Epilog

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Maethorn hatte es sich nicht nehmen lassen den Ausgang der letzten Schlacht zu beobachten. Er respektierte die Entscheidung verbannt worden zu sein, weshalb er sich in die Ered Mithrin, die Grauen Berge südlich seines Reiches, zurückgezogen hatte. Sie waren die Heimat unzähliger Feuerschlangen, doch der einstige Heerführer hatte keine Zweifel, es lebend wieder aus dem Gebirge zu schaffen. Er hatte seinen Falken bei sich und Waffen, die mit derselben Kunst, wie das Schwert Earendils, das den großen Drachen Ancalagon erschlagen hatte, geschmiedet worden war. Er vertraute auf seine Fähigkeiten.
Das Heer der Eglath glitzerte in der schwachen Sonne. Es tat Maethorn im Herzen weh, dass er es in diesem entscheidenden Kampf nicht anführen durfte. Wer wohl an seiner Statt zum Heerführer ernannt worden war?

Er setzte sich an die Klippe und sah wehmütig dem Aufeinandertreffen der beiden Mächte zu. Sein Volk schien die Überhand zu behalten, doch das war keine Überraschung für ihn.
Als der weiße Drache sich einmischte, erhob Maethorn sich ungläubig und kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was mit seinem König geschah. Elbische Augen waren sehr gut, doch diese enorme Entfernung machte es sogar einem Elben wie ihm schwer.
Erst die Reaktion seines Falken bestätigte seine Befürchtung. Das Oberhaupt der Eglath war erschlagen worden.
Maethorn schluckte schwer und fuhr mit seinen Fingern durch die braunen Federn seines Gefährten. Er hatte es niemals für möglich gehalten, dass die Eglath diesen Krieg verloren. Doch wer hatte auch voraussehen können, dass ein Drache sich für diesen Konflikt interessieren würde?

„Der Mann, der dich verbannt hat, ist nun tot. König Haryon wird einen Vermittler brauchen", ertönte es hinter ihm. Er hob überrascht seine Brauen. Niemand würde sich freiwillig in diese gefährlichen Gefilde begeben, und alle, die etwas mit den Völkern des Nordens zu tun hatten, standen gerade auf dem Schlachtfeld. Wer also wusste so genau, was dort unten vor sich ging?
„Ich bin Heerführer, kein Diplomat", gab er dieselbe Antwort, die er vor langer Zeit auch schon seinem König gegeben hatte. Er hatte sich noch nicht mit der Idee angefreundet zurückzukehren. Er wollte Valaina nicht sehen, doch gleichzeitig war es sein Volk, sein Leben, seine Verantwortung. Natürlich war ihm bewusst, dass er der Beste für diese Aufgabe wäre.
„Mit den Waldelben hast du dich immerhin ganz gut angestellt, habe ich gehört", erwiderte die weibliche Stimme amüsiert. Maethorn verdrehte die Augen. Er hatte es nicht gerne gemacht und verspürte auch nicht den Drang es zu wiederholen.
Der Elb drehte sich langsam um. Er hatte es nicht nötig sich etwas sagen zu lassen, wer auch immer das sein mochte, solange sie keine Königin war, interessierte es ihn nicht weiter.

Vor ihm stand eine Kriegerin mit silberner Rüstung, die in der Sonne strahlte und Klingen, die eine Drachenhaut wie Stoff zertrennten. Aufmerksame türkise Augen stachen aus dem schmalen Gesicht hervor. Sie trug verzauberte Lederschuhe, durch die jede noch so kleine Erschütterung zu spüren war. An den Händen prangten Handschuhe mit unzähligen Ösen, sodass sie sich perfekt an die Haut anschmiegten und gleichzeitig kleine Stacheln besaßen, die schon so einigen Ungeheuern das Leben gekostet hatten.
Doch so gefährlich die über zwei Meter große Erscheinung auch war, so schön anzusehen war sie auch. Mit blonden Haaren, die ihr bis zur Hüfte reichten und zu jeder Zeit offen waren, einer niedlichen Nase, hohen Wangenknochen und einigen Verzierungen an den spitzen Ohren. Von der dünnen, trainierten Körperform hätte man annehmen können, dass sie eine Elbin war, doch nichts wäre weiter hergeholt gewesen.
Sie strahlte mit einem Licht, das vom Baum Laurelin selbst hätte kommen können, ein Glanz umgab sie wie ein Schleier. Nicht einmal Melian, die Maia hätte ihr gleichkommen können. Also was war sie? Eine Valier?

Maethorns Kinnlade fiel eine Fingerbreite unkontrolliert hinab. Er fühlte sich fast wie in einem Traum.
„Verzeiht", brachte er hervor und verbeugte sich.
„Erhebe dich", erlaubte die Frau mit einer galanten Handbewegung. Der ehemalige Heerführer musterte sie abermals und versuchte sich an die alten Geschichten zu erinnern, die von Zeiten erzählten, in denen die Valar noch Ausflüge in die östlichen Lande gemacht hatten.

„Ich wusste nicht, dass Vána, die Ewigjunge, wieder Reisen nach Mittelerde unternimmt", sagte er schließlich und sah fasziniert von einem auffallend türkisen Auge in das andere.
„Die Valier Vána weilt weiterhin in den Gärten Valinors. Mein Name lautet Moraîl. Das einzige, das uns verbindet, ist unsere Herkunft"
Auf den zweiten Blick erkannte Maethorn, was sie meinte. Sie leuchtete mit einer Schönheit, die man Vána, der Ewigjungen, hätte zuschreiben können, doch gleichzeitig war da noch ihre Erscheinung als Kriegerin, die dem Sanftmut der Valier widersprach.
„Und nun", fuhr sie fort, „sag mir die Wahrheit. Du als Heerführer wirst über alle Vorkommnisse in deinem Reich Bescheid wissen. Hat Prinz Ingil sich mit deinem König in Verbindung gesetzt?"
Der Elb runzelte die Stirn. Der Name sagte ihm etwas, doch er konnte ihm kein Gesicht oder Bedeutung zuordnen.
„Der Sohn König Ingwes, Herr über alle Elben dieser Welt, der sein Reich vom Fuße des Taniquetil regiert", half sie ihm auf die Sprünge.
„Nein, ich habe nie davon gehört, dass Prinz Ingil Aman verlassen habe", erwiderte Maethorn verwirrt. Genauso wenig hatte er immerhin von der Existenz dieses atemberaubenden Wesens gehört.
„Gut, dann habe ich wohl eine neue Heimstätte gefunden." Sie trat neben ihn an den Rand der Klippe, von wo aus er die Schlacht beobachtet hatte.
„Dein Volk ist sehr kampferprobt. Ich hoffe es wird diese Fähigkeiten nicht verlernen, bei ihrer Verbindung mit den Nanór. Es wird sie noch brauchen", sprach sie nachdenklich und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

Bevor er antworten konnte, sprang sie bereits einen großen Schritt vor und stürzte sich in die Tiefe.
Maethorn sah ihr ungläubig hinterher. Sein Falke breitete seine Schwingen aus, um sie zurückzuholen, doch sie verwandelte sich im Fall in einen mächtigen Adler. Weich bremste sie ihren Sturz ab und flog in Richtung Norden davon.
Der zurückgebliebene Elb schnaubte und schüttelte den Kopf. Egal, ob er nun den Vermittler zwischen seinem Volk und König Haryon spielen wollte, er musste ihr folgen und seine Leute warnen. Sie war immer noch eine Kriegerin und offenbar eine sehr gefährliche. Außerdem konnte er nicht leugnen, dass es ihn interessierte, was es mit ihr und dem Sohn des großen König Ingwes auf sich hatte.

Das Herz einer Schwester // Legolas FFWhere stories live. Discover now