Let me go

127 4 0
                                    

"Diese sind ihre Röntgenaufnahmen, sehen sie diesen Knoten?", der Arzt zeigte bei meinen Aufnahmen von der Brust auf einen weißen Fleck. "Ja, sehe ich. Was ist das Herr Doktor? Ist das dieser Knoten, den man fühlen kann auf meiner Brust?", ich machte mir ein wenig Sorgen, denn ich hatte seit ein paar Tagen eine Art Knoten auf der Brust, weshalb ich es abklären wollte. "Ja, Herr Stolle. Das ist leider dieser Knoten auf ihrer Brust...", er stoppte und legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. "Herr Stolle... dieser Knoten ist leider Brustkrebs..." Ich erschrak. "Brustkrebs, aber wie... warum?", ich war verwirrt. "Haben sie irgendjemanden aus der Familie der Brustkrebs hat oder mal hatte?", fragte mich der Arzt, doch mir war nichts derartigen bekannt. "Nein, nicht das ich wüsste. In welchem Stadium bin ich?", wollte ich wissen, da ich es für wichtig befand und um zu wissen, ob ich die Geburt unserer Tochter miterleben kann. "Sie sind erst im 1. Stadium, also ganz am Anfang.", antwortete mir der Arzt. "Ok, meinen sie ich werde die Geburt meiner Tochter in ungefähr 3 Monaten miterleben können?" "Wenn der Knoten nicht wächst, sondern so bleibt, dann könnten sie Glück haben und die Geburt mit ihrer Frau/ Freundin miterleben und sie unterstützen.", nahm mir der Arzt die Sorgen ab. Wir machten den nächsten Termin aus und ich fuhr nachhause. "Hey Schatz", begrüßte ich meine schwangere Freundin mit einem Kuss. "Hey, was sagt der Arzt?", machte sie sich Sorgen. "Schatz… versprich mir, dass du stark bist und du dich um unser Kind kümmerst, wenn ich nicht mehr da bin…", ich versuchte es ihr sanft beizubringen, doch es brachte nichts. Ihr liefen Tränen über das Gesicht, welche sie rasch wegwischte. "Süße, ich schaffe das!", ich nahm sie in den Arm, wo sie anfing zu weinen. "Und wenn nicht? Ich meine du willst keine weiterführenden Lebenserhaltenden Möglichkeiten… Ich schaffe das mit dem Kind nicht alleine…", sagte sie unter Tränen. "Du musst es nicht alleine mit dem Kind durchstehen, wir haben noch Nowi und Hannes!", versuchte Ich sie zu beruhigen. "Welches Stadium bist du?", fragte sie mit weinerlicher, zitternder Stimme. "1. Stadium… er hat gesagt, wenn der Tumor nicht wächst, dann kann ich die Geburt miterleben.", erklärte ich ihr, während ihr Kopf auf meinem Schoß lag, da ich mich bereits zu ihr gesetzt habe. "Steff, so hart es jetzt klingt, aber selbst, wenn ich bei der Geburt nicht mehr dabei sein kann, dann nimm als Unterstützung Nowi oder Hannes mit, du kannst aber natürlich auch deine Schwester oder deine Mom dabei haben, aber du schaffst das und kümmerst dich um unsere kleine Tochter, versprich mir das. BITTE!", bat ich sie und sie versprach es mir, während ihr wieder Tränen fließen. "Ich will übrigens selbst bestimmen, wann ich mein Leben beende… ich will mich nicht quälen müssen, es wird ja irgendwann immer schlimmer, irgendwann greift er meine Nieren an und ich kann nicht mehr richtig Wasser lassen etc… ich will mich halt nicht quälen müssen, auch wenn es gerade irgendwie ein wenig hart klingt…", ich versuchte es ihr zu erklären, dass ich es auch beim Arzt angesprochen habe. "Ok… hast du ein Medikament oder irgendetwas bekommen? Also womit du dann dein Leiden beenden kannst?", fragte sie mich, während ihr immer wieder Tränen über die Wangen kullerten. "Die Tablette bekomme ich beim nächsten und letzten Termin.", beantwortete ich ihr die Frage und nahm sie in den Arm. "Ihr 2 Süßen schafft das auch allein!! Ich pass im Himmel auf euch auf und bleib für immer im Herzen! Vergiss das nie!", versprach ich ihr. "Ich brauch dich nicht im Herz, ich brauche dich hier…", brachte sie gerade noch so hervor. "Schatz, du schaffst das mit der kleinen Maus!", ich streichelte mit meiner Hand über ihre Kugel. "Nein Schatz!! Ich schaffe das nicht allein und die kleine Maus braucht ihren Papa!!", schrie sie mich fast an und fing wieder an zu weinen. "Heyy pss süße!! Noch bin ich bei euch!", selbst aus mir kamen jetzt Tränen. "Ich will es doch auch nicht, aber Chemo und OP mach ich definitiv nicht und ich will mich auch nicht quälen müssen… versteh das bitte!", bat ich sie um ihr Verständnis. "Ich verstehe dich schon… ich will ja auch nicht, dass du dich quälen musst… aber was ist mit der Band? Was ist mit deinem Bruder? Deiner Familie? Wer garantiert, dass du nicht schon morgen einschläfst und ich es nicht mitbekomme? Ich will nicht das du allein einschlafen musst! Ich will bei dir sein und in Ruhe Abschied nehmen können…", machte sie sich Sorgen. "Schatz, ich werde morgen noch nicht einschlafen und du wirst dabei sein, wenn ich mein Leiden beende! Versprochen!", versprach ich ihr. "Lass uns schlafen gehen, es ist schon spät.", bot ich ihr an. "Ja Ok, darf ich deinen Pulli?", fragte sie mich mit ihren zuckersüßen Glubschaugen, ich zog meinen Pulli aus und gab ihn ihr. "Danke", bedankte sie sich und kuschelte sich ins Bett und schlief direkt ein. Ich schlich mich ins Büro, suchte Briefpapier und fing an Geburtstagsbriefe für meine kleine Tochter zu schreiben. "Meine Süße, ich kann leider nicht bei dir sein, aber ich bin immer bei dir im Herzen, vergiss das nie! Jedenfalls wirst du heute schon sagenhaft 1 Jahr alt, ich bin sooo stolz auf dich! Außerdem bist du ein wundervolles und hübsches süßes Mädchen! Ich habe dich lieb, Papa.", schrieb ich. Ich faltete den Brief und schob ihn in einen Briefumschlag und schrieb "zum ersten Geburtstag" drauf. Dies machte ich bis zum 18. Geburtstag, schob aber ab den 10. Geburtstag einen kleinen Geldschein hinein und ging dann auch schlafen.
Bereits sind ein paar Monate vergangen und unsere Kleine war auf der Welt. Der Tumor ist gewachsen und hat bereits gestreut. Mir ging es Tag für Tag schlechter. Beim letzten Arzttermin hatte ich meine Tablette bekommen, welche ich nur nehmen musste, um vom Schmerz befreit zu werden. „Hey Schatz“, begrüßte ich Steff, welche gerade mit der Prinzessin nachhause kam. „Wie war es im Studio?“, fragte ich sie erschöpft. „Hey Schatz, ist anders ohne dich… irgendwie komisch und der neue Gitarrist war der Meinung er müsse nicht kommen… Wie geht es dir?“, fragte sie besorgt. „Naja… muss, ich schlage mich tapfer… bin nur erschöpft…“, meinte ich zu ihr. „Ok, wenn es nicht mehr anders geht musst du es sagen, dann bekommst du deine Tablette…“, meinte sie, während sie sich wegdrehte, damit ich ihre Tränen nicht sah. „Steff, es ist okay seine Tränen rauszulassen.“, meinte ich zu ihr. „Ich will übrigens am See einschlafen… und ihr sollt dabei sein, also du, Hannes und Nowi… ich weiß ich kann mich kaum noch bewegen, aber ich will es trotzdem…“, sagte ich zaghaft zu ihr. „Ok, es ist verständlich und ich möchte dir den letzten Wunsch erfüllen.“, meinte sie. Ich hielt den Schmerz kaum noch aus, aber ich wollte noch nicht gehen. Ich konnte sie noch nicht alleine lassen, wodurch ich mich noch ein paar Tage durch kämpfte.
Es sind inzwischen ein paar Tage vergangen. Ich hatte noch immer Schmerzen, doch heute war der Tag der Tage. Heute würde ich die Tablette nehmen und ich werde vom Schmerz befreit. Hannes und Nowi kamen gerade um mich und meine Mädels abzuholen und um an den See zu fahren. "Hast du die Tablette, Steff?", fragte ich sie ein wenig bedrückt. Würden die beiden es ohne mich schaffen? Kümmert sich Steff weiterhin so fleißig, wie momentan um die kleine? Ich hatte Gedanken im Kopf, doch ich sprach sie nicht aus, um Steff nicht noch mehr zu belasten. Aufgrund das ich momentan kaum mehr laufen konnte, da mir dazu die Kraft fehlte wurde ich von Nowi und Hannes in den Rollstuhl gesetzt und zum Auto gefahren, womit wir zum See fuhren. Am See angekommen breiteten die Jungs und Steff, die unser Mädchen auf dem Arm hatte, die große Picknickdecke aus und halfen mir mich darauf zu legen.  Wir genossen die letzten gemeinsamen Stunden und ich durfte noch ein letztes Mal meine Prinzessin auf dem Arm halten. Ich nahm die Tablette und Steff legte sich danach neben mich und legte mir die Kleine auf den Bauch. Man konnte deutlich spüren das ich immer müder und mein Herzschlag schwächer wurde.
Ein wenig später, ich war bereits eingeschlafen. Hannes bestellte bereits den Leichenwagen, da sie ihm zu genickte, das ich bereits eingeschlafen bin. Sie nahm die kleine von mir runter und legte sie in die Tragetasche auf ihrer Brust. "Soll ich dir die kleine abnehmen, Steff?", fragte mich Nowi ein wenig mitfühlend. "Nein, das geht schon die kleine ist ja noch nicht so schwer... und ich will das sie jetzt bei mir ist...", erklärte sie ihm mit einer zerbrechlichen Stimme. "Ok kann man verstehen, komm mal her...", bat Nowi sie und nahm sie in den Arm. Ich wurde vom Leichenwagen abgeholt und Nowi, Steff mit der kleinen und Hannes gingen nachhause.

Silbermond zum LesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt