5. Abflug

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Als ich aus dem Bad hinaus komme ist es bereits dunkel, ich kann nicht glauben, dass ich den ganzen Tag durch geweint habe, über meine Großeltern, über meine Eltern, über mich, über alles. Anscheinend hat es niemand bemerkt, denn als ich in den Wohnzimmer artigen Saal hinein komme, reden alle immer noch durcheinander. So werden sie sich niemals einigen, wenn niemand ausreden kann und jede Idee in der Lautstärke verdumpft. Ich hole mir etwas zu trinken, gehe dann in mein Zimmer und schlafe ein. Am nächsten Morgen sitzt Natasha auf meinem Bett "Wie geht es dir süße?, fragt sie und lächelt, wie eine Mutter die sanft ihr Kind weckt. "Ganz gut", lüge ich und setze mich auf. "Wir haben ein Schiff und machen gleich los, pack einfach ein paar Sachen zusammen." Ich nicke und sie verlässt das Zimmer, als ich hinüber zu MJ sehe ist ihr Bett bereits leer und auch der Schrank ist ausgeräumt. Sie hätten mich auch einfach schlafen lassen können, dann wäre ich auch vom Fenster.  Nachdem ich mich fertig gemacht habe, gehe ich aus der Wohnung und folge Peter, welcher anscheinend als letzter mit mir das Haus verlässt. "Peter?" er dreht sich um. "oh y/n, was ist?" Selbst er interessiert sich nicht mehr für mich, ich sehe Abwesenheit und Verachtung mir gegenüber. Vermutlich hat er seine Meinung über mich geändert, für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich ihm von MJ und Loki erzählen soll aber es geht mich nichts an und Peter ist so ein guter Mensch. Ich belasse es dabei, ohne ihn zu fragen ob wir vielleicht beim Haus meiner Großeltern anhalten könnten, welche nicht weit außerhalb von London wohnen. Im Schiff angekommen werfe ich ein "Hallo" in die Runde, welches keiner erwidert. Verschämt setze ich mich auf einer der Klappstühle, die andere Wand befestigt sind, wie in einem Zug. "Hey" sagt Thor, der neben mir sitzt und lächelt, ich nicke. Es breitet sich dieses Gefühl von Abwertung und Einsamkeit immer tiefer in mein Herz, es interessiert niemand wer ich bin oder was ich hier will. "Wann sind wir da?" ,fragt Peter. "Ach Peter du bist wie so ein nerviges Kind", entgegnet MJ und lacht, als wäre es ein Witz. Ich blicke nach unten, unter uns befindet sich Glas und man kann über ganz London sehen, vielleicht erhasche ich einen Blick auf das Haus meiner Großeltern. "Was ist?", fragt Thor. "Ich suche nur das Haus meiner Großeltern, sie wohnen hier in der Nähe. Vielleicht kann ich sehen ob sie noch leben. Anscheinend soll es Menschen geben, die sich ihr leben wieder aufbauen wollen." "Wir könnten auch einfach anhalten." "Nein, ich denke nicht, das irgendjemand das möchte." "Warte kurz" Thor steht auf und geht nach vorne zu Tony, sie diskutieren und Tony sieht oft zu mir. Doch dann erkenne ich ein nicken, Tony ruft zu allen "Wir machen kurz halt, für y/n" Sie sehen mich entgeistert an und nach wenigen Minuten landen wir. Die große Klappe geht auf und vor mir liegt das Viertel in dem meine Großeltern wohnen, ich atme tief durch und stehe auf. Niemand folgt mir, vielleicht fliegen sie jetzt auch einfach weg aber das Schiff bewegt sich nicht vom Fleck. Ich gehe kurz die schmale Straße entlang überall liegen Trümmer und Qualm steigt aus einigen Häufen. Einzelne Häuser sind noch zu Hälfte zu erkennen aber es ist nichts im Vergleich zu dem friedlichen Dorf, dass es hier vor eineigen Tagen noch gab. Ich entdecke das Haus meiner Großeltern, wo das Dach komplett weg ist und nur noch eine Fassade da steht. Ich gehe hinein und alle Räume sind noch da, nur das Dach fehlt. In der Küche und Wohnzimmer liegen alle Sachen verstreucht, Vasen sind zertrümmert auf dem Boden und alles ist von Dreck und Staub bedeckt. Doch es ist keinerlei Spur von Leben zu sehen, wenn sie am Leben wären würde ich doch erkennen dass hier jemand war. Vielleicht hätten sie ein paar Gegenstände geholt und sind dann in einen Bunker geflüchtet. Als ich in das Schlafzimmer komme sehe ich etwas, "Oma? Opa?" rufe ich in den leeren Raum und dann erkenne ich sie, sie liegen in ihrem Ehebett, eng aneinander gekuschelt und schlafen, denke ich für einen kurzen Moment, doch dann dämmert es mir. Sie schlafen nicht, sie sind Tod, sie haben gewusst was draußen vor sich ging und ihre letzten gemeinsamen Stunden in diesem Bett gelegen. Vor Schock knie ich mich zu Boden und schlutze, innerlich hatte ich von Anfang an eine kleine Hoffnung dass sie noch leben würden aber jetzt waren sie offiziell Tod. "Ist schon okay." Natasha stand hinter mir und bückte sich, sie nahm mich in den Arm und ich weinte wie ein kleines Baby in ihren Armen. Als ich mich von ihr löste erkannte ich Tränen in ihren Augen und ich sah Fürsorge und Freude, Trauer und Verzweiflung und auch einen Schmerz, irgendetwas wurde ihr genommen. "Wir müssen los", sagte sie leise. Ich sehe noch einmal auf das Bett und entdeckte ein Bild auf dem Boden, meine Großeltern und ich. Ich nehme es aus dem Rahmen, entferne die Glassplitter und stecke es in meine Hosentasche. "Jetzt können wir los.", sagte ich und wir verließen das Haus. "Waren sie alles was du hattest?" fragte Natasha als wir in dem Schiff ankamen. "Ja, meine Eltern habe ich nie kennengelernt, meine Großeltern meinten sie seien gestorben als ich ein Baby war." "Das tut mir leid" Ich nickte,"ist nicht so schlimm, ich habe sie ja nie kennengelernt." "Wir alle haben keine Eltern mehr.",sagte sie und sieht in die Runde.

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