4. Das wird eine lange Nacht

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Yus POV

Ich liege in meinem Bett und bin leer.

Ich bin leer.

Ich fühle nichts.

Danach sehnte ich mich die ganze Zeit. Dieser mich erwürgende Schmerz sollte aufhören. Nun ist es soweit und ich bin nicht glücklich über die Leere.

War's das? Habe ich das Gefühl einfach entfernen können, um dann ein großes Loch zu hinterlassen. Habe ich ihn verloren? Wie konnte ich es soweit kommen lassen? Ich hätte niemals diese Grenze überschreiten sollen.

Ich schrecke hoch, weil plötzlich ein lautes, unaufhörliches Klopfen den Raum erfüllt.

Ist das Tian? Habe ich was im Auto vergessen? Ich greife umgehend nach meinem Handy und erwarte seinen Anruf in Abwesenheit, um mir schnell bewusst zu werden, dass ich es doch nicht geschafft habe, ihn einfach aus meinem Kopf zu entfernen. Sieben Anrufe von Sam sind auf meinem Display zu sehen.

Ich kann nicht lange nachdenken, weil sich das Klopfen inzwischen zu einem Hämmern verwandelt hat.

Besorgt, nein, etwas verängstigt, laufe ich zur Tür und öffne sie einen Spalt.

Mein Herz bleibt stehen. „Yu, lass mich rein!", lallt mich Sam an. „Was machst du hier?", frage ich, „du bist betrunken!"

Sam legt seine Hände auf meine Schultern und schiebt mich vorsichtig rein.

„Das kennst du doch.", flüstert er mir ins Gesicht. „Geht es dir gut? Möchtest du ein Glas Wasser?", gebe ich vorsichtig nach. Sam guckt mir in die Augen. Er sieht wirklich mitgenommen aus. Lange kann er den Blick nicht aufrecht halten. Sein Kopf sinkt Richtung Boden, er zieht mich näher zu sich ran. „ Yang Yu Teng", flüstert er wieder mit seiner tiefen, mich umwerfenden Stimme, „warum tust du mir das an? Warum ignorierst du mich?"

Mir schießen augenblicklich die Tränen in die Augen. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und versuche den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken.

Sam ruht inzwischen mit seinem Kopf an meiner Brust. Er wird immer schwerer. „Komm, setz dich erstmal hin.", sage ich und trage ihn halb zur Couch.

Sobald ich ihn hinsetze, klappt er zur Seite. Ich knie mich vor ihn und rufe seinen Namen: „Sam, bist du wach? Sam?" Ich nähere mich seiner Nase mit meinem Ohr, um sicher zu stellen, dass er noch atmet. Warum musst du betrunken vor meiner Tür stehen? Und dann auch noch wegtreten.

Ich kann ihn hier nicht liegen lassen. Vorsichtig fassen ich ihm unter die Arme und hebe ihn hoch.

Ich bin stärker, als man vermutet. Aber was mich jetzt wirklich schwach werden lässt, ist sein Geruch.

Er lehnt sich mit dem Oberkörper gegen mich. Mein Kopf ist direkt an seinem Hals. Ich spüre seine Wärme und der Duft seines Körpers steigt mir in die Nase.

Mein gesamter Körper beginnt zu kribbeln.

Seine Beine scheinen ihn aber noch etwas zu tragen.

„Sam, komm, hilf mir. Mein Bett ist gleich da." versichere ich ihm. Wieder durchdringt mich seine tiefe, murmelnde Stimme: „Warum nennst du mich Sam?"

Ich antworte nicht und konzentriere mich auf den Akt, ihn ins Bett zu bringen. Dort angekommen, lege ich zunächst vorsichtig seinen Oberkörper ab und hieve, nachdem ich seine Schuhe und Socken ausziehe, seine Beine auf die Matratze. Während ich ihm die Hosen ausziehe und seine rote Shorts erblicke, rast mein Herz und ich wende den Blick ab.

Ich bleibe einen Moment stehen und schaue ihn an, drehe mich um und hole aus der Küche eine Schüssel mit lauwarmen Wasser und ein Handtuch. Diese Situation überfordert mich.

Einerseits klopft mein Herz wie verrückt, weil ich ihm endlich wieder nahe kommen kann. Andererseits spüre ich aus dem selben Grund einen eindringlichen Schmerz.

Sehnsucht und Schutz erliegen ihrem Kampf und kein Gewinner kann meinem Herzen sagen, was es fühlen soll.

Ich öffne die ersten Knöpfe seines Hemdes und genieße, mich selbst verurteilend, den Anblick seiner Haut.

Der Stimme in meinem Kopf schenke ich keine Aufmerksamkeit.

Sanft beginne ich mit dem feuchten Handtuch erst sein Gesicht abzutupfen.

Er sieht so gut aus. Dieses Gesicht raubt mir den Atem.

„Ich habe dich so vermisst!", glaube ich zu denken, spreche ich aber leise aus. Mehrere Strähnen seiner schwarzen Haare bedecken seine Stirn. Ich streiche zärtlich seine Strähnen zur Seite, beuge mich die fehlenden 15 cm nach vorne und küsse seine Stirn.

Nachdem ich ihm auch den Hals und die obere Brust behutsam abgetupft habe, decke ich ihn zu und drehe ihn auf die Seite zum Bettinneren. Ich selbst lege mich auf die andere Seite zu ihm gerichtet.

Nah, ganz nah.

Nur so kann ich sicherstellen, dass ich gleich da bin, wenn was passiert.

I take care of you.

Das wird eine lange Nacht. 

FANFICTION Zerrissen verbundenOnde as histórias ganham vida. Descobre agora