2. Anders als vorher

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Am nächsten Morgen wacht Kyungsoo mit schmerzendem Nacken auf. Er muss gestern Abend im Sitzen eingeschlafen sein, irgendjemand hat den Fernseher ausgeschaltet und ihm eine Decke über die Beine gelegt. Kyungsoo schaut auf seine Armbanduhr. Gerade mal sechs Uhr ist es. Er beschließt, in sein Schlafzimmer zu gehen und sich noch für ein paar Stunden aufs Ohr zu legen.

Er durchquert gerade den Flur, da hört er Geräusche aus der Küche. Komisch, wer ist denn um diese Zeit schon auf? Gähnend schlurft er zurück, um herauszufinden, wer um sechs Uhr früh in der Küche herumwerkelt.

Als er die verwuschelten, braunen Locken sieht, weiß Kyungsoo sofort, um wen es sich handelt. Dabei ist Jongin das genaue Gegenteil von einem Frühaufsteher.

„Was machst du denn hier?", fragt Kyungsoo mit müder Stimme und lehnt sich gegen den Türrahmen. Mit verwirrtem Gesichtsausdruck dreht sich Jongin um. Als er Kyungsoo erblickt, weiten sich seine Augen.

„Oh, äh, ich konnte nicht mehr schlafen", stammelt er.

„Du und nicht mehr schlafen können", murmelt Kyungsoo. „Du schläfst doch sonst wie ein Stein."

Jongin erwidert nichts auf Kyungsoos Bemerkung. Nervös zupft er an seinen langen Fingern herum und Kyungsoo wird schon beim Zuschauen ganz unwohl.

„Ich geh mal wieder schlafen", murmelt er und will sich schon umdrehen, da ruft Jongin ihm hinterher.

„Warte mal!"

Überrascht hält Kyungsoo inne.

„Ich, äh, mache gerade Frühstück. Wenn du willst, kannst du mitessen", stottert Jongin. Eigentlich ist Kyungsoo viel zu müde, um jetzt schon etwas zu essen. Doch er kann Jongins Vorschlag nicht ausschlagen. So kaputt er auch sein mag, er freut sich umso mehr, dass Jongin mit ihm Zeit verbringen will.

„In Ordnung."

Jongin nimmt sich den trockenen Rest Baguette von der Küchentheke, aus dem Kühlschrank holt er eine Flasche Orangensaft. Nach einem üppigen Frühstück sieht das nicht aus, denkt Kyungsoo. Die beiden setzen sich an den Küchentisch und Jongin füllt den Orangensaft in zwei Gläser. Kyungsoo beobachtet dabei sein konzentriertes Gesicht und fragt sich, woher der plötzliche Wandel kommt.

„Sprichst du also wieder mit mir?"

Jongin verschüttet beinahe den Orangensaft, als er die Frage hört.

„Ich, ich hatte einfach nicht so viel Zeit", stammelt er. Eine braune Locke hängt ihm in der Stirn und Kyungsoo hat das Bedürfnis, sie wegzuschieben. Seltsamerweise sind Jongins Haare seit dem Auftritt von vor vier Tagen immer noch gewellt, obwohl sie eigentlich jeden Tag nach dem Training duschen. 

„Dabei waren wir doch abends immer wieder zu Hause. Da hätten wir reden können", murmelt Kyungsoo und schiebt sich ein Stückchen Baguette in den Mund. Jongin lacht unsicher und stellt die Orangensaftflasche auf den Tisch.

„Hat das was mit diesem Bild zu tun?", hakt Kyungsoo weiter nach.

„Mit welchem Bild?"

Kyungsoo mustert ihn durchdringend.

„Das, was Baekhyun von uns gemacht hat."

Jongin fährt sich mit der Hand durch die Locken, sodass sie ihm nur noch mehr vom Kopfe abstehen. Schon wieder lacht er unsicher, sein Blick klebt auf der Orangensaftflasche. Weil er nichts sagt, ergreift Kyungsoo das Wort.

„Es ist doch nur ein Bild. Natürlich ist es blöd, dass das jetzt so viel Aufmerksamkeit erregt hat. Aber wir können die Zeit halt nicht zurückdrehen. Es ist wie es ist."

„Es ist ja nicht nur das", setzt Jongin an, unterbricht sich aber sofort wieder.

„Was ist es denn dann?", fragt Kyungsoo, doch Jongin schüttelt nur mit dem Kopf.

„Ohne dich macht es irgendwie keinen Spaß. Ich meine, wir sind so gute Freunde und ich will ja auch Zeit mit dir verbringen. Aber es ist irgendwie anders als vorher", sagt er leise und schiebt dabei mit den Fingern einige Krümel zusammen. Seine Worte stechen Kyungsoo mitten ins Herz. Warum kann nicht alles wieder wie vorher sein? Warum geht das jetzt nicht mehr?

„Aber was ist denn anders?"

Jongin hebt zögerlich den Blick und Kyungsoo kann in seinen Augen eine Schwere sehen, die er vorher noch nicht darin gesehen hat. Kyungsoo mustert kurz die Narben von Jongins Doppel-Augenlid-Operation, die mittlerweile schon stark verblasst sind. Er erinnert sich daran, wie Jongin damals nach dem Tanztraining zu ihm gekommen ist und ihm ganz aufgelöst davon erzählt hat, was die von SM mit ihm vorhaben. Kyungsoo konnte damals nichts anderes tun, als ruhig auf ihn einzureden. So sei das nun mal. Er würde danach unwiderstehlich aussehen. Jongin hatte sich damals erstaunlich schnell mit seinem Schicksal abgefunden. Am Ende war er sogar ein bisschen aufgeregt gewesen, im positiven Sinne, als der Tag des Eingriffs bevorstand.

„Ich weiß nicht."

Ich weiß nicht, wiederholt Kyungsoo in seinem Kopf und schaut in Jongins Augen, die größer sind als noch vor einem Jahr. Wieso weißt du das nicht?

„Können wir nur wegen so einem blöden Foto jetzt keine Freunde mehr sein? Ich versteh dich nicht", Kyungsoo merkt, wie seine Stimme lauter wird. Obwohl er jetzt keinen Deut mehr müde ist, steht er auf. „Ich leg mich wieder hin."

Jongin nickt nur. Mit einem Kloß im Hals verlässt Kyungsoo die Küche. Ihm ist schlecht. 


KaiSoo: 180° [EXO Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt