Your Basketball

75 1 0
                                    

Akio legte seine große Hand auf meinen Kopf und strich mir über die offenen Haare, als er die Ärmel seiner schwarzen Jacke an sein Handgelenk zog und laut aufatmete.

„Wie stehst du zu Akio Yamaguchi, Nana-cchi?", fragte Ryouta neugierig, nachdem er Luft schnappte und sich neben mir auf den frischen Rasen setzte. Das Gold in seinen Haaren war anziehend und sonst strahlte Ryo stets eine Präsenz aus, die mich faszinierte. Er glich der scheinenden Sonne im Himmel und seine ganze Anwesenheit war atemberaubend. Auch, wenn er viel redete, schrullig war und sich sein Kopf nur mit Blödsinn füllte, fühlte ich mich in seiner Nähe wohl und sicher. Sogar jetzt, in einem unvermeidbaren Rollstuhl. Es fühlte sich wie gestern an, als er mir in unseren nächtlichen Sessions Tipps für das effektive Passen gab. Wie schnell sich alles in nur einer Nacht veränderte, war unbegreiflich. Mein introvertiertes Ich und Ryouta's soziale Persönlichkeit waren gewaltige Gegensätze aber dennoch verstanden wir uns prächtig. Ryouta aus dem Weg gegangen zu sein, traf mich in diesem Moment am Schlimmsten und die Schuldgefühle nisteten sich in meinen Kopf ein und vergaßen seine eigentliche Frage, auf die er gespannt eine Antwort erwartete. Ryo wusste von Gengen, dass Akio mein Coach war aber der Blonde wusste nie, dass Akio mehr als nur mein Trainer ist. Sonst würde er nicht diese spontane Frage stellen.

Akio tippte mir auf die Schulter und riss mich aus meinen Gedanken. Ich richtete meinen Blick in Akio's grauen Augen, die mich eingespannt ansahen und auch er wusste nicht, was er darauf antworten sollte und gegebenenfalls ein falsches Wort aussprach.
„Akio ist...", fing ich nachdenklich an und suchte nach den passenden Worten „...Akio ist mein Vater." Akio ist meine Familie, meine Mutter und mein Vater zugleich. Er zog mich mit vierundzwanzig auf, obwohl das Leben für ihn erst anfing. Er schmiss alles zur Seite, nur damit mein siebenjähriges Ich nicht leiden musste. Ich wusste, dass Akio seinen Traum aufgab, um mir ein wunschloses Leben zu schenken. Stattdessen ließ er meinen großen Bruder Vorfahrt und das war für ihn genug. Er war an meinen Geburtstagen da, als ich das erste Mal in die Schule einstieg, als ich mich in den Basketballclub einschrieb. Er war da, als ich meine ersten Sportschuhe bekam, als ich das erste Mal eine schlechte Note in Geschichte schrieb, als ich das erste Mal mit Fieber im Bett lag und er mich gesund pflegte. So selbstlos war mein Coach. Ich sitze nicht hier, an seiner Seite, weil mich die Schuldgefühle auffressen, sondern weil er mein Vater ist. Ein oberflächlicher Gedanke meiner leiblichen Eltern flog durch meinen Kopf aber ich verdrängte die Erinnerungen prompt. Ich sah zu Akio und er sah mich an. Zunächst war es ein überraschender Blick. Kein einziges Mal ist das Wort Vater je durch meinen Schädel gegangen aber mein Unfall, meine Zeit im Krankenhaus zeigten mir, dass es pausenlos Akio war, der an meiner Seite stand. Der Unfall öffnete mir regelrecht die Augen. Verflixt, ich war so närrisch.

Akio machte eine lange Pause, auch die Jungs waren irritert aber mein Coach legte das Gesicht in die Hände und atmete tief ein. Es war ein ungünstiger Moment aber es war auch der Moment, der mir ersichtlich wurde. Akio's rasche Aufspringen erschreckte mich und ich fuhr zusammen, als er auf die Knie ging, sodass er auf meiner Höhe war und seine kräftigen Arme um meinen Hals legte.
„Richtig, Nana ist meine Tochter", sagte er freudig und presste seine warme Wange gegen meine Backe.
„Ah", sagte Midorima plötzlich gelassen „das meinte also Coach Nakatani damit", beendete er seinen Satz zusammenhangslos. Ich sah von Midorima's grünen Augen zu Ryouta, der mich irritiert mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah.

Ein flinker Aufprall von Panther's Ball, den er zuvor sicher unter dem Arm hielt, bekam meine geballte Aufmerksamkeit. Auch Taiga's gemütliche Dehnen seiner Muskeln war offensichtlich, was die Jungs wollten. Ich fühlte die Neugier, die von Taiga und Panther ausging. Wie zwei Raubkatzen, die Blut leckten. Sogar Midorima und Kuroko schienen angespannt. Das Interesse, sein eigenes Können zu messen. Das Gefühl von Wissensdurst und der mysteriöse und angesehene Status von Akio. Sie wollten spielen. ...und wie sie das wollten. Ich nahm es ihnen nicht übel: es war nicht umsonst Akio. Der die Nationalmannschaft fieberhaft ablehnte. Gegen eine Person zu ringen, die eindeutig stärker war, war fesselnd. Der Drang ist riesig, auch ich weiß, wie sich das anfühlte.

„Wie wäre es mit einer Partie?", fragte ich vorsichtig und mein Trainer lockerte seinen Griff um mich. Mein Ziel, Taiga einmal spielen zu sehen, Seirin spielen zu sehen, war nah dran. Das Einzige, was mein Ich am Summer Cup wollte. Taiga und Kuroko in Aktion sehen. Dass gleich Ryouta, der Panther und der Oha Asa Mann vor mir standen, war Schicksal. Das Schicksal meinte, das erste Mal seit meinem Unfall, gut mit mir. Er schenkte mir die einmalige Möglichkeit. Nicht selber auf dem Feld zu stehen aber die Spieler zu analysieren, die ich scharf auf dem Turnier suchte und scheiterte. Auch ich leckte Blut im anderen Sinne.
„Nana-cchi, das muss nicht sein", sagte Ryo zögerlich und auch Akio schien zu grübeln. Ich weiß es, Akio weiß es und die Jungs wissen es. Ich war nicht mehr in der Lage auf dem Feld zu stehen und Körbe zu werfen aber Menschen zu sehen, die voller Freude und Spaß den Ballsport genoßen, war genug. ...manchmal sollte das genug sein.
„Ich würde euch gerne gegeneinander spielen sehen." Akio seufzte auf, Ryouta war skeptisch und auch Taiga schien zu zögern.
„Ist das wirklich okay für dich, Nana? An deinem freien Tag?", flüsterte Akio zu mir und ich nickte.
„Es wäre mir sogar eine Ehre."


*


Aomine schien genervt, als er der Erste war, der aussetzten und zugucken musste. Mit einem Knurren und dem zweiten Basketball in der Hand, ließ er sich auf die Parkbank neben mir fallen und verschränkte die Arme. Der Ausdruck war schauderhaft, schon ein wenig erschreckend und er observierte das freudige Aufspringen von Ryouta, der glücklich darüber war, mit Akio in einem Team zu sein. Taiga und Kuroko schienen auch in einer zufallsbedingten Ziehung im Doppelpack zu stehen und Midorima wurde dazu verdonnert, am Feldrand zu sitzen, sodass die Regeln eingehalten wurden. Es wäre möglich gewesen Dreierteams zu gestalten aber Akio verabscheute es, mit mehr als einer Person im Team zu spielen als eigneten sie sich auf das Wechseln.

„Viel Glück", winkte ich den Jungs motivierend zu. Das Feld wurde in den letzten Jahren nicht erneuert. Die Umrandungen der Körbe waren abgeschürft, die Spielfeldlinien lösten sich und der gräuliche Boden wirkte unsauber. Aber einen Ball und zwei Körbe waren für Basketballspieler genug. Es war ein Hauch von Nostalgie, welches mir ein leichtes Lächeln ins Gesicht zauberte. Ich sah mich in qualitativen Schuhen und einem Trikot mit Akio auf dem Platz in unseren nächtlichen Partien. Nach dem Training saßen wir auf den Rasen und schauten uns die schillernden Sterne im dunkelblauen Himmel an und lachten über trottelige Dinge. Reine Glückseligkeit.

„Verdammt!", verließ der laute Ton Aomine und ich zuckte in meinem Rollstuhl zusammen, als er sauer gegen die Beine der Bank stieß. Er war gefrusteter, als erwartet aber seine Reaktion war nicht abwegig. Akio und Ryouta sprachen sich ab, Kuroko und Taiga wechselten kein Wort, ein eingespieltes Duo. Midorima gab einige Anweisungen und anschließend wurde gespielt. Ich versank meine Finger in die Fleecedecke unter mir und meine Statur setzte sich aufrecht, um die Jungs gründlich zu studieren. Taiga und Kuroko arbeiteten geschmeidig miteinander, Kuroko's unscheinbare Präsenz und Taiga's direkten Reflexe verhielten sich perfekt zueinander. Taiga's Sprungfähigkeit war unglaublich und Kuroko's lichtartigen Pässe schienen unaufhaltsam. Das war also die Kraft von Seirin's Superduo.
„Wow", verließ es mich. Ryouta's Kopiefähigkeiten und Akio's bestialische Kraft waren eine Sache aber die Zwei umhüllte eine undefinierbare Energie, die mir neu war. Magisch.
„Kagami und Tetsu spielen in einer anderen Liga, das muss sogar ich zugeben und das zeigten sie mir nicht nur einmal im Kampf", sagte Aomine locker und ich sah ihn an.

Der Blauhaarige nahm den Basketball in die Hand und wippte ihn auf seiner Hand auf und ab. Die Bewegung war fesselnd und meine grünen Augen waren auf seine Finger fixiert. Einen Ball aus dieser Entfernung zu sehen, war ungewohnt und ein wenig fremd. Das raue Leder war seit Monaten nicht mehr zwischen meine Finger geraten und ich vermisste das Gewicht auf meiner Hand. Die Erleichterung, wenn man ihn warf, das Aufklopfen auf dem schimmernden Boden, die verschiedenen Ball – und Dribbeltechniken, die man erlernt und die Follow-Through Bewegung aus den Fingerspitzen. Kleine Dinge, die für einen Basketballspieler wichtige Bestandteile sind. Stabilität und Lockerheit. Ich streckte meinen Arm vorsichtig in Aomine's Richtung, worauf er sein Spielchen unterbrach und die Kugel in meine Richtung lenkte. Ein Bisschen sorgsam und zart, fast schon zierlich.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht stören", sagte ich reumütig, als ich merkte, dass er mit seinem Werfen stoppte. Ich sollte mich auf das Spiel fokussieren aber seine Übung war anziehend. Doch Aomine ignorierte gekonnt meine Entschuldigung, griff sich mein Handgelenk und legte den Ball, wie ein schlafendes Baby, auf meinen Schoß. Seine Finger waren grob und eiskalt aber dennoch war seine Geste gut gemeint. Oder? Ich sah ihn irritert an aber sein Blick verblieb reizlos und er ließ von meinem Gelenk ab.
„Wie fühlt es sich an?", fragte er mit seiner tiefen Stimme und ließ mich den Basketball gründlich abtasten. Ich strich mit Vorsicht über den schmutzigen Stoff. Grob aber angenehm auf der Haut. Das Orange war matt, das schwarze Gerippe löste sich ab. Ein alter Basketball, der viele Jahre lebte und in Einsatz war.
„Es fühlt sich...heimisch an." Heimisch. Richtig, das ist das treffende Wort. Es fühlt sich nach Zuhause an. Es fühlte sich nach den endlosen Nächte mit Nao und Akio auf dem Streetballplatz an und nach einem Sieg gegen eine starke Mannschaft. Aomine's leise Schnaufen erreichte mein Ohr und mein Blick richtete sich wieder zu ihm. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, der Blick nach wie vor unheimlich aber er lächelte. Es war ein leichtes Lächeln, kein gütiges Lächeln aber dennoch ein Lächeln. Es war nicht liebevoll gemeint, eher stolz. Als würde es ihm genau so gehen.

„Wenn es sich nach Zuhause anfühlt, lass es nicht los." Ich schaute in Aomine's Augen aber sein Blick war starr auf das Basketballfeld gerichtet, wo Taiga und Kuroko gegen Ryouta und Akio spielten. Sie fieberten, schrieen, passten sich den Ball, dribbelten und es sah nach großem Spaß aus. Midorima stand daneben und schien ihre Bewegungen anzuvisieren. ...nicht loslassen? Mir war nicht deutlich, wie er das meinte aber es fühlte sich glaubwürdig an. Als wüsste er, was in mir vorging. ...aber es war ein netter Zuspruch, der schwierig einzuhalten ist. Mit intakten Beinen und toten Muskeln ist es unmöglich, sich mit dem Sport anzufreunden und ihn weriterhin zu lieben. Es war ein Zuhause, welches mit nagenden Verletzungen verbunden war. Es reicht nicht, ein Pflaster auf die blutige Stelle zu legen und zu warten, bis die Wunde sich schließt und abheilte.

„Am Ende trägt man Narben davon, egal wie sehr man es versucht." Ich legte verlegen die Hand vor meinen Mund und schlug mich innerlich für diese verweichlichte Aussage, unmittelbar nachdem mein quasselndes Mundwerk den Satz verließ. Verdammt, das sollte in meinem Kopf bleiben. Ich schluckte schwer, als von Aomine eine lange Pause einging. Doch nach Sekunden Stille, legte sich eine große Hand plump auf meinen Kopf und die langen Finger von Aomine fuhren mir durchs honigblonde Haar. Keine langanhaltende Berührung, zügig, fast schon unsichtbar.

„Und? Narben sind völlig normal." Das Quietschen der Bank ertönte und der Ball auf meinen Oberschenkeln wurde rasch von Aomine gegriffen. Er stand vor mir, die Kugel, die für meine mageren Hände viel zu enorm schien, war zwischen seinen Händen klitzeklein. Der Schatten seiner großen Statur warf sich über mich und mich überkam eine Gänsehaut. Ich wusste nun, was er damit meinte und lächelte zufrieden. Narben sind völlig normal.


*


„Hey." Die liebevolle Stimme von Taiga stießen mich und Aomine aus dem Gespräch. Er und der Blauhaarige lösten sich mit einem flüchtigen Handschlag ab und mittlerweile stand der Tiger vor mir und sah mich mit seinen glutroten Augen an. Das schwarze T-Shirt war durchnässt und seine Wangen zierten ein rosa Schimmer. Er war außer Atem und sonst sah es nach einer anstrengenden Partie aus. Ich guckte für einen Moment auf Aomine's trainierten Rücken und verinnerlichte das Gespräch. ...nicht loslassen meinte er.

„Hat Aomine irgendwas Blödes gesagt?", fragte Taiga zaghaft, als ich auf den Panther fixiert war und verstummte. Ich schüttelte schlagartig den Kopf und verneinte. Er war aufrichtig, rüde und ein wenig ungezähmt aber seine Absichten waren wohlmeinend. Kein gefühlloser Panther. Mein erster Eindruck in der Bibliothek war eisern aber mein Kopf wusste, dass er auch über eine weiche Seite verfügte.
„Ich weiß, dass er nett ist." Taiga schmunzelte, als das Wort nett in Verbindung mit dem Panther fiel und fächelte fragwürdig mit der Hand ab.
„Der Idiot? Nett?! Niemals", sagte er unglaubwürdig und in dem Moment wurde mir bildhaft, dass Aomine und Taiga eine Vergangenheit teilten, die mir wildfremd war. Auch Midorima, Kuroko, sogar Ryouta standen auf irgendeiner Weise miteinander in Verbindung und es machte mich neugierig. Seirin, Kaijou, Too. Namenhafte Teams, angesehener Status, starke Spieler. Unter welcher Mannschaft stand Midorima? Wann trafen sich Kuroko und Taiga das erste Mal? Wann spielten sie gegen Aomine? Wie steht Ryo zu den Jungs? Haben sie in einem Turnier mitgewirkt? Unzählige Fragen jagten durch meinen pochenden Kopf und Taiga merkte meine Anspannung.

„Ist alles okay?" Ich erkannte, wie Taiga seine warme Hand achtsam auf mein Knie legte, als er sich sachte zu mir setzte. Ich fühlte nichts, keine Schwere, keine Wärme, kein Empfinden, nur ein großes Nichts aber dennoch ließ mich die Berührung zusammenfahren. Ich schrack auf, sah ihn irritert an und merkte, wie nah sein Gesicht an meinem war. Denn es waren seine fürsorglichen Augen und sein lieber Blick, die mein Inneres witterten. Sein Körper war leicht zu mir gedreht, die Sonne schien auf sein Gesicht, färbten seinen Hautton in ein warmes Orange und erst jetzt fiel mir seine Kette um den Hals auf. Sein nacktes Knie stieß gegen mein Knie, auch das spürte mein Körper nicht aber meine grünen Augen nahmen den flüchtigen Kontakt wahr. Die sonst feuerroten Haare mit den schwarzen Akzenten glänzten auf, ließen die gleiche Farbe wie meine grellfarbene Decke annehmen. Ich zuckte, als ein schwebender Windzug fegte und mir sein gewohnter Duft in die Nase stieg. Nochmals, wie sonst auch, der intensive Duft von Maji Burger. Maji Burger und ein Hauch von...Kokosnuss? Es war süßlich, nicht zu auffällig, frisch. Ich schluckte, als er mir näher war, als erwartet und sich seine Wärme vom Training absonderte. Das tobende Herz schlug gegen meine Brust, sprang mir regelrecht aus dem Leib und mein Kopf lief rot an. Ich merkte, wie mir schwummerig wurde und meine Hände schwitzten. Verdammt, wieso war es in Taiga's Nähe unaushaltbar? Ich schaute in seine roten Augen und meine Kehle schnürte sich zu.

Er merkte erst nach Sekunden Stille, dass etwas nicht stimmte, rutschte blitzartig an das andere Ende der Bank und wäre gradlinig unsanft auf den grünen Rasen geplumpst. Taiga schüttelte entschuldigend den Kopf, fuchtelte energisch mit den Händen und verbeugte sich wie ein Irrer.
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu Nahe treten!" Seine sonst tiefe Stimme wirkte schrill und mein Gedächtnis rief den Vorfall in Halle Zwei auf. Die Situation war nichts Neues. Ich strich mir stumm durch die glatten Haare und schüttelte fieberhaft den Kopf.
„Nein! Es ist alles in Ordnung!", versuchte ich ihn ruhig zu stellen und deutete auf den Platz neben mir. Er räusperte sich und ließ sich wieder auf den Sitz nieder. Der Ring um seine Kette schwankte flüchtig und meine Augen waren auf das strahlende Silber fixiert. Trug er die Kette schon immer und ist es mir nur nicht aufgefallen oder ist das Schmuckstück neu? Nein, es sieht älter aus, die Farbe verlor an Glanz. Taiga's unscheinbare Husten ließ mich verlegen aufhorchen. Nana, du starrst einem Jungen auf die Brust, ruhig, Mädchen. Ich merkte, dass mein Kopf anfing zu dampfen vor Hitze. Verdammt, wie unangenehm.

„Kannst du mir mehr von dir und Kuroko erzählen?", stotterte ich vor Scham, als die Stille eintraf und nur das Zwitschern der Vögel und die gedämpften Gespräche der Besucher im Park ertönten. Ich wollte das Thema wechseln aber interessierte mich ebenfalls für ihre sonderbare Beziehung. Ich sah zu Kuroko, das Blau in seinen Haaren war funkelnd und seine Mimik verblieb gleich. Seine Stamina war schwach und seine allgemeinen physischen Fähigkeiten ebenfalls aber sein aufmerksames Auge und die rasanten Pässe sind eindrücklich. Auch Aomine war ein anderer Mensch auf dem Feld. Er war laut, selbstsicher, stürmisch. Er und Taiga wiesen einen tierischen Instinkt auf, der überwältigend war. Akio's erheiterte Lachen machte mich glücklich. Mein Coach stand selten auf dem Feld aber wenn er es tat, ging er auf. Er verfügte über einen aggressiven Spielstil, der sich stets an mir abfärbte. Ich lernte von ihm tadellose Führungsqualitäten, die in einem Spiel entscheidend sind und ihn auf einem Basketballfeld zu sehen, rief schöne Erinnerungen auf. Nur Midorima's Qualitäten waren mir namenlos und es machte ihm nichts aus, am Rande zu stehen und die Matches zu verfolgen. Was wohl der Oha Asa Mann für Fähigkeiten aufwies?

„Ah", fing Taiga an und überlegte, wo er anfangen sollte. Ich sah unwillkürlich zu ihm und sein nachdenklicher Blick war auf Kuroko gelegt. Sogar sein Profil war eindrucksvoll.

Dann fing Taiga an. Er erzählte von seinem Aufenthalt in Amerika, dass er dort eine Zeit lebte und den Basketball durch einen Kindheitsfreund lieben lernte. Dass er nach Japan reiste, sein Traum der NBA verfolgte, er sich in Seirin einschrieb und Kuroko traf. Seine leuchtenden Augen, die unverblümte Art, wenn er über Basketball redete, seine angenehme Stimme: Taiga zuhören war erfrischend. Er wies eine gewisse Eifer und Passion auf, die mich in den Bann zog, seit der ersten Minute an. Wie er redete, mit seinem ganzen Körper redete, war mitreißend und mir wäre es recht gewesen, wenn er den ganzen Tag neben mir sitzen und über wahllose Dinge reden würde. In seiner Nähe zu sein, fühlte sich gut an.

„Dein Freund aus Amerika...", fing ich gezügelt an „...ihr seid noch in Kontakt, nicht wahr?" Taiga's Pause verriert mir, dass meine Frage zu privat war aber er lächelte mich warmherzig an und fuhr fort.
„Es gab für eine Zeit Krach aber der Winter Cup und aufklärende Gespräche führten uns wieder zusammen", sagte er ernst.
„Unterschiede in Potenzial in einer Freundschaft ist eine kaltblütige Probe...", flüsterte ich vertieft. Richtig. In jedem Sport gewinnt die Person, die stärker ist. Ob es ein eingespieltes Team ist, ein fantastisches Duo oder ein mächtiges Trio. Es gibt immer eine Person, die über mehr Talent verfügte und bevorzugt wird und das Selbstwertgefühl sinkt. Nicht, dass mein Selbstwertgefühl noch vorhanden wäre. Ich wurde seit Beginn an mit meinem Bruder aus der Nationalmannschaft verglichen. Ich war nur die Schwester von Nao Sakuragi. Sogar für Aomine. Ich seufzte missmutig auf. Mir war es nicht sonderlich wichtig, Freundschaften in der Schule zu schließen. Sobald mein Mund nicht aufhörte über Basketball zu faseln, entfernten sich alle Menschen von mir, also fand ich meinen Komfort in meinem Team. ...aber auch dort ging es mager zu. Wir trafen uns nie, wir verabredeten uns nie und gingen selten nach den Matches Essen. In diesem Ballsport regiert Eifersucht und wenn man wegsieht, verliert man sich in dieser Brutalität und deine eigenen Teammitglieder gönnen dir keinen Stück Erfolg. Jeder ringt für sich selber, jeder auf sein eigenes Ziel festgelegt, jeder mit einem einzigen Weg an die Spitze. Verdammt, war ich neidisch. Auf Taiga's Bindung zu seinem Freund und Kuroko. Sie lieben Basketball und das reicht. Auch mir reichte das. Ich jagte meinen Traum aber gab es je ein Mitglied in meinem Leben, das stolz auf mich war? Nein, vermutlich nicht. Doch tat dies jetzt zur Sache? ...natürlich nicht.

Ein warmes Gefühl erreichte mich und schlug die negativen Gedanken zu Seite, die in meinem Gehirn feststeckten. Es war Taiga's große Hand auf meinem Handrücken. Ich starrte auf seine Finger, die sich um meine Hand legten, fest und feinfühlig aber auch ein wenig zurückhaltend und schüchtern. Die leichte Feuchte vom Training war fühlbar und seine Handfläche rau aber nicht unangenehm.

„Ich finde, dass du unglaublich bist, Nana-san", sagte er aufrichtig, als er merkte, dass die Stille eintraf und mir das Gespräch unangenehmer ist, als erwartet. Seine Erzählungen über seinem Freund war traut. Ich merkte seine Sorgen und wusste, wie er sich fühlte. „...ich weiß, dass du sehr stark bist." Ich schaute Taiga in die dunkelroten Augen, als er das Gespräch über seine Persönlichkeit aufs Eis legte und stattdessen über mich redete. Sein Blick war streng, ernst und unerbittlich. Unglaublich? Stark? Ich war alles, außer unglaublich und stark. Sein Bild von mir ist nicht wahr. Sein Bild von mir ist verzerrt. Das ist nicht die Nana, die vor ihm steht. Die Nana, die auf dem Summercup war, lebt nicht mehr, sie ist tot und das weiß er. Das muss er wissen. Er darf dieses Bild von der alten Nana nicht im Kopf verankern. Er darf das nicht tun. Ich werde weich, wenn er das tut.
„...und ich meine damit nicht nur dein Talent im Basketball" Taiga redete nicht in der Vergangenheitsform. Er redete, als wären meine Beine nicht tot. Als wäre alles unter meinem Unterleib funktionsfähig. Als wären meine Füße gesund. Als wäre der Unfall nie passiert.
„Ich sah es mit meinen eigenen Augen auf dem Summercup", fuhr er fort. Keinen Halt. Taiga redete weiter und ließ mich irriterter zurück, als vermutet aber ich lauschte ihm weiterhin zu. Ich öffnete den Mund, sammelte die Worte aber es fiel mir schwer. Ich wollte in Tränen ausbrechen, weinen, schreien, jammern, weil Taiga's Augen mich mit diesem endlosen Stolz und einer gewissen Bewunderung angucken, die mir mein ganzes Leben lang fehlte. Stolz und Bewunderung von einem Menschen, abgesehen von Akio. Der mich als Nana sah, nicht als Schwester von Nao Sakuragi. Nicht als die schwache Nana Sakuragi, die es nie so weit schaffen würde wie Nao Sakuragi.


„Es war nur ein flinker Wurf...", protestierte ich wild aber meine Stimme war gebrochen. Es war nur ein winziger Wurf auf dem Feld. Ein schneller Wurf, der nichts wert war, rein gar nichts. Doch Taiga lächelte. Es war ein liebevolles Lächeln.
„Das ist nicht der einzige Wurf von dir, den ich verfolgte, den wir verfolgten." Wir. Taiga's Hand auf meiner Hand wurde sanfter und seine Augen streiften auf das Feld. Wir? Ich sah zu Kuroko, der schnaufend auf dem Feld saß, Aomine versenkte einen Dunk gegen Akio und Midorima starrte kopfschüttelnd zu Ryo, der sich deswegen ärgerte. ...und dann wurde mir bewusst, was Taiga damit meinte.

Tomorrow Is Another DayOnde histórias criam vida. Descubra agora