Die schwerste Entscheidung meines Lebens

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Es war der 13. August, ein warmer sonniger Sommertag. Steff und Joris hatten beschlossen ein gemeinsames Picknick zu zweit am See zu machen. Sie wollten mit ihren Motorrädern zum See fahren und hatten Nowi gefragt, ob er auf den kleinen aufpassen könnte. Er passte auf den kleinen auf und Steff und Joris machten sich mit ihren Motorrädern auf den Weg zum See.
Doch dann passierte es, auf der Fahrstrecke, es war nicht mehr weit zum See. Ein LKW-Fahrer war abgelenkt, abgelenkt durch heißen Kaffee, den er sich aus Versehen übergeschüttet hatte. Er bekam nicht mit, dass er die Fahrbahn gewechselt hatte und auf der anderen Fahrbahn war. Steff versuchte auszuweichen, rutschte aber mit den Rädern des Motorrads ab und schleuderte im hohen Bogen über die Leitplanke und landete mit dem Kopf voraus auf dem Feld, neben der Straße. Joris bemerkte es nicht, da er durch Steff abgelenkt war und krachte mit dem LKW zusammen. Dem LKW-Fahrer war nichts passiert und er rief sofort den Rettungsdienst.
Als der Rettungsdienst kam, fingen sie an Joris wieder zu beleben, anhand der Herzdruckmassage. Das andere Sanitäter Team kümmerte sich um Steff, ihr Herz schlug, aber sie war nicht ansprechbar, ihr Kopf war ganz kalt aber ihr Körper ganz warm. Sie untersuchten sie und machten Steff fertig zum Abtransport und sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Joris wurde bereits seit ca. 15 Minuten reanimiert, bis die Sanitäter beschlossen aufzuhören, es machte keinen Sinn mehr. Joris war bereits Tod, schon bevor die Sanitäter ankamen. 
Steff kam im Krankenhaus an und sie wurde vollständig untersucht, wobei herauskam, dass Steff Hirntod ist. Ich wurde von den Krankenschwestern angerufen, da Steff einen Zettel bei sich hatte mit meiner Telefonnummer darauf, falls was sein sollte. Ich ging also in den Flur, da ich gerade bei Hannes war. Im Flur lehnte ich die Tür an und ging an mein Handy und meldete mich mit „Guten Tag, Herr Stolle am Apparat“, weil ich die Nummer nicht kannte. „Guten Tag Herr Stolle, hier ist Schwester Claudia aus dem 3-Engel-Krankenhaus, die Frau Kloß wurde soeben hier eingeliefert…“, meldete sich eine sympathische Frauenstimme. Mir schossen so viele Gedanken in den Kopf, „Was ist passiert? Wie geht es ihr? Ist sie verletzt?“, aber ich ließ Schwester Claudia ausreden. „… wir haben sie genauer untersucht und mussten aber leider feststellen, dass sie Hirntod ist, wir haben sie an die Geräte angeschlossen, um vorerst ihre Organe am Leben zu erhalten, sie müssten sich entscheiden, ob sie die Geräte abstellen lassen wollen und Frau Kloß gehen lassen wollen oder ob sie die Geräte vorerst anlassen wollen, um ihre Organe am Leben zu erhalten. Natürlich haben sie die Zeit darüber nachzudenken und ich weiß auch nicht, ob Frau Kloß einen Organspende Ausweis hat, um ihre Organe zu spenden, wissen sie da was drüber?“, erklärte und fragte die Krankenschwester mich. „Sie hat glaube ich keinen Spenderausweis, da sie es nicht wollte, das hatte sie mir ausdrücklich gesagt und sie hätte mir auch gesagt, wenn sie einen gehabt hätte. Ich würde gerne das die Geräte an bleiben, um in Ruhe darüber nachzudenken, da sie einen kleinen Sohn hat.“, antwortete ich mit Tränen in den Augen und mit einer zittrigen Stimme. „Ok, dann lassen wir die Geräte vorerst an… gut, das war es dann vorerst. Bei Fragen melden wir uns. Auf wiedersehen“, sagte sie und wir legten auf.
Als ich vom Telefonat zurückkam, brachte RTL den Unfall. „Hoffentlich geht es Steff und Joris gut, schließlich ist das deren Strecke zum See gewesen.“, meinte Hannes zu mir. „Der eine Fahrer muss wohl sofort am Unfallort verstorben sein“ Ich sagte vorerst nichts, da ich nicht reden konnte, vor innerer Unruhe mit dem Thema, aber ich musste es erst verarbeiten, bis ich darüber reden konnte. „Ich bin kurz draußen!“, sagte ich kurz, ging raus und setzte mich auf die Treppe vor die Tür. Mir liefen Tränen und ich schaute mir Bilder mit Steff an.
Als Nowi und Leo vom Spielplatz zurückkamen, wischte ich mir schnell die Tränen weg. „Thomas!!“, rief Leo überglücklich und rannte zu mir. „Hey! Langsam!“, ich schmunzelte und nahm ihn auf den Arm als er bei mir ankam. „Wie war es beim Spielplatz?“, fragte ich ihn und täuschte die Glücklichkeit vor. „Gut! Wann kommen Mama und Papa?“, fragte er neugierig. „Sie kommen bald mein großer! Gibst du Onkel Thomas ein Kuss?“, antwortete ich ihm und wusste das ich log. „Ok“, er gab mir einen Kuss und ging dann rein zu Hannes spielen. Nowi blieb noch kurz draußen bei mir. „Du hast wieder geraucht, stimmts?“, fragte mich Nowi. „Man ja… ja, ich habe geraucht…“, sagte ich ihm offen und ehrlich ins Gesicht. „Was ist los mit dir? Irgendwas ist, das merke ich…!“, fragte er mich fürsorglich. „Es ist nichts, das bildest du dir nur ein.“, versuchte ich ihm vorzuspielen, aber es funktionierte nicht und ich brach in Tränen zusammen. „Hey!! Psss“, versuchte er mich zu beruhigen. „Joris ist Tod!!“, sagte ich und bekam nichts anderes mehr raus. „Wait! What? Was ist mit Steff? Geht es ihr gut?“, fragte er besorgt. „Es geht ihr gar nicht gut! Sie ist Hirntod, ihre…“, sagte ich und wurde dann unterbrochen, da Hannes rauskam, weil er sich bereits Sorgen machte. „Wer ist Hirntod?“, fragte er. „Steff ist Hirntod! Steff und Joris hatten den Unfall, der vorhin im TV lief! Joris ist am Unfallort verstorben! Der Anruf… das war eine Schwester aus dem Krankenhaus… ich muss entscheiden, ob Steffs Organe am Leben gehalten werden oder ob Steff für immer, vollständig von uns geht… Hinzu kommt der Kleine… Ich weiß nicht was besser ist…“, sagte ich unter Tränen mit einer zittrigen Stimme. „Du musst da nicht allein durch! Wir helfen dir und unterstützen dich! Mach dir keinen Kopf um den kleinen, wir können das Büro ausbauen und ein wunderschönes Kinderzimmer draus machen und wenn du möchtest, dann können wir zu Steff ins Krankenhaus fahren und je nach Lage entscheiden.“, meinte Hannes. „Steff hätte sich keine erweiterten Lebensbedingungen gewünscht, sie hat sich nie wirklich gewünscht, dass ihre Organe am Leben gelassen werden, und ich denke sie hätte sich gewünscht, wenn es mal so weit kommt, dass sie an keine Geräte kommt, die ihre Organe am Leben erhalten, ich denke es wäre besser, wenn die Geräte ausgeschaltet werden und Organspender die Geräte bekommen, so können andere Leben gerettet werden.“, sagte ich und rief im Krankenhaus an und ließ die Geräte ausstellen. Damit war Steff nun vollständig von uns gegangen, aber sie hätte es sich nie gewünscht.

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