13. Nicht mehr leuchtende Kirschblüten

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Yus POV

Ich will hier weg. Wie kann mein Gedächtnis eine Erinnerung speichern, die so stark gegensätzliche Emotionen inne hat.

Ein erfüllter Traum und ein demütigender Albtraum.

Wir sind nicht Riesenrad gefahren.

Plötzlich wird mir klar, dass uns Sam eben rettete. Er scheint nicht so von den Sinnen gewesen zu sein, wie ich es war. Wie immer cool konnte er souverän reagieren.

Er ist es ja auch nicht gewesen, der blöd und beschämt da stand.

Und der Gedanke, dass er bei ihr war, lastet Tonnen auf meiner Brust.

Ist doch alles beim Alten.

Ich drehe mich um und sehe einen verwirrten, abgehetzten Sam fast gegen mich laufen. Ja, ich will hier weg.

„Du warst großartig!", sage ich förmlich, „Du findest immer die richtigen Worte!"

Das muss reichen.

Kaum sind wir losgefahren, überrollt mich Sam mit Fragen: „Stimmt das, was sie sagen? Warst du auf unserer Insel?"

Unserer Insel? Ich kann es nicht fassen. Denkt er, dass irgendwo eine Kamera lauert? Spielt er wieder? Sind wir in irgendeiner Show?

Ich koche.

„Unsere Insel?", versuche ich belustigt zu sagen, „Sprichst du gerade mit Zhou Shu Yi?"

„Warst du auf Lyudao?", verbessert er sich.

War ich. Ich dachte, du kommst auch. Ich habe auf dich gewartet. Ich habe die Hütte nicht verlassen, um dich nicht zu verpassen. Ich musste mich jedesmal ewig vorher fangen, bevor ich den Mut aufbrachte, dich anzurufen. Ich konnte keine Nacht ruhig schlafen.

Ich habe mein Gesicht verloren.

Und meine Seele.

An dich.

Mir fällt es schwer, meine Tränen zu unterdrücken. Sie brennen hinter meinen Augen.

Und du bleibst der coole Sam.

Er will wissen, ob ich da war. „War ich, „Gao Shi De!", spotte ich und wende mich ab.

Kindisch. Traurig. Verletzt.

„Hast du mich da erwartet?", fragt er mich blöd.

Scheinbar schon, sonst würde ich mich doch nicht so peinlich verhalten. Idiot.

„Yu, bitte sprich mit mir.", sagt er mit seiner tiefen Stimme leise.

Wieder schreit mein Herz und meine Augen bitten mich dem Brennen ein Ende zu bereiten.

Ich kann nicht. Ich schaue aus dem Fenster, auf die in der Dämmerung nicht mehr leuchtenden Kirschblüten und bin völlig leer.

Sam schweigt auch lange.

Später versucht er mich durch Smalltalk wieder aufzulockern. Er ist so fürsorglich. Er bringt mich immer zum Lachen. Er weiß genau, wie er mich zum Sprechen bringt. Er will immer, dass ich mich wohl fühle.

Und ich mach ihm hier eine Szene. Erbärmlich.

Ich lache über sein Stacheln und die Anspannung lässt los.

„Ich dachte, das sei nicht ernst gemeint gewesen.", erklärt er mir, „Du hättest mir ja Bescheid sagen können. Einfach mal anrufen."

Ich schaue wieder aus dem Fenster.

Wie einfach das sich anhört.

Sam, schön, dass du endlich rangehst. Wollen wir gemeinsam eine Grenze überschreiten? Wollen wir, nur wir zusammen einsam zweisam sein? Die echten Wir, Sam und Yu.

Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.

Auch wenn du ein Mann bist. Auch wenn du vergeben bist. Auch wenn ich unsere Freundschaft damit zerstören könnte. Auch wenn wir noch zusammenarbeiten müssen.

Ich hätte mich auch melden können? „Hab ich doch.", antworte ich ihm.

Und zum ersten Mal erhebt Sam seine Stimme gegen mich:

„Ich habe dich zurückgerufen. Mehrfach. Und dann kam einfach gar nichts mehr. Du hast nicht auf eine Nachricht reagiert. Du bist einfach verschwunden. Völlig egal, wie es mir dabei geht."

Seine Enttäuschung bringt mich zum Staunen. Ist er sauer auf mich? Wieso?

„Ich wollte dir deine Ruhe lassen. Und mir meine Zeit.", erkläre ich ihm ehrlich.

„Verstehst du das unter Freundschaft? Einfach untertauchen und den anderen besorgt zurück lassen? Freunde tun sich sowas nicht an.", haut er noch hinterher.

Wenn es möglich wäre, würde mein Herz jetzt laut schluchzen.

Da habe ich meine Antwort.

Freunde. Wir sind Freunde. Und Arbeitskollegen. Und ich habe mich falsch verhalten. Die Freundschaft riskiert.

„Ja, wir sind Arbeitskollegen, die mehr oder weniger gezwungen wurden, eine Freundschaft zu schließen.", sage ich mehr zu mir als zu ihm. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Sam zurück zuckt.

„Was soll das heißen? Sorry, ich wollte dich nicht belehren.", sagt Sam deutlich ruhiger.

Wieder bin ich derjenige, der sich schlecht fühlt. Er kann es doch nicht wissen. Er ist immer so geduldig mit mir.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ohne dich hätte ich diese Zeit nie überstanden. Du bist mein Lehrer. Und mein Freund.", versuche ich ihn zu trösten. 

Ich bin der Untröstliche, er kann nichts dafür.

Seine Anstrengung ist ihm klar anzusehen. Ich bin anstrengend.

Dem Drang nach Einsamkeit folgend setze ich meine Harmonie-Stimme auf und sage: „Sam, alles ist in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Der Tag war wunderschön. Danke. Wir sehen uns."

Ich fliehe aus dem Auto, als Sam mich plötzlich packt.

„Yu, bitte, verschwinde nicht einfach. I will fix it.", fleht er mich an, „Das stehe ich nicht nochmal durch. Verschwinde bitte nicht."

Ich zerbreche.

Es tut mir aber so weh bei dir zu sein.

Aber das hast du nicht verdient.

Ich entscheide mich, nicht einfach zu gehen. Bei ihm zu bleiben. Ihn zu beruhigen. Er hat doch nichts getan. Er will mein Freund sein. Nichts mehr.

Ich bleibe und wir schauen uns lächelnd in die Augen. Solange, bis ich dem Lächeln meines Spiegelbildes in seinen großen schwarzen Augen Glauben schenke.

Ich bin so erschöpft. 

FANFICTION Zerrissen verbundenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang