Kapitel 52 (Überzeugungskunst)

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Ungläubig blickten mich ozeanblaue Augen an, bevor der dazugehörige blonde Mann in einem erstaunlichen Tempo zu mir eilte und mich in einer sehnsüchtigen Umarmung bestimmt an sich drückte. Sofort stieg mir der beschwingt erfrischende Geruch seines vertrauten Aftershaves in die Nase und ließ mich nun endgültig die Wirklichkeit der Realität um mich herum begreifen. Vor Freude traten mir jetzt doch noch die Tränen in die Augen. Mein Gesicht in der, nach einer winterlichen Brise duftenden, Strickjacke vergrabend, versuchte ich meine emotionale Überreaktion erfolglos wegzublinzeln und schlang dazu leicht zitternd meine Arme fest um den Torso des Vampirs.
"Kaida,"
die Stimme meines Freundes war nicht mehr als ein leises Raunen - ein Raunen, welches ich nun nie wieder missen wollte,
"Kaida, es tut mir so leid. Ich hab versucht dich zu finden, ich schwöre es. Aber jedes Mal wenn ich dachte ich würde dir näher kommen, fand ich mich wenig später nur wieder an derselben Stelle dieses verdammten Waldes wieder."
"Ich weiß,"
flüsterte ich, mich nur noch mehr an ihn drückend,
"ich weiß, mach dir keine Vorwürfe. Du hast getan was du nur konntest, da bin ich mir sicher."
Sanft strich mir Shuu durchs dichte Haar, bevor er schließlich, wenn anscheinend auch sehr widerwillig, die Umarmung löste und noch immer recht ungläubig wirkend vorsichtig seine Hand auf meine Wange legte. Als wollte er wirklich sicher gehen, dass es sich nicht um einen ziemlich realistischen Traum handelte. Nachdem ich mir etwas umständlich die Tränen weggewischt hatte, legte ich meine Hand auf seine, drückte sie dabei leicht und lächelte,
"keine Sorge, ich bin wirklich da."
Mit einem erleichterten Lächeln auf den blassen Lippen streichelte er mir nun zärtlich über die kalte Haut, nahm schließlich meine Hand in seine und verschränkte sie ineinander,
"versprich mir, mir niemals wieder solch eine Angst einzujagen, verstanden?"
"Ich verspreche es,"
antwortete ich mit gedämpfter Stimme,
"nur... sollten wir jetzt mal kurz unter vier Augen reden."

"Verstehe ich das gerade richtig,"
mein Freund hatte sich auf der Kante seines Bettes niedergelassen, fuhr sich ein wenig gestresst durch die dichten blonden Haare und sah mich dann schließlich durch ernste tiefblaue Augen an,
"du wurdest geschlagene drei Wochen von zwei Gründerdämonen - wenn nicht sogar den mächtigsten Gründerdämonen dieser Welt - festgehalten und hattest nichts besseres zu tun als ohne wenn und aber einfach so deren Blut zu konsumieren? Bist du lebensmüde?".
"Nicht mehr als sonst,"
pampig verschränkte ich die Arme vorm Brustkorb und richtete mich mehr auf,
"aber hätte ich Carlas Blut nicht getrunken, wäre ich ebenso verendet... also von dem her war es eher eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera als eine Frage des Wollens."
"Kaida,"
gefährlich langsam stand der junge Mann nun auf, trat ein paar Schritte auf mich zu, legte seine Hände vorsichtig auf meine Schultern, umgriff diese dann und schüttelte mich fürs Erste leicht durch,
„das ist gerade einmal die Spitze des Eisberges. Du weißt weder was Carlas eigentlicher Plan mit dir ist, noch was nun genau in deinem Blut vor sich hin mutiert, geschweige denn ob überhaupt irgendetwas bei dieser ganzen wahnwitzigen Aktion herauskommt. Und um das Ganze noch weiter unnötig zu verkomplizieren brauchst du natürlich Reijis Hilfe für eine Blutanalyse und eventuelle Erforschung eines Serums, das vielleicht nicht einmal wirksam bei einem Vampir oder Dämon, geschweige denn herstellbar ist?"
Mit großen Rehaugen sah ich verdutzt zu meiner blonden Schlaftablette auf und war für einen Moment sprachlos, bevor ich endlich meine Stimme wiederfand, mich räusperte und letztendlich antwortete,
„Shuu... ich hab dich noch nie so viel am Stück reden hören. Du musst dir ja wirklich wahnsinnige Sorgen um mich machen!"
„Natürlich sorge ich mich um dich, du hohle Nuss,"
bei dieser Aussage wirkte er nicht unbedingt begeistert, sprach für seine Verhältnisse sogar relativ laut und kurz darauf wurde ich erneut durchgeschüttelt - dieses Mal wesentlich stärker.

"Die Antwort lautet natürlich nein,"
mit einem kalten Blick in den roten Augen und energisch vorm Brustkorb verschränkten Armen stierte mich Reiji herablassend an, während dazu noch ein selbstgefälliges Grinsen seine schmalen Lippen zierte.
"Ich hab's dir ja gesagt,"
erhob Shuu, welcher sich an den Türrahmen gelehnt und dabei witziger Weise dieselbe, wenn auch bei ihm eher demotiviert wirkende, Armhaltung wie sein Bruder eingenommen hatte, ein wenig leiser das Wort,
"Narzissten werden niemals helfen, wenn kein erheblicher Eigennutzen für sie dabei herausspringt."
"Reiji ist doch kein Narzisst du Doofkopf,"
widersprach ich kopfschüttelnd und blickte meinen Freund dabei tadelnd an,
"also zumindest kein krankhafter, eher hat er einfach so ein paar soziopathische Züge - wenn auch sehr willkürlich auftretende, am besten immer dann, wenn es ihm gerade in den Kram passt. Dafür ist Shin aber ein krankhafter Narzisst, ein richtig fieser noch dazu... und ein bisschen gruselig, offiziell hab habt ihr das jedoch nicht von mir gehört."

"Und der Unterschied ist jetzt...?"
der Blonde blickte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, als wäre er sich selbst nicht ganz sicher, ob er die Frage nun rhetorisch oder ernst gemeint hatte.
"Nun ja...,"
zögerlich kratzte ich mich etwas unbeholfen am Hinterkopf, bezüglich meiner Antwort noch unschlüssig,
"ein Narzisst dieser Art leidet unter einer Persönlichkeitsstörung und kann dementsprechend ja eigentlich nichts für sein bescheidenes Verhalten, während ein Soziopath wie Reiji ganz genau weiß was er tut und somit eigentlich nicht mehr als 'n ziemliches Arschloch ist. Außerdem...".
"Kaida,"
Shuu schenkte mir einen vielsagenden Blick,
"ich denke, dass dir deine Argumentation gerade nicht unbedingt in der Verhandlung hier weiterhelfen wird."
Ein frustriertes Seufzen verließ mit einem leisen
"ach Kacke"
meine Lippen und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Reiji, welcher mich durch seinen starren Blick wohl am liebsten umbringen wollte.
"Darf ich nochmal von vorne anfangen, oder soll Shuu dich einfach kurz vermöbeln und wir einigen uns kompromissbereit darauf, dass du uns mit deinen alchemistischen Fähigkeiten helfen wirst,"
ein schiefes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich dem einschüchternden Blick meines Gegenübers unbeeindruckt standhielt.
"Kaida,"
das personifizierte Faultier hatte sich nun neben mich gestellt und tippte mir nicht gerade sanft gegen die Stirn,
"das hatten wir so definitiv nicht besprochen."
Nun war es an Reiji zunächst mich, dann den jungen Mann an meiner Seite spöttisch überheblich zu mustern,
"wie überaus vorhersehbar. Deine kleine nutzlose Freundin nicht beschützen zu können ist wohl die eine Sache, aber du bist sogar zu feige für sie Kämpfe auszutragen? Einfach nur lachhaft, Taugenichts."
"...Vergiss was ich gesagt habe,"
zischte Shuu mir unterm Ausatmen zu, bevor seine Augen einen gefährlichen Schimmer annahmen, er seinen Kopf neigte und dabei ein paar seiner Halswirbel knacken ließ.

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Moin!

Heute war's zwar ein etwas kürzerer Part, dafür war er aber voll mit Fanservice, Gefühl, Action und unserem Lieblings-Shuu, was will man eigentlich mehr? Richtig, nichts!

Ihr hört mich, ich hör euch, wir hören uns alle gegenseitig im nächsten Kapitel!
Bis später Peter!

MaLady

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt