Die Tür vom Badezimmer öffnete sich und ich zuckte zusammen. Scheiße. Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und versuchte ein Lächeln aufzusetzen, was mir kläglich misslang.

»Katharina ...«

Malenas Stimme wurde immer leiser, bis man das Ende von meinem Namen gar nicht mehr hörte. Sie schlug die Hand vor den Mund und sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Ich hätte auf das Klo im Gang gehen sollen, dort hätte Malena mich nicht bemerkt.

»O nein«, fügte sie noch die beiden Worte hinzu, die kaum zu hören waren. Beschämt sah ich zu Boden und zwickte mich unauffällig in den Oberschenkel, der mit der Schere keine Bekanntschaft gemacht hatte. Denn den anderen starrte Malena gerade entsetzt an und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Warum war ich nur so schwach und konnte mich nicht zusammenreißen? Warum war ich nur so dumm? Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem Malena nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, da war ich mir sicher.

»Katha«, sagte sie wieder, aber die Worte schienen ihr im Hals stecken geblieben zu sein und sie räusperte sich leise. Nun sah ich sie nach kurzer Überwindung an und erstarrte, als ich eine Träne auf ihrer Wange sah. Ihre Augen waren feucht.

»Tut mir Leid«, erwiderte ich daraufhin mit kratziger Stimme. So schrecklich hatte ich selten geklungen. Ich hatte mich nur ein wenig gekratzt. So schlimm war das nicht, es hätte schlimmer sein können.

»Du musst dich dafür doch nicht bei mir entschuldigen, eher bei deinem Körper«, berichtigte Malena mich und stand immer noch wie angewurzelt da. Schließlich schloss sie die Tür und kam auf mich zu.

»Ich habe die Schere gehört, zum Glück«, erklärte sie ihr Auftauchen und nahm mich in den Arm. Wohlige Wärme und ein Gefühl der Sicherheit kam in mir auf.

»Du hättest mich aufwecken sollen.«

Ich schwieg. Ich hätte sie ganz bestimmt nicht aufwecken sollen. Eigentlich hätte sie davon gar nichts erfahren sollen, aber das hatte ja nicht besonders gut geklappt. Trotzdem war ich froh, dass sie hier gerade bei mir war.

»Mach bitte nie wieder so etwas Dummes oder gar Schlimmeres«, flehte Malena mich verzweifelt an und ich hörte, wie sie mit den Tränen kämpfte. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich wollte sie damit nicht traurig machen. Ich löste mich etwas von ihr, auch wenn mein Körper das Gegenteil wollte. Es war besser so.

Minuten saßen wir einfach nur nebeneinander auf dem kalten Boden und sagten gar nichts.

»Sagst du es bitte niemanden?«, fragte ich irgendwann vorsichtig in die Stille und rechnete schon mit dem Schlimmsten, aber nahm wahr, wie Malena nickte. Vor Erleichterung ergriff ich das erste Mal die Initiative und umarmte sie dankend.

»Danke«, hauchte ich und spürte wie Malena mich näher an sich zog.

»Bitte sag mir, dass du das das erste Mal gemacht hast«, wisperte sie fast schon flehend.

»So schlimm wie heute hab ich es noch nie gemacht«, antwortete ich schließlich ausweichend und hoffte, Malena beließ es dabei.

»Bitte hör auf damit, deinem Körper mit Absicht Verletzungen zuzufügen«, bat Malena mich und ich spürte etwas Nasses an meiner Stirn. Malena weinte jetzt doch nicht wegen mir?

»Bist du nicht müde? Du solltest schlafen gehen. Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe, das wollte ich wirklich nicht«, wich ich ihrer Bitte aus und hoffte, dass Malena vergaß, wieso wir hier saßen.

»Das ist doch jetzt nicht dein Ernst? Dir geht es gerade total schlecht, was übrigens auch nicht zu übersehen ist, und du sorgst dich ernsthaft darum, dass ich jetzt wach bin?«, fasste sie mit fester Stimme zusammen und ich nickte. Ich wollte gar nicht wissen, wie schrecklich ich aussah. Wahrscheinlich viel schlimmer als ich es mir vorstellen konnte.

Mehr als nur extrem schüchtern | ✓Where stories live. Discover now