Kapitel 54

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'Nein.Zwei ganze Jahre!'

Vollkommen überrumpelt stolperte ich einige Schritte nach hinten. Zwei Jahre. Klar, zwei Jahre sind nicht zwanzig Jahre, aber dennoch ist es eine lange Zeit. Das Leben kann sich innerhalb von zwei Jahren drastisch verändern. Das Leben konnte sich von jetzt auf gleich ändern.

Ich konnte und wollte mir garnicht vorstellen, wie es andersrum gewesen wäre. Was wäre gewesen, wenn ich zurück ins 21.Jahrhundert gekehrt wäre - zurück zu meiner Familie - nur um zu erfahren, dass ich zwei Jahre verschwunden war?

Dieses Szenario wollte ich keinesfalls hiermit vergleichen, dennoch war es beängstigend.

Jack lag total richtig. Ich hatte keinerlei Ahnung was alles geschehen ist. Ich wusste nicht wie jeder von ihnen weitergelebt hat, was sie getan haben, mit wem sie es getan haben. Selbst die einfachsten Dinge und Veränderungen waren mir nicht bekannt.

Diese zwei Jahre hätten viel beinhalten können.

Einen Krieg von dem ich nichts mitbekommen hätte.

Darüberhinaus könnten sie alle ihr eigenes Leben aufgebaut haben. James könnte verheiratet sein, er könnte Kinder haben. Gillette oder Groves könnten es auch. Oder aber jeder von ihnen könnte gestorben sein. Jeder hier hätte seinen Posten aufgeben, in ein anderes Land reisen und dort den Rest ihres Lebens verbringen können. Ein jeder von ihnen hätte seine Familie und Freunde verlieren können. Ein jeder von ihnen hätte etwas schlimmes widerfahren können.

Es hätte sein können, es hätte sein können.

Nun erschien mir das ganze auch viel sinniger. Ich habe Barbossas überraschende Stellung am englischen Hof kaum hinterfragt. Selbst für 'normale' Bürger wäre es nicht möglich innerhalb von zwei Monaten solch eine Verantwortung zu erlangen, wie hätte es also ein Pirat wie Hector es ist schaffen können? Da klingen zwei Jahre durchaus plausibler.

Das unwohle Gefühl von vorhin machte sich erneut in meinem ganzen Körper breit. Ich drehte mich fragend zu James, dessen Miene deutlich weicher wurde als er in mein besorgtes Gesicht sah. „Wo..." Ich schluckte. „Wo ist Elizabeth?"

Angesprochener ließ sich für meine Verhältnisse ganz schön viel Zeit zum Antworten, auch wenn es sich nur um einige Sekunden handelte. Zudem ließ ich ihn garnicht erst antworten. „Wo ist sie?!" kam es erneut energisch über meine Lippen, während James einen Schritt auf mich zu ging. „Ihr geht es gut." - „Wirklich?" Erleichtert und auch hoffnungsvoll sah ich ihn an. Ich bekam nur ein kurzes Nicken als Antwort.

„Aber. Wo ist.." - „Port Royal. Mehr oder weniger. Sie befindet sich auf der anderen Seite der Insel." gab er mir monoton wieder. Schlagartig änderten sich meine zuvor noch freudigen Gesichtszüge, zu einem misstrauischen Blick. „Das ist jetzt nicht dein Ernst. Und ihr sagt mir nichts?" Doch ehe James etwas erwidern konnte, machte sich die Unruhe draußen lautstark bemerkbar. „Ich muss gehen." entgegnete er mir knapp und trat aus dem Zelt.

„Aber, du.." ich hielt inne, nachdem ich ihm einen Schritt raus gefolgt war. Vor uns spielte sich ein Schauspiel ab, dass mir ganz und garnicht gefiel.
Einige der flüchtigen Seemänner knieten auf dem Boden. Das einzige was ich vernehmen konnte war ein ‚verurteilt wegen Piraterie', ehe ich begriff was hier vor sich ging. „James, bitte." flehend sah ich ihn an, doch er sah an mir vorbei und gab Groves ein Zeichen. Sofort verspürte ich eine Griff um meinen Arm und den Versuch mich zurück ins Zelt zu bringen. "Kommt, Miss." Widerwillig und vollkommen verständnislos schüttelte ich den Kopf.

"Ihr habt uns nichts vorzuwerfen. Wir sind einfache Männer. Einfache Taugenichtse. Ihr seid das wahre Übel. Nichts was ich getan habe ist annähernd so schlimm wie euer Vorhaben." Mr.Johnson stellte sich durchaus mutig Beckett gegenüber, bedrohte ihn sogar, doch auch wenn es mutig erschien - es war nicht hilfreich. Nicht für die anderen und ganz bestimmt nicht für ihn selbst. "Bones." Groves sah mich eindringlich an. Ich erwiderte seinen Blick und wollte ihm ins Zelt folgen. Dann passierte es. Es passierte etwas, dass diesen Albtraum, meinen persönlichen Albtraum, noch weiter ausbaute.

"Mercer, entfernt diesen Mann." war das einzige was meine Ohren in diesem Moment wahrnehmen konnten. Mercer.

Mercer.

Rückblick (Bones-Rückkehr, Kapitel 47)

Vor mir erkannte ich Mercers Gesicht und nun sah ich ein Messer in seiner Hand aufblitzen, welches sich einige Sekunden später in der Nähe meiner Kehle befand. "Was wollt ihr?" zischte ich. "Schon vergessen? Hab ein Deal mit unserem tollen Lord.Mir darf nichts passieren." Voller Hass blickte ich Mercer an.Er grinste ekelhaft. "Ah ist das so? Da hab ich aber was anderes gehört, Captain Bones." Ich schluckte und sah mich langsam hilfesuchend um.Vergeblich versuchte ich mich loszureißen. "Was habt ihr vor?" Doch er starrte mich nur triumphierend und kalt an. "Ihr glaubt doch wohl nicht, dass Lord Beckett je einen Piraten leben lassen wird oder gar unversehrt, selbst wenn eine Verhandlung vorliegt."

Das konnte nicht sein. Es wäre in meinem Fall zwar dumm davon auszugehen etwas sei unmöglich, wo ich doch diejenige bin die in einem anderen Jahrhundert mit Piraten herum segelt, Meerjungfrauen begegnet und einen verfluchten Schatz aufsucht. Aber das hier - das Auftauchen von Mercer konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein. Doch so sehr ich mir auch versuchte einzureden, es half nichts. Ich wagte den Blick zurück und erkannte ihn. Jetzt müsste nur noch Davy Jones wieder von den Toten auferstehen und alles wäre wieder beim Alten. Dann hätte das Spektakel erstmal richtig angefangen.

Bevor ich vollständig realisieren konnte, dass es wirklich Mercer war der einige Meter weiter entfernt stand, geschah es schon. Es geschah zu schnell.

Ein Dolch der aufblitzte. Eine schnelle Bewegung.

Groves hielt mich fest in seinen Armen.

"Nein! James, bitte. Ihr müsst das verhindern!" Währenddessen geschah es schon. Mercers Dolch stach in Johnson, der sich krümmte. Und auch wenn es schnell geschah, so fühlte es sich an als würde es in Zeitlupe vergehen. „Bringt sie jetzt weg." hörte ich James sagen. Doch es war eher ein dumpfes Geräusch. Auch die Rufe der anderen Seemänner. Das alles fühlte sich surreal an. Als hätte ich einen Druck auf den Ohren, der sich nicht lösen wollte. Als würde eine Sekunde sich anfühlen wie eine Stunde. Es war so als wäre ich betäubt. Meine Augen konnten gerade noch erfassen wie Johnson zu Boden ging.

Ich gab nach und Groves führte mich ins Zelt zurück. „Was ist da gerade..." Ich konnte meinen Satz nicht wirklich zu Ende bringen. Es gelang mir nicht. Musternd sah ich Groves an, bemerkte die Handschellen in seiner Hand. „Bones, es tut mir leid.Ich möchte das nicht tun." Und ich sagte es zwar nicht, aber ich wusste es. Ich wusste, dass er es nicht wollte. So war Groves schon immer. Er wollte es nicht, doch er musste es. Erneut wollte er was sagen, wurde aber unterbrochen. „Ich.." - „Lieutenant Groves. Das reicht, ihr könnt euch abwenden." Ertönte eine Stimme hinter meinem Rücken.

Groves Augen, die immer noch in meine sahen, weiteten sich beim Klang der Stimme. Und auch in meinen Augen hätte man vermutlich die Sorge und den Schreck erkennen können. Es scheint als hätte diese Stimme nicht nur mir eine Gänsehaut verpasst. „Aber natürlich, Mercer." entgegnete Groves ihm und warf jenem einen kurzen Blick, über meine Schulter hinweg, zu. Ich versuchte Groves noch ein gequältes Lächeln zu schenken, bevor er sich mit entschuldigender Miene von mir abwendete und das Zelt verließ. Somit ließ er uns allein.

„Lang ist es her, nicht wahr Bones?"

Bones - Ewige Jugend Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt