Dunkelzimmer

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Ich zittere wie Estenlaub. Eliandro hat mich nach oben in mein Zimmer gezerrt und die elektrischen Rollläden, die ich nie geschlossen habe, herabgelassen. Verwundert habe ich sein Tun beobachtet. Nur im Kunstlicht saß ich im Bett und habe mich gefragt, ob die Verwehrung des Ausblicks die Strafe wäre. Doch dann wurde ich eines Besseren belehrt. Das Licht erlosch, ich saß im Dunkeln. Panisch bin ich aufgesprungen und habe nach längerem Tasten den Lichtschalter gefunden. Doch egal, wie oft ich diesen betätigte, es blieb dunkel. Mein nächstes Ziel war die elektrische Rollladensteuerung, aber auch sie reagierte nicht mehr. Ganz allmählich wurde mir klar, was Eliandro getan hat: Die Stromzufuhr für dieses Zimmer mittels Sicherung gekappt. Auch meine letzte Hoffnung, das Licht im Badezimmer, starb.

Nun versuche ich meine Panik unter Kontrolle zu halten. Nie hatte ich ein Problem mit Dunkelheit, doch seit mich Francesco in der Folterkammer allein im Dunkeln allein gelassen hat, habe ich Angst. Genau wie dort habe ich das Gefühl, mich würde die allumgebende Schwärze erdrücken. Ich wünschte mir, ich hätte eine Kerze hier im Zimmer, doch dem ist nicht so. Ich kenne den Inhalt aller Schränke. Nichts, aber auch rein gar nichts, kann mir Licht spenden. Selbst unter dem Türspalt fällt nichts hindurch. In der Nacht hat Eliandro mir einen Kakao mitgebracht und jetzt bestraft er mich mit dem, was mir am meisten Angst bereitet. Ich versuche ruhig zu atmen und Schlaf nachzuholen. Das Adrenalin aber pumpt durch meine Venen und lässt mich nicht zur Ruhe kommen. „Es ist nur ein dunkler Raum, niemand kann dir etwas tun", wiederhole ich wie ein Mantra in meinem Kopf.

Dann plötzlich kommt mir eine Idee. Eine Idee, die eventuell funktionieren könnte, wenn ich mich nur konzentriere. Ich tapse ins Bad und ertaste die elektrische Zahnbürste, in der sich zwei AA-Batterien befinden. Mit der Zahnbürste bewaffnet, setze ich mich ins Bett. Die Öffnungskappe habe ich schnell gefunden und entfernt, genauso wie die Batterien herausgenommen. Jetzt kommt der schwierigste Teil: Ich muss an die Kabeldrähte der Nachttischlampe gelangen, aber ich habe keine Schere. Mit Gewalt versuche ich das Kabel aus der Schalteinheit zu ziehen, jedoch ohne Erfolg. Ich möchte schon die Hoffnung aufgeben, da ertaste ich die Schlitzschraube, mit der die Schalteinheit geöffnet werden kann. Ich verlasse mein Bett und taste nach speziellen Schuhen, die eine Schnalle haben, mit der ich die Schraube öffnen könnte. Meine Panik hat sich genau wie meine Müdigkeit verflüchtigt. Ich habe Hoffnung; Hoffnung, die mich antreibt. Ich entferne das Riemchen aus der Schnalle und versuche mit dieser die Schraube zu öffnen. Mehrfache rutsche ich ab, sodass sogar ein Nagel einreißt und meine Finger schmerzen, doch ich gebe nicht auf. Nach schier endlosen Minuten – leider funktioniert meine einzige Uhr im Fernseher auch nicht mehr – habe ich mein Ziel erreicht. Nun gelingt es mir die Drähte aus der Halterung zu einreisen. Es sind drei Kabel, eins davon die Erdung, die ich nicht gebrauchen kann. Ich bin gerade so froh, dass Minas Vater uns all diese Sachen beigebracht hat – ohne die Kenntnisse würde ich gerade verzweifeln. Ein Kabel halte ich je an den Plus- und den Minuspol. Nach dem dritten Versuch habe ich es endlich geschafft: die Lampe leuchtet ganz schwach, aber sie leuchtet. Genauso müssen auch meine Augen vor Freude leuchten. Ein Problem habe ich aber noch: ich muss die Drähte befestigen. Zum Glück habe ich noch ausreichend Tesafilm an meinem Schreibtisch kleben. Vorsichtig lege ich die Batterie mit den Drähten hin, um diese gleich nicht wieder zu verwechseln. Natürlich erlöscht das Licht, aber da ich es jederzeit wieder anschalten kann, bleibt die Panik aus. Stattdessen taste ich nach zwei Klebestreifen, die ich erstaunlich schnell wiedergefunden habe und klebe damit die Drähte an den jeweiligen Polen fest. Jetzt habe ich ein schwaches Licht. Vor Erleichterung seufze ich auf und räume mein Chaos auf. Den Stecker der Lampe sowie die zweite Batterie verstecke ich in einem Winterschuh. Die Zahnbürste, die jetzt keine Batterien mehr hat, stelle ich zurück ins Bad. Jetzt, wo ich meine Mission beendet habe, übermannt mich die Müdigkeit. Schnell gehe ich noch auf Toilette und danach sofort ins Bett, wo ich augenblicklich einschlafe.

HELenAWhere stories live. Discover now