Kapitel 21 - Unerwarteter Besuch

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Ellanie

„Schatz, die Ärzte haben dir davon abgeraten." Meine Mom half mir wiederwillig meine Sachen aus dem Schrank zu packen. „Es wären doch nur zwei bis drei Tage. Du könntest dich hier erholen und..."
„Mom, ich möchte nach Hause. Ich hab die Entlassungspapiere bereits unterschrieben. Es geht mir schon viel besser, als gestern." Ich stand vorsichtig auf und spürte den Schmerz in meinen Rippen.
„Weil du gerade vollgedröhnt bist mit Medikamenten, die du zuhause aber nicht bekommen kannst, Süße." Sie versuchte mich zu überreden, aber ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen. Michelle kam herangeplatzt und wedelte mit ihrem Autoschlüssel. Sie nahm meiner Mom meine Tasche ab.
„Bis später, Mom."
„Na gut, Schatz. Ruhe dich bitte aus. Sobald meine Schicht vorbei ist, werde ich mich um
dich kümmern", sagte sie zu meiner Überraschung. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und ich humpelte den Gang mit Michelle entlang.
„Wehe, du brichst mir hier zusammen. Das kannst du gerne machen, wenn ich dich bei Aiden abgeliefert habe." Michelle drückte den Knopf für den Fahrstuhl für uns.
„Ich muss ins Elitehaus, Mi." Mein Atem Ging schwerer als erwartet. Mein Kopf wurde ganz schwammig.
„Warum ist es so eilig?"
„Weil Jocelyn dort heute verurteilt wird. Ich will ihr Gesicht sehen." Meine Stimme verdunkelte sich. Eine Welle von Wut brach in mir durch, die mir neue Kraft schenkte.
„Meinst du das ist eine gute Idee?" Michelle öffnete mir ihre Beifahrertür.
„Absolut. Das ist das Mindeste, was ich mir als Genugtuung selber schenken kann." Ich setzte mich ganz vorsichtig und langsam in ihren kleinen Polo. „Außerdem bist du doch eigentlich die, die Drama so sehr liebt. Wieso bist du dagegen?"
„El", seufzte sie, „natürlich bin ich das, aber hier geht es um einiges mehr. Sie hat dich verletzt, dass ist einfach nur Gefährlich. Wer weiß, ob sie vielleicht nicht wieder zurückkommt, als roter Wolf."
„Sie würde sich in ihr eigenes Bein schießen, würde sie sich noch mal hier her zurück trauen." Ich wusste, dass Michelle recht hatte, aber wollte ihr nicht zustimmen.
„Es gibt in den Wäldern genug rote Wölfe. Wölfe ohne Rudel. Sie haben nichts mehr zu verlieren, Ella."
„Lass uns einfach zum Elitehaus fahren", beendete ich damit das Thema.
„Na gut", seufzte sie, „erzählst du mir nun, wann und wie ihr euch verlobt habt?" Plötzlich glitzerten ihre Augen vor Neugierde.
„Oh", damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Meine Gedanken waren die ganze Zeit bei Jocelyn. „Ach es war nichts besonderes. Er fragte mich bei meinen Eltern. Dort waren wir zum Essen eingeladen."
„Vor deinen Eltern? Das ist doch total romantisch! Wo ist dein Ring, wie sieht er aus?" Sie schien vor Freude fast zu platzen.
Verdammt Aiden, dein unüberlegtes Handeln ließ mich nun total bescheuert dastehen.
„Ich habe noch keinen Ring." Etwas besseres fiel mir nicht ein. „Das war wohl etwas spontan."
„Absolut", kicherte sie. „So hätte ich es von Aiden irgendwie nicht erwartet."
„Genug von meiner unspektakulären Verlobung. Jetzt erzähle bitte von deiner!", grätschte ich schnell dazwischen.
„Oh Ella", sie legte ihre rechte Hand auf ihre Brust, zu ihrem Herzen. „Wir waren essen, da wir nach einem stundenlangen Sexmarathon extremen Hunger hatten."
„Jaja, ich will etwas von dem Antrag hören, nichts davor und danach." Wir lachten Beide und sie fuhr fort.
„Also wir haben gegessen und uns ewig unterhalten. Als wir dann los wollten, sagte er mir, dass er noch etwas vergessen hatte. Ich zog mir meinen Mantel an und als ich nach ihm schauen wollte, kniete er plötzlich mit einer kleinen Schachtel vor mir." Sie reichte mir ihre linke Hand entgegen und ein riesiger Brillant zierte ihren zarten Ringfinger.
„Wow", brachte ich heraus. „Das ist mal ein Verlobungsring!"
„Nicht wahr, oder?" Michelle grinste auf die asphaltierte Straße.
„Ich freue mich, dass du glücklich bist. Damit hatte ich ehrlich gesagt genau so wenig gerechnet."
„Ich weiß, El, das ist alles spontan und vielleicht überstürzt. Aber es fühlt sich so gut an! Ach und Ross habe ich auch schon total vergessen. Er mich genau so, seine Neue heißt Milena." Michelle betonte den Namen so abwetzend, dass ich lachen musste.
„Ich stehe immer hinter dir, Mi."
„Ich weiß, Sweety." Sie warf mir einen Luftkuss zu und hielt vor dem Sicherheitspersonal an.
„Halli Hallo, neben mir sitzt die Verlobte des Alpha's, nun öffnen Sie das Tor!"
Ich spuckte fast mein Schluck Wasser gegen die Frontscheibe, so sehr musste ich lachen.
„Ich hab dich lieb, Mi", sagte ich, während ich nach ihrer Hand griff.
„Ich hab dich auch lieb und nun komm. Let the Show begin!" Ich begutachtete noch mal mein Gesicht im Rückspiegel. Es sah tatsächlich nicht mehr so schlimm aus, wie gestern. Meine Wunden heilten so schnell, wie sie bei einem Wolf eben heilten. Michelle gab dem Angestellten vor der Parkgarage ihren Schlüssel und zog mich aus dem Auto. Die Schmerzen schossen in meine Rippe.
„Nicht so schnell", herrschte ich sie an. Uns wurde die riesige Tür zum Elitehaus geöffnet und schon kamen uns drei Sicherheitsleute entgegen.
„Miss Mercer, ich glaube nicht, dass Mr. Norwood möchte, dass sie nun hier sind." Ein viel zu freundlicher, schwarzgekleideter Mann zog uns in den großen Flur. Er stellte sich etwas vor uns und drückte uns damit in die Ecke. Weitere, genau so gekleidete Männer kamen nun aus einem großen Besprechungsraum.
Ich hörte Jocelyn's Stimme. Wie sie zu Aiden sprach.
„Ich hätte dir niemals zugetraut, dass du mir sowas antust!" Es folgte keine Antwort von Aiden. „Wir haben uns monatelang alles anvertraut. Du kennst mich länger und intensiver als dieses kleine Miststück. Sie erzählt dir lauter Lügen und du glaubst ihr?"
„Jocelyn, bitte wehre dich nicht." Aiden's Stimme klang im Vergleich zu ihrer weich und ruhig.
„Wir haben alles geteilt. Wir haben jede freie Sekunde zusammen verbracht und das hat dir nicht gereicht? Wieso reicht es dir plötzlich bei diesem Kind? Du wirst diesen Schritt bereuen, Aiden." Sie wurde in den Flur gezogen. Handschellen an ihren Händen und Ketten an ihren Füßen ließen sie wie eine Schwerverbrecherin aussehen. Michelle drückte meine Hand vor Schreck. „Verdammt Aiden! Du begehst einen großen Fehler."
Nun sah sie Michelle und mich hinter diesem riesigen Mann stehen.
„Du...", sie wollte auf mich zugehen, doch wurde direkt von zwei Männern zurückgestoßen. „Das hast du verdient, du kleine Schlampe. Ich hätte dich gleich töten sollen!"
„Ich glaube nicht, dass du das geschafft hättest, Jocelyn", raunte ich sie mit einem finsteren Blick an.
„Nur weil du deine kleinen Hexentricks angewandt hast." Ihre Augen funkelten. Sie waren rot. Daher also der Name „die roten Wölfe". Wie hatten sie das mit ihr angestellt? Von ihrer Perfektion war nichts mehr zu sehen. Es sah aus, als wären ihr die Haare abgebrochen und ausgefallen. Ihr Gesicht war grau, nicht mehr leuchtend und schön.
„Miss Mercer ich verwarne Sie ein einziges Mal. Bleiben sie hier stehen und seien Sie ruhig." Der Mann vor mir brummte mich warnend an.
„Ich glaube, dass Sie nicht befugt dazu sind mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe", herrschte ich ihn an.
„Wenn nicht er, bin ich es aber." Aiden stand nun direkt vor uns. Zwischen Jocelyn und mir. Zwischen all dem Sicherheitspersonal. „Du bleibst dort wo du bist und schweigst, bis ich dir erlaube wieder ein Wort von dir zu geben." Aiden's Ausübung seiner Autorität mir gegenüber, vor der versammelten Elite, ließ mich klein und schwach wirken. Aus meiner Brust entflog mir ein leichtes Knurren. Michelle verpasste mir einen warnenden Seitenhieb mit ihrem Ellbogen.
Oh Aiden, so sprichst du nicht mit mir.
„Hey Michelle", rief Jocelyn noch mal zu uns. „Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung mit meinem Ex Josh! Es wundert mich nicht, dass die kleine Hexe und du so gut befreundet seid." Jocelyn's Lache verpasste mir eine unangenehme Gänsehaut. „Jetzt wo der Beta durch seine Vermählung eine höhere Stellung als der Ledige Alpha hat, wird es doch Zeit für eine Vermählung des Alpha's, oder Aiden? Da scheint Ella doch perfekt für geeignet zu sein."
Ich schluckte und sah zu Aiden. War das tatsächlich so? Wollte Aiden mich deswegen zu einer Vermählung zwingen?
„Es reicht!", ein lautes Knurren durchflutete den kompletten Korridor. Wir zuckten zusammen und keiner wagte es ein Wort zu sagen. Solch eine Macht konnte nur Aiden haben. „Führt Jocelyn endlich hinaus und Jackson, du bringst Ella in mein Büro. Michelle kann gerne in einem anderen Zimmer auf Josh warten."
Es wagte keiner ihm zu widersprechen. Der große Mann, namens Jackson sah mich erwartungsvoll an, während ich zu Aiden blickte. Seine Augen waren schwarz. Ich spürte ein starkes Unbehagen und während die anderen Wölfe sich in diesem Raum Aiden gegenüber duckten und sich ihrer Unterwürfigkeit zeigten, hob ich meinen Kopf und hielt seines Blickes stand. Aiden registrierte dies und biss seine Zähne fest zusammen. Jackson ergriff meinen Oberarm und führte mich die Treppe hinauf.
„Aua", stieß ich hervor. „Sie tun mir weh."
„Ich weiß. Sie haben da unten aber nichts zu suchen gehabt, Miss Mercer."
„Wir sind einfach zum falschen Zeitpunkt die Tür hereinspaziert."
„Klären Sie das mit Mr. Norwood, ich erledige hier nur meinen Job." Jackson zuckte mit den Schultern und schloss die Tür hinter sich. Ich umfasste meine Stirn und wollte mich gerade an den großen Konferenztisch setzen, da schoss die Tür auf.
„Kannst du mir bitte verraten, was zur Hölle du hier zu suchen hast?" Aiden tobte vor Wut. Ich stand sofort kerzengerade vor ihm. Ich wäre gerne noch ein paar Schritte weiter zurückgegangen, jedoch war dort bereits der Tisch. Aiden kam mir gefährlich nahe. Seine schwarzen Augen funkelten vor Wut. Ich hatte Mühe ihm überhaupt ins Gesicht schauen zu können.
„Ich..." Ich schluckte und suchte nach Wörtern. So trotzig ich eben noch vor Aiden sein konnte, jetzt konnte ich es nicht mehr. „Ich hab mich selbst entlassen."
„Du hast was?" Aiden schlug neben mir auf den Tisch. Er hatte sich über mich gebeugt. Seine breiten Schultern ließen mich komplett unter ihm
verschwinden.
„Es geht mir soweit gut, ich wollte nicht wieder tagelang im Krankenhaus liegen", protestierte ich.
„Und anstatt dich zuhause in dein Bett zu legen, tauchst du hier mit deiner besten Freundin auf um Jocelyn zu treffen?" Aiden's Stimme war so laut und herrisch, dass ich mich wie ein kleines Kind vor ihm fühlte. Es war dumm von mir gewesen. Es hatte niemanden etwas gebracht. Doch ich konnte ihr noch mal in die Augen schauen und mir sicher sein. Aiden zog sein iPhone hervor und wählte die Nummer seines Fahrers.
„Nein", ich griff nach seinem Handy, „lass es mich bitte kurz erklären." Ich wartete ein zustimmendes Nicken von ihm ab.
„Na gut." Seine Augen waren nicht mehr tiefschwarz und er ging einen Schritt zurück. Ich konnte wieder etwas freier Atmen und merkte in dem Zuge auch die Schmerzen in meiner Rippe. Ich lehnte mich an den Tisch hinter mir und kniff kurz meine Augen zusammen.
„Als Jocelyn mich angegriffen hat und anfing mich zu würgen, da passierte etwas mit meinem Körper. Ich hab keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, doch ich konnte mich blitzschnell wehren und war ihr plötzlich überlegen."
„Deswegen nannte sie dich Hexe", sagte Aiden und starrte auf den Boden vor meinen Füßen.
„Sie hat es auch gemerkt, es war keine Einbildung meinerseits." Ich versuchte aus Aiden's Blick schlau zu werden, doch er trug eine Maske. Seine langen Haare fielen ihm ins Gesicht. Sein Bart war mittlerweile deutlich länger als sonst. Dadurch wirkte er noch ein wenig wilder und angsteinflößender. Dieses Thema schien ihn wirklich zu belasten.
„Du bist eine Reinblüterin, Ella. Es könnten noch viel mehr versteckte Kräfte in dir sein. Du kannst froh sein, dass dir das dein Leben gerettet hat."
„Das bin ich."
„Und trotzdem läufst du ihr ein weiteres Mal in die Arme und provozierst sie." Aiden's Wut schien noch nicht abgeklungen zu sein.
„Es tut mir Leid, ich hab einfach nicht großartig darüber nachgedacht", gab ich kleinlaut zu.
„Fahr nach Hause, Ella. Du solltest dich schonen." Aiden's Tonlage war nun eher erschöpft. Er öffnete die Tür und ich spürte ein Stechen in meiner Brust. Sie fühlte sich plötzlich eingeengt ein, als hätte jemand ein Seil um meinen Brustkorb gelegt und würde es stark zusammenziehen. Hatte ich gehofft, dass er sich noch Zeit für mich nehmen würde? Oder sehnte ich mich einfach nach einer Berührung von ihm? Hatte ich ihn so sehr enttäuscht? Ich spürte wie die Verzweiflung Tränen in meinen Augen bildete. Ich räusperte mich und ging zur Tür.
„Wenn du Josh als verheirateter Beta konkurrieren möchtest, solltest du dir vielleicht eine richtige Frau an deiner Seite suchen." Ich schloss die Tür hinter mir und spürte wie eine Träne aus meinem Auge lief.
Wieso tut das so weh? Verdammt. Ich will diese Enttäuschung nicht fühlen.
„Ella", Aiden hatte die Tür wieder geöffnet. „Komm zurück in mein Büro." Seine Stimme war gesänftigt. Ich schüttelte meinen Kopf und konnte ihn nicht ansehen. Er zögerte nicht und stellte sich direkt vor mir. Ich wollte ihm diese Schwäche niemals zeigen. „Wieso weinst du?" Er strich meine Haare hinter meinen Ohren und hob mein Gesicht, sodass ich ihn anschauen musste.
„Ich weiß es nicht", gab ich zu.
„Ich wollte nicht so grob zu dir sein", sagte er leise und führte mich zurück ins Büro. Er schloss die Tür hinter sich und kam näher zu mir.
„Es muss an der Markierung liegen. Ich fühle mich verletzt und abgestoßen", entgegnete ich ihm, während ich mit meinem Ärmel über meine Wange strich und die letzten Tränen trocknete.
„Daran wird es liegen", antwortete er mir und lächelte leicht. „Weißt du was der Markierung ebenfalls nicht gut bekommt?"
„Was denn?", fragte ich.
„Dem Alpha nicht unterwürfig zu sein", witzelte er, als er die Situation eben in dem Korridor anspielte.
„Das lässt mein Blut nicht zu", konterte ich und Aiden fuhr ein Lächeln über seine Lippen. Als hätte er das gewusst.
„Das war mir klar. Ich muss nun noch ein paar Sachen klären und möchte wirklich, dass du dich nun etwas ausruhst." Aiden richtete sein Jacket und zog sein Hemd zurecht. „Ich werde dich fahren lassen, da Michelle wohl mit Josh zusammen bleiben wird." Aiden schenkte mir ein weiteres Lächeln und ich spürte, dass diese gelockerte Situation auch mich etwas entspannte.
„Danke", sagte ich leise, als Aiden schon die Tür geöffnet hatte.
„Gerne." Aiden hielt mir dir Tür auf und ich ging an ihm vorbei, während ich meine Hand über seinen Bauch streifte. Ich schloss kurz meine Augen und genoss dies wohlige Gefühl der Lust, die in mir Aufstieg. Ich schenkte Aiden noch einen Kurzen Blick, ehe ich die Treppen hinunterging. Aiden sah mir dabei zu und genoss unsere verschwiegene Lust. Seine Augen glänzten so hell, dass ich kaum noch ein blau in ihnen erkennen konnte. Es verwunderte mich immer wieder, was für eine Kraft unsere Körper aufeinander hatten. Ich fragte mich, wieso ich als so unscheinbare Frau, diesen starken, großen und unheimlich attraktiven Mann so aus der Fassung bringen konnte.

Mein Millennium WolfWhere stories live. Discover now