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Es gibt nicht viele Leute in meinem Leben, die von meinem Vater wissen. Die ihn kennen. Nicht mal Anda hat ihn kennengelernt, da er starb, als Mum gerade mit Anda schwanger war. Wir kamen nach Deutschland und vergaßen ihn einfach... Zumindest versuchten wir es. Die ersten Wochen war es noch besonders schwer. Immer, wenn ich meine Mum anschaute und ihre blauen Flecken und die Wunden und Narben sah, hatte ich direkt wieder das Bild von meinem Vater vor Augen, wie er auf sie einschlug, sie anschrie, beleidigte und gar nicht mehr aufzuhören schien.

Ich hasste ihn dafür, dass er uns das angetan hatte und vor allem sich selbst. Er war kein schlechter Mann gewesen und erstrecht kein schlechter Vater. Der Alkohol hatte das aus ihm gemacht. Die Sucht.

Ich kann mir bis heute nicht erklären, was er versucht hat, im Alkohol zu finden. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt etwas gesucht hat oder doch einfach nur geflohen ist. Klar ist nur: Es war deutlich einfacher, sich jeden Tag die Kante zu geben und seine Frau und seinen Son zusammenzuschlagen als sie liebevoll zu umsorgen.

Ich will nicht mal behaupten, dass ich unschuldig war und etwas Besseres verdient hätte. Ich war schon immer schwierig. Ich hatte große Träume und genau durchdachte Pläne, wie ich diese verwirklichen kann. Ich war nie zufrieden mit dem, was wir hatten. Ich wollte immer mehr und mehr. Damals war ich noch fleißig, habe mir Mühe gegeben, hatte Ziele...

Wann genau das mein vergangenes Ich wurde, weiß ich nicht. Aber es ist echt seltsam, dass ich selbst heute noch in den Spiegel sehe und mich selbst nicht wiedererkenne. Ich meine klar sehe ich anders aus als mit 5. Ich bin erwachsen geworden. Aber ich meine eben nicht nur optisch. Ich habe mit dem Jungen von damals rein gar nichts mehr gemeinsam und ich habe keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist.

Dass Karim von meinem Vater wusste, hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht. Das beschäftigte mich selbst noch Tage und Wochen später.

Mein Vater hatte nie Fuß auf deutschen Boden gesetzt. Er war seit 12 Jahren tot. Entweder hatte Karim also verdammt gut geraten, was ihn anging, oder Kaan hatte schon deutlich länger ein Auge auf mich geworfen als bisher angenommen...

Und dann war da noch, was Karim gesagt hatte. „Alles, was du kannst, ist dämlich um dich schlagen. Genau wie dein Vater"

Ich fragte mich, ob er recht hatte. War ich wie mein Vater? Tat ich Leuten, die ich lieben sollte, nur weh? Waren all meine Versuche, ihnen etwas zu bieten, vergebens?

Ich fühlte mich seitdem nicht nur schmutzig und schwach, sondern auch wie ein Versager. Wie jemand, der nichts auf die Reihe bekam, zumindest nichts Gutes. Wie jemand, der vielleicht besser tot wäre.

Kaan hatte mir schon vor ein paar Tagen den Tresor zur Verfügung gestellt, um zu üben. Aber obwohl ich geglaubt hatte, es würde mir sogar ganz guttun, mich konzentrieren und ruhig werden zu müssen, machte das irgendwie alles nur noch schlimmer. Ich brauche Ablenkung. Andere Gedanken. Irgendetwas Gutes.

Ich wusste selbst, dass ich das nicht tun sollte. Zu Tony gehen. Doch trotzdem zog es mich, seit ich wusste, dass er von seiner Weltreise zurück war, immer wieder zu ihm. Nicht, um mit ihm zu reden oder um ihn zu umarmen, sondern einfach, um ihn anzusehen und zu begreifen, dass die Welt, solange er dort war, kein schlechter Ort sein konnte.

Vermutlich würde es mir guttun, mal alles zu vergessen und mich mit ihm ins Bett zu chillen und ruhig irgendeine Musik zu hören. Doch ich konnte ihm so nicht mehr unter die Augen treten. Nicht nach dem, was ich getan hatte.

Immer wieder versuchte ich mich damit zu verteidigen, dass ich es für Lion getan hatte. Um ihn zu beschützen. Ich bereute es ja auch gar nicht, ich wusste, dass es notwendig gewesen war. Und trotzdem sah ich immer, wenn ich meine Augen schloss, Theos Leiche vor mir und somit das, was ich im Stande war zu tun, wenn es hart auf hart kam.

Ace - guns, drugs and loveDonde viven las historias. Descúbrelo ahora