Kapitel 3 - die Hitze

1.5K 26 0
                                    

Es war bereits nach 19 Uhr, jedoch entschied ich mich dazu doch noch in die Bibliothek zu gehen. Die meisten Wölfe waren noch auf dem Fest im Wald. Auch meine Eltern und meine Schwester entschieden sich dazu, ebenfalls den Abend dort ausklingen zu lassen. Es war Samstag und morgen hatte kaum jemand etwas vor. Lieber hätte ich meinen Abend dort am Fluss verbracht. Jedoch alleine. Ohne Stimmen, ohne Gespräche, die mich Überfluteten. Meine Gabe war ein Segen und ein Fluch zugleich. War ich neugierig, war es ein Genuss Gesprächen zu lauschen, die mehrere Hunderte von Metern von mir entfernt geführt wurden. Für meine Ruhe, für meinen Frieden, war es jedoch die pure Hölle. Ich konnte es nicht immer ignorieren und das ließ mich kaum entspannen. Menschen, die mir sehr wichtig waren im Leben, Wölfe, die eine enge Bindung zu mir hatten, all derer Gespräche konnte ich nicht lauschen. Daher war es zuhause oftmals ebenfalls sehr ruhig.

Um mein Gehirn auszutricksen und keine Gesprächsfetzen aufzunehmen, las ich. Ich verkroch mich in die Bibliothek und las Bücher. Über alles. Auch eigene Texte zu verfassen, ließ keinerlei Stimme in meinen Kopf. Also widmete ich mich heute einem Literaturbuch, welches ich bereits einmal gelesen hatte. Das störte mich jedoch nicht. Ich lehnte mich zurück auf der Fensterbank, die so breit war, dass man gemütlich sitzen konnte. Sah noch einmal kurz hinaus auf die hell beleuchtete Straße und warf einen letzten Blick durch den Raum, bevor ich das Buch öffnete und die Ruhe genoss.

Ich schrak auf und riss meine Augen auf. Mein Herz explodierte. Meine Haut war klebrig und nass. Wieso raste mein Herz so sehr? Meine Brüste spannten. Mein Bh schmerzte. Genau so wie meine Jeans in meinem Schritt. Ich setzte mich auf. Ich war eingeschlafen. In der Bibliothek. Wie spät war es? Ich sah niemanden um mich herum. Meine Uhr zeigte es kurz nach 19:30 Uhr. Was war in dieser kurzen Zeit passiert? Diese aufflammende Hitze in meinem Körper. Stand ich in Flammen? Ich begann zu zittern. Zu zittern vor unerträglicher Lust. Sie war wieder da. Die Hitze. Die Paarungszeit hatte begonnen. Ich stellte das Buch bestmöglich ins Regal zurück. Nahm meine Sachen und rannte aus dem Gebäude. Die Frau am Empfang sah mich verwundert an, wünschte mir dennoch einen schönen Abend.

Endlich spürte ich etwas kalte Luft um meiner Nase. Ich atmete langsam und ruhig. Das zittern hörte nicht auf und mir war so unglaublich heiß. Mein Gesicht fühlte sich errötet an. Ich verharrte ein wenig an der Laterne und versuchte zu mir zurück zu finden. Ich nahm einen Geruch wahr. Einen männlichen, starken, durchdringlichen Geruch. Ich konnte mich nicht mehr an der Laterne halten und fiel auf die Knie. Noch nie hatte die Hitze mich so stark erwischt. Ich hielt es nicht mehr aus. Nicht in meiner menschlichen Gestalt.

Ich stand auf und rannte, viel zu schnell für einen Menschen, in den nächsten Wald. Ich hörte die Äste unter meinen Füßen knacken und währenddessen rissen die Klamotten an meinem Körper. Ich hatte kaum die Kontrolle über meine Verwandlung. Als Wolf war die Hitze erträglicher, dennoch so präsent, dass es unmöglich war, sie zu ignorieren. Es würde nicht lange dauern, bis andere Wölfe meinen Geruch und meine Fährte witterten. Als Wolf den Wald in der Hitzezeit zu betreten, ohne einen Partner, war eigentlich genau das gefährliche an dieser Zeit. Hier fühlte es sich an, wie eine Studentenbar. Jeder hatte das eine Ziel. Aber ich nicht. Ich hielt es einfach in meiner menschlichen Gestalt keine Sekunde länger aus.

Ich zählte fünf. Fünf hungrige Wölfe, die meinem Geruch gefolgt waren. Mein Körper genoss diese Aufmerksamkeit. Ich war definitiv nicht abgeneigt. Doch würde ich meinen Körper nicht für irgendeinen Wolf hergeben. Mein Herz schlug immer noch viel zu schnell und ich konnte die Gerüche der anderen Wölfe gar nicht ignorieren. Sie machten mich an.

Um mich abzulenken, preschte ich weiter voran. Lief durch die viel zu engen Bäume und bahnte mir einen Fluchtweg. Doch die Wölfe folgten mir. Bis ich einen nicht nur riechen, sondern auch sehen konnte. Ein blonder Wolf. Groß und stark. Ich hatte ihn noch nie gesehen - was aber kein Wunder war. Hier lebten viel zu viele an der Westküste. Er kam mir so bedrohlich nahe, dass ich anfing zu Knurren. Ein anderer Wolf war plötzlich hinter mir. Er leckte mein Hinterbein. Obwohl ich es nicht wollte, wollte es aber mein Körper. Ich schluckte und spürte dieses Kribbeln in jeder Ader. Ich wollte, dass er es wiederholte. Das er mich überall leckte. Er sah meinen Blick. Er sah meine Lust und sah mich fragend an. Er fragte mich, ob wir uns zurückverwandeln und es hier treiben würden.

Mit einem Schlag dachte ich an sie. An Emily. Ihr Gesicht blitzte vor meinen Augen. Es fühlte sich an, wie ein Eimer Wasser, der über mich gegossen wurde. All das Verlangen hörte auf. Ich ging ein paar Schritte zurück und knurrte nun aus voller Brust. Die Wölfe um mich herum zuckten zusammen. Es benötigte noch ein weiteres Knurren und sie hauten ab.

Ich hatte mich und meinen Körper wieder unter Kontrolle. Als ich am Waldrand angekommen war, spürte ich die Verwandlung zurück. Ich spürte, wie meine Knochen kleiner wurden. Wie das Fell sich zurückzog, mein Hals viel schmaler wurde und meine Hände wieder schwach und zärtlich. Ich kniete am Waldrand und sah mich um. Es war niemand zu sehen. Nackt kniete ich an dem Baum, den ich markiert hatte. Für genau solche Notfälle. Hier hatte ich in einem Plastiksack ein Kleid vergraben und ein paar Sneaker. Ich musste tief mit meinen Händen buddeln. Das funktionierte mit Klauen um einiges besser, aber die Gefahr, dass mich ein Mensch als Wolf sehen würde, war hier zu hoch. Ich fand meine Plastiktüte und zog mir das Kleid über. Das ich nackt unter dem engen Stoff war, störte mich eher weniger. Mir war sowieso viel zu heiß.

Ich schlenderte in der Nacht durch die Straße, zurück zu dem Ort, an dem ich meine Tasche wegwarf und fand sie. In einem Gebüsch. Ich blickte auf mein Handy. Meine Mam hatte zwei mal angerufen und Michelle hatte mir eine Nachricht hinterlassen.

Michelle
Hey El, ich hätte nicht damit gerechnet, dass heute der Tag ist. Geht's dir gut oder hast du die Hitze noch gar nicht mitbekommen? *grins*

Ellanie
Mir geht's gut. Ich bin tatsächlich müde. Hoffe, du hattest einen schönen Start in die Saison. Grüße an Ross ;)

Es passierte eher selten aber dieses Mal war ich fast neidisch. Neidisch auf alle die, die ihren Gefährten gefunden hatten. Oder es zumindest glaubten. Die mit Leidenschaft und Vertrautheit ihren Gelüsten nachgehen konnten. Wieso musste mir das so vorenthalten werden?

Mein Millennium WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt