzen Leib, obwohl ich drinnen war und von Decken und Kissen umgeben.
Nach kurzer Zeit kam Lily in ihrem karierten Schlafanzug die Treppe heruntergestürmt.
Ich schluchzte als sie mich lange in die Arme nahm und meine Haare streichelte.
James stellte mir ein Glas Wasser hin.
„Er ist tot", sagte ich und meine Stimme brach.
„Ich weiß"
„Ich hasse mich"
„Aber wofür denn?"
„Ich hab ihm nicht geholfen. Ich hab ihn nicht aufgehalten, als er ging"
Dann schwiegen wir einige Zeit.
Meine Trauer wanderte langsam in Wut auf Regulus und die ganze Welt um.
„Ich hasse ihn. Ich habe ihn geliebt, Lily. Und das wusste er. Und trotzdem ist er bereitwillig gestorben, obwohl er wusste, was er mir damit antut. Ich war bereit alles für ihn aufzugeben", ich war aufgestanden, weil mir die Wut plötzlich Beine machte.
„Das hast du nicht verdient", murmelte Lily.
„Nein. Und er verdammt auch nicht und das wusste er. Ich habe Hogwarts für ihn geschmissen, Lily. Wir wollten Sex haben. So sehr hab ich ihm vertraut und trotzdem stirbt er einfach, ohne daran zu denken, wie es mir dabei gehen könnte"
„Das glaube ich nicht. W-Wie ist er denn...-"
Gestorben? Ich kann es nicht erzählen. Weil ich es ihm versprochen hatte. Ich halte sogar nach seinem Tod meine verdammten Versprechen."
Dann brach ich wieder in mir zusammen ich fing an zu schluchzen und saß wieder neben Lily.
Wir schwiegen eine Weile.
Immer wieder sah ich ihn und mich am Strand spazieren gehen. Ich sah uns tanzen. Küssen. Lachen. Durch die Haare streichen.  Hände haltend. Uns gegenseitig Geschichten am Astronomieturm erzählen. Am See spazieren.
„Ich hasse ihn nicht", brach ich schließlich die Stille, „Ich brauche ihn. Ich brauche ihn, Lily. Jetzt und hier. Ich halt das sonst nicht aus"
„Ich weiß, Eleanor"

Es wurde schon hell, als James mit Sirius und Remus ins Haus kam.
Zuerst sah ich Sirius an, der die gleichen Augen wie sein kleiner Bruder hatte.
Beide, Sirius und Remus, sahen müde und verwirrt aus.
„Willst du es ihm sagen?", fragte mich James.
Ich war mit der Situation überfordert. Doch wahrscheinlich hätte es Regulus so gewollt. Denke ich. Hoffe ich.
„Sirius, er ist tot. Regulus ist gestorben"
„Was?"
„Heute Nacht", sagte ich während ich selbst nicht aufhören konnte an ihn zu denken.
„Wie?"
„Ich kann es dir nicht sagen. Er wollte nicht, dass es noch jemand wusste"
Er sagte und tat nichts und ich hätte schwören können, dass ihm Tränen in den Augen standen.
„War es Voldemort?"
Zuerst konnte ich es nicht sagen. Daran hatte ich noch nicht gedacht. Regulus hätte auch von Voldemort getötet werden können.
„Ich weiß es nicht"
Remus' Hand legte sich aus Sirius' Knie.

Lily, James, Peter, Sirius, Remus und ich saßen noch den ganzen Tag im Wohnzimmer und sprachen, aßen und tranken wenig.
Meine Gedanken wanderten immer wieder zu Regulus.
Ich betete, dass es dort wo er jetzt war, so viel schöner war als hier. Dass er keine Schmerzen litt. Dass er wusste, dass ich ihm verziehen habe.
Dass er wusste, dass ich ihn mehr als alles andere liebte.

Und jetzt wusste ich es:
Lily hatte schon immer recht gehabt. Liebe auf den ersten Blick existierte. Und ich durfte sie so viel schöner erleben, als vielleicht irgendjemand anderes. Auch wenn es nicht lange war. Aber irgendwann würde ich eine Ewigkeit mit ihm haben, mit Regulus.

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Hi, wie fandet ihr das letzte Kapitel?

Liebe Grüße<3

R.A.B | till forever falls apart Where stories live. Discover now