Glücklich

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Nach dem Essen habe ich mich mit Mina zurückgezogen und noch einmal eingehend gesprochen. Sie ist nach wie vor skeptisch und noch immer der Meinung, dass ich am sogenannten Stockholm- Syndrom leide. Bei diesem verliebt sich die Entführte in den Geiselnehmer. Indirekt stimmt diese Tatsache, doch bei mir war es etwas anderes. Immerhin hat er mir erst mehrmals mein Leben gerettet und mir schließlich freigestellt, ob ich bleibe oder nicht. All das würde ein Geiselnehmer für eine Entführte, die unter dem Stockholm-Syndrom leidet, nicht tun. Nicht nur ich bin in Eliandro verliebt, sondern er auch in mich. Mina hat mir nach der Diskussion versprochen, ihm eine Chance zu geben. Anschließend erzählte mir meine beste Freundin alles, was sich in Phoenix abgespielt hat und wie sie mithilfe der Gang herausfand, dass Eliandro mich gekauft hat.

Jetzt aber sprechen wir über Minas Gefühle. „Als ich gemerkt habe, dass du entführt worden bist, habe ich beschlossen, wieder die alte Mina zu werden vor Dave und habe Rache geschworen, vor allem an Jacksons Komplizen und an deinem Entführer."

„Hat's geklappt oder eher nicht?"

„Tagsüber hat mich die Suche wirklich wieder kalt und unnahbar gemacht, aber nachts...", gibt meine beste Freundin zu und unterbricht kurz.

„Nachts hat dich der Schmerz überrollt", beende ich ihren Satz.

„Anfangs ja", gesteht sie, „aber dann haben sich meine Alpträume gewandelt. Ich habe nicht mehr davon geträumt, dass Dave vor meinen Augen verschüttet wird und all so ein Zeug, sondern dass er neben mir liegen würde. Ich habe im Traum gespürt, dass er mich umarmt, mich auf seiner Brust schlafen lässt. Ich bilde mir sogar ein, dass sein Geruch auf der mehrfach gewaschenen Bettdecke haftet." Damit habe ich nicht gerechnet und lasse sie daher einfach weitersprechen. „Es ist nicht jede Nacht so. Zwischendurch habe ich auch geglaubt, ich drehe einfach völlig durch. Da war nachts in meinem Kopf eine Person, die mir Ratschläge gab – das konnte beziehungsweise kann nicht normal sein. Zwischendurch glaubte ich sogar wach zu sein und Dave neben mir liegen zu sehen. Ich habe mit Skyler gesprochen und er hat die Überwachungskameras am Gebäude gecheckt – nichts. Letztendlich ist er tot, aber genau das scheint mein Herz oder Hirn nicht akzeptieren zu wollen. Aber ich kann auch nicht zu einem Arzt gehen, zu groß ist die Angst, dass er mir das Letzte nimmt, was ich noch von ihm habe – auch wenn es nur ein Traum ist. Außerdem bekäme ich Probleme mit der Flugtauglichkeit."

„Wow", bringe ich nach einigen Sekunden schließlich hervor, da ich mit so etwas nie gerechnet hätte.

„Bitte halte mich nicht für verrückt." Flehend sieht sie mich an.

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich davon halten soll, aber es scheint mir eine Art der Trauerbewältigung zu sein. „Das tue ich nicht", beruhige ich sie daher, frage aber: „Ist es immer noch so?"

Meine beste Freundin nickt, schüttelt dann aber den Kopf. „Seit ich in Italien ankam, nicht mehr. Das heißt aber nichts, in Phoenix war es auch unterschiedlich."

Auch wenn Mina nach außen hin taff wirkt, ist sie alles andere. Ihr Herz ist nach wie vor gebrochen und sie braucht dringend ihre beste Freundin, um den Verlust ihres Freundes zu verarbeiten. So wie es sich bis jetzt gestaltet, kann es auf gar keinen Fall weitergehen. Daher fasse ich einen Entschluss: „Ich werde mit nach Phoenix kommen, um dir helfen und Daves Mörder zu schnappen."

Kurz sieht sie mich ungläubig, dann erleichtert und glücklich an, bevor sie mich fest umarmt. „Danke. Ich wusste, du kommst zur Vernunft."

Abrupt löse ich mich von ihr. „Das heißt nicht, dass ich Eliandro verlasse", stelle ich klar. „Er möchte auch den Mörder seines Cousins erwischen. Daher werde ich gleich mit ihm sprechen, ob er uns begleitet. Bitte gib ihm eine Chance." Flehend sehe ich sie an, ich möchte niemanden verlieren.

HELenAWhere stories live. Discover now