Kapitel 1 (überarbeitet)

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Gegenwart

Elly Pierce

Die junge Elly Pierce saß draußen auf der Wiese, das hohe Gras kitzelte sie. Der kühle Nachtwind wirbelte ihre langen blonden Haare auf und ließ sie ein wenig frösteln.

Verträumt blickte sie zu den Sternen empor und beobachtete, wie sie um die Wette funkelten. Der Anblick war so wunderschön, dass es ihr den Atem raubte.

Das Mädchen stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie gemeinsam mit den leuchtenden Sternen am Nachthimmel funkeln könnte. Dann würde sie sich sicher nicht mehr so schrecklich alleine fühlen.

Bei den anderen Kindern in ihrem Dorf war sie nicht sonderlich beliebt und das eigentlich nur aus dem Grund, weil sie gerne ihre Grenzen austestete.

Wie oft hatte sie bereits Ärger dafür bekommen, dass sie sich Nachts heimlich in den dunklen Wald geschlichen hatte, um im Mondsee baden zu gehen. Wie oft hatte sie die anderen Kinder dazu angestiftet, mit ihr die verrücktesten Dinge zu tun, wofür sie später hart von ihren Eltern bestraft wurden?

Als wenn es eine Strafe wäre, das Leben zu genießen! Elly seufzte frustriert und strich sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Sie sehnte sich nach Abenteuern. Das Dorfleben passte einfach nicht zu ihr, sie gehörte nicht hier her. Mit jedem Tag der verging, wurde ihr das bewusster.

Ein Strauch in ihrer Nähe begann plötzlich zu rascheln. Augenblicklich hielt sie still und schaute in Richtung des Gebüschs. Ellys Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Würde sie womöglich in wenigen Sekunden von einem wilden Tier angegriffen werden, das sie die ganze Zeit über beobachtet hatte?

Sie malte sich aus, das gleich ein Drache aus dem Gebüsch springen würde, auf dessen Rücken sie über all die Dächer der Städte fliegen konnte, die sie zuvor noch nie gesehen hatte. Sie konnte bereits den Wind in ihren Haaren spüren. Doch als sie lediglich das braune Fell eines Baummarders zwischen den Blättern aufblitzen sah, wandte sie ihren Kopf enttäuscht wieder ab. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, etwas zu erleben.

Das Leben in Harving war langweilig, der Tagesablauf immer gleich. Morgens früh aufstehen und die Tiere füttern, Wasser aus dem Brunnen des nahegelegenen Dorfes holen, bei den Webers als Köchin arbeiten, den Haushalt erledigen, schlafen gehen. Mit ihren nun beinahe vierzehn Jahren, kam sie sich bereits vor, wie eine ältere Frau, die in ihrem Alltag gefangen war.

Elly verspürte die tiefe Sehnsucht sich von ihrem bisherigen Leben zu trennen und in neue Gewässer aufzubrechen. Das was sie bisher erlebt hatte, konnte doch unmöglich schon alles gewesen sein. Wenn es jedoch nach ihren Eltern ginge, würde sie in wenigen Jahren einen möglichst einflussreichen Mann heiraten, eine zufriedenstellende Ehefrau abgeben und ihr trostloses Leben in Harving weiterführen.

Alles in ihr sträubte sich gegen diese Vorstellung, ihre Kehle schnürte sich langsam zu. Nein, dieses Leben wollte sie nicht. Auf keinen Fall.

Ein markerschütternder Schrei riss sie aus ihren Gedanken. Das Geräusch kam eindeutig aus dem dunklen Wald. Sie zögerte nicht lange und kam hastig auf die Beine, dann rannte sie los. Der Saum ihres grünen Leinenkleides flatterte mit ihren Bewegungen, sie wurde immer schneller. Rasch rutschte sie eine Böschung herunter und wäre beinahe hingefallen, doch sie konnte sich noch so gerade eben auf den Beinen halten. Die Äste und Zweige knackten unter ihren Füßen, die Blätter der Bäume raschelten im Wind. Es war so dunkel, dass sie kaum etwas sehen konnte. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, weiter zu rennen.

Hinter ihr, in der Ferne, waren Stimmen zu hören. Vermutlich hatten einige Dorfbewohner die Schreie ebenfalls vernommen und wollten nun herausfinden, was geschehen war.

Gefährtin des Schwarzdrachen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt