#40 Lillyy

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Als Blake nach Hause kam machte er sich erstmal einen Kaffee. Der Unterricht war anstrengend und heute war er generell nicht wirklich bei der Sache. Claire brachte ihn zum verzweifeln. Diese Kurzschlussreaktion letzte Nacht ließ ihn nicht in Ruhe. In Gedanken nippte er an der Tasse und fing augenblicklich an zu husten. Frisch gezogen war dieses schreckliche Gebräu einfach viel zu heiß. Mit einem strafenden Blick zu der schwarzen Tasse ließ er sie in der Küche auf der Arbeitsfläche stehen. In seinem Schlafzimmer liefen seine Gedanken dann komplett Amok. Prinzipiell reichte es, in der Tür zu stehen. Seine Hand lag bereits auf dem Lichtschalter, aber diese Dunkelheit des Raumes lenkte ihn völlig ab. Vom Fenster trat ein wenig Tageslicht ein, was Blake jedoch gar nicht wirklich registrierte. Er starrte auf das leere Bett, indem die Bettdecke unordentlich nach Hinten geworfen war. Sein Blick fiel auf den Kleiderschrank, aus dem nun ein Hemd fehlte, was aber natürlich nicht störte. Und zu guter Letzt an die Wand hinten im Zimmer, zu der man denke ich mal nichts weiter kommentieren muss. Er spürte förmlich ihre Wärme, aber dennoch durchfuhr ihn ein Zittern vor Einsamkeit. Verzweifelt versuchte er einerseits die Gefühle zu verdrängen, aber andererseits dieses wunderbare Adrenalin, welches seinen ganzen Körper eingenommen hatte, nach zu empfinden. Tief durchatmend drückte er nun doch auf den weißen Schalter und damit, dass die Lampe aufleuchtete, fing sich der junge Lehrer wieder. Kopfschüttelnd lief er zum Nachtschrank und kramte ein Foto aus einer der Schubladen. Während er es betrachtete ließ Blake sich aufs Bett fallen und versank erneut in Gedanken. 

Das Foto zeigte ein älteres Mädchen in Claires Alter mit kurzen braunen Locken, welche Wild im Wind wehten. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Lächeln dafür umso breiter. Im Hintergrund sieht man Bäume und einige Blumen an einem Fluss. Das Bild hat Blake geschossen, entstanden bei ihrem letzten gemeinsamen Date in Form von einem simplen Picknick am Fluss. Damals war er selbst ebenfalls 15 gewesen. Das genaue Datum und ihr Name "Lilly" stand auf der Rückseite. In den letzten zehn Jahren hatte er es sich einige Male angesehen und rief sich dementsprechend oft den Tag ins Gedächtnis zurück, weshalb er sich mit jetzt 25 immer noch daran erinnern konnte. 

Mitte Mai und traumhaftes Wetter. Genau das hat Connor sich gewünscht, denn was gibt es schöneres, als an einem freien Schultag mit seiner Freundin picknicken zu gehen. Es war schon beinahe verrückt, wie aufgeregt er war, obwohl sie schon sehr lange zusammen waren und dementsprechend viele Dates hatten, aber im Grunde wäre es ja traurig, wenn die Vorfreude mit der Zeit abklingt. Den Vormittag verbrachte er damit, Sachen zusammen zu suchen und mit Lilly zu schreiben, obwohl sie sich in ein paar Stunden persönlich unterhalten würden. Gegen 16:30 Uhr verabschiedete er sich von seiner Mutter und fuhr mit dem Fahrrad ein paar Straßen weiter, um perfekt seine Freundin abzuholen, welche gerade dabei war, ihr Fahrrad aus dem Schuppen zu ziehen. Sie gaben sich einen schnellen Kuss zur Begrüßung und radelten dann weiter. Auf dem Weg zu dem nahegelegenen Fluss erzählte das Mädchen in einer Tour von ihren Eltern, welche ganz besessen waren, bei dem anstehenden Stadtfest Tickets für die Bootstour zu ergattern. Sie selbst würde nämlich auch mit müssen, obwohl sie absolut keine Luft darauf hatte. Das hatte an sich nichts mit der Tour auf dem Wasser zu tun, allerdings war das Fest geplant als riesiges Event mit vielen Aktivitäten, bei dem sie gerne bei ihrem Freund gewesen wäre. Immerhin findet dieses Fest nur alle 50 Jahre statt, was den Aufwand definitiv gerechtfertigt. Umso besonderer ist es dann, es in diesem perfekten Alter mitzuerleben, aber nein, bei dieser Entscheidung wird sie nicht gefragt. Zu ihren Pech sind ihre sturen Eltern, die oft dazu neigen etwas überfürsorglich für ihre Tochter da zu sein, auch so überzeugt davon, dass Lilly nichts anderes übrig bleibt, als sich zu fügen. Connor bemitleidet sie häufig dafür und besonders für diesen Tag ist er absolut einer Meinung mit seiner Freundin. Seine Eltern sind da etwas praktischer. Mit Wasser haben sie sowieso nicht viel am Hut und grundsätzlich ist es ihnen egal, ob ihr Sohn sie begleiten würde oder nicht. Ist doch eigentlich mal ganz schön, für einen Tag los von den nervigen Jugendlichen zu sein. Bevor sie allerdings weiter in hoffnungslose Eventplanung verfielen kamen sie an einem kleinen, provisorischen Fahrradständer an. Von hier aus gingen sie einfach zu Fuß auf dem steinigen Weg. Diese Regelung war echt schön, da man einfach seinen Spaziergang genießen konnte, ohne nervige, drängelnde Fahrradfahrer, die mit schrillen Klingeln die friedliche Natur störten. Tatsächlich brauchte es eine Weile, bis sie einen geeigneten Platz fanden, an dem sich noch keine Menschen niedergelassen hatten. Das schöne war allerdings, dass ihr Wiesenstück sowieso ungestörter, fern vom Weg war und damit eine gewisse Romantik zu ließ. Connor breitete eine rot-karierte Picknickdecke aus, woraufhin Lilly den prall gefüllten Korb in die Mitte stellte. So setzten sie sich erstmal hin und guckten auf den Fluss direkt vor ihnen. Leise schlugen kleine Wellen gegen Steine und Vögel zwitscherten. Es roch nach Frühling und ein bisschen auch nach Regen, aber der sollte laut Wetterbericht noch ein bisschen fern bleiben. Und wenn man schon auf so einem menschenlosen Plätzchen liegt, in den Himmel schaut, beginnen solche "weißt du noch Momente". Ihr erstes Date fand nämlich genauso statt. Es war zwar damals Herbst gewesen, aber trotzdem gingen sie spazieren und genossen die bunten Farben, der kühler werdenden Jahreszeit. "Ich weiß noch, wie alle uns für verrückt erklärt haben, als wir zusammen kamen. Ich meine, das war immerhin vor eineinhalb Jahren... ich war noch nicht mal 14", Lilly rollte sich auf die Seite, um ihren Freund anzusehen, wobei sie ihren Kopf auf ihren rechten Arm stützte. "Nur ein Monat, dann warst du auch 14", erinnerte Connor schmunzelnd, "aber ja, stell dir vor, wir hätten auf die neidischen Leute gehört". Das Mädchen lachte und zeigte ihm einen Vogel. "Niemals. Das wäre niemals passiert". Sie lehnte sich vor, beugte sich über ihn und küsste zärtlich seine Lippen. Sofort legte er eine Hand in ihren Nacken und erwiderte. Ganz ungezwungen, ganz sanft bewegten sie ihre Lippen gegeneinander, bis sie sich kurz darauf wieder lösten. "Und das ist auch gut so. Wenn nicht dich, dann niemanden". Sie waren so glücklich zusammen, dass es fast schon wie im Märchen war. Wie ein Film, bei dessen ersten Minuten man schon weiß, dass dieses Traumpärchen am Ende für immer zusammen bleiben würde. Aber so ist es nicht. So wird es niemals sein. Und hätte Connor gewusst, was passiert, hätte er den Augenblick mehr genossen. Aber jetzt würde er nie wieder so friedlich auf den Fluss schauen können.

Das Bild war zwischen dem Essen und Baden entstanden. Die Erinnerung schmerzte, weshalb er das Papier lieber zur Seite legte und wieder aufstand. Gezielt lief er zu seinem Kleiderschrank, um sich etwas gemütliches anzuziehen. 

Als er dann wieder in der Küche war sah er die schwarze Tasse... Er nahm einen kleinen Schluck und verzog angewidert das Gesicht, da sein Kaffee mittlerweile kalt geworden war. Genervt stöhnte er auf und kippte schweren Herzens das misslungene Getränk in die Spüle. Während er sich nun auch Mal dem Geschirrhaufen an der Seite widmete und warmes Wasser ins Spülbecken laufen ließ überlegte er, was an Claire so besonders war, dass er Lilly vergessen konnte. Als sie noch da war hatte er ihr gesagt, er könnte mit niemandem außer ihr glücklich werden und nachdem sie schließlich weg war bestätigte sich dies. Er suchte nie, aber er konnte sich einfach auf nichts und niemanden einlassen. Er war ja schließlich auch noch relativ jung. Aber bei Claire war es einfach so passiert. Vielleicht ja nur, weil es eine einmalige Sache war, aber trotzdem hat er nicht mal darüber nachgedacht. Er verfluchte das Leben, dass es so wahnsinnig kompliziert sein muss und zog sich einen neuen Kaffee...

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Okay dieses Kapitel ist wesentlich länger geworden, als es ursprünglich geplant war, tut mir leid.

Für die, die diese Story während des Werdegangs lesen: Ich habe das Kapitel 11 etwas verändert, da eine Art Spoiler und Logikfehler enthalten waren. Falls ihr euch noch erinnert, was da geschehen ist, seht es als exklusiven Langzeit-Follower Bonus an und schreibt bitte nicht in die Kommentare oder so, was in der Szene geschehen ist.

Das meine lieben Leser ist btw der Grund, warum ich letzte Woche nichts hochgeladen habe. Ich habe mit meiner Schwester Urlaub an der Nordsee gemacht.
Seid ihr eher Typ Meer oder Berge?

Anygays... Danke fürs Lesen ❤️

I love you | SchülerxLehrerWhere stories live. Discover now