Kapitel I - Gejagt

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Ich lief.

Ich konnte nicht anders, obwohl meine Lungen zu bersten drohten. Glühender Schmerz loderte in meinen Seiten und ich keuchte erschöpft. Die eiskalte Nachtluft schnitt durch meine Lungen wie Dolche.

Es war eine Falle gewesen. Natürlich.

Die Schritte und das Johlen kamen immer näher. Ich hatte gehofft, dass auf offener Straße jemand darauf aufmerksam werden würde, aber die wenigen Autofahrer hielten nicht an und hinter den zugezogenen Vorhängen regte sich nichts.

Panik überwältigte mich, als die Erkenntnis mir die Luft abschnürte.

Niemand wird mir helfen.

„Luna!" Ihre Stimmen wurden lauter. Das Grölen ließ mich beinahe taumeln. Angst benebelte meinen Verstand.

Warum? Warum immer ich?

Allein die Vorstellung, was sie mit mir anstellen könnten, rief neue Kräfte in mir wach. Ich beschleunigte meine Schritte und lief, lief unbeirrt weiter im fahlen Mondlicht. Vor mir erhoben sich mehrere Häuser. Beherzt bog ich in die Siedlung ein. Dort waren Menschen. Sie mussten mich sehen! Sie mussten doch etwas unternehmen!

Schnell schlüpfte ich durch die Hecke eines Bungalows und trommelte mit den Fäusten gegen die Eingangstür. Ich schrie und tobte. Im Inneren brannte Licht.

Niemand öffnete.

Mein Herz blieb beinahe stehen, als Jack ebenfalls durch die Hecke kroch. Sein dümmliches Gesicht wirkte wie die Fratze eines Monsters.

Ich fluchte und lief weiter. Chloe wäre mit Sicherheit etwas eingefallen! Tränen traten in meine Augen.

Niemand wird mir helfen. Chloe war die einzige gewesen, auf die ich mich verlassen konnte.

Niemand.

Im selben Moment stürzte sich Jack auf mich. Ich bäumte mich auf, schrie und kratzte. Meine Kunstlehrerin hatte in einem Seminar erwähnt, dass man niemals ein stilles Opfer sein dürfe. Irgendjemand würde mich hören. Irgendjemand musste mich hören.

Wenige Sekunden später umringten mich Jacks Kumpel.

Meine Klassenkameraden.

Einzeln jagten sie mir keine Angst ein. Ich wusste, dass ich es mit jedem von ihnen aufnehmen konnte. Aber gegen eine ganze Gruppe war ich machtlos.

Einer von ihnen stopfte mir einen übelriechenden Knebel in den Mund, während zwei andere meine Arme festhielten. Schlagartig konnte ich mich nicht mehr bewegen. Mein Blick ruhte auf Jacks glasigen Augen.

Sie können alles mit mir anstellen, was sie wollen. Die Erkenntnis raubte mir beinahe das Bewusstsein. Ich bäumte mich noch einmal auf, aber sie hielten mich fest. Ich kannte genug Fernsehserien, genug Filme, um zu wissen, was als nächstes folgen würde.

Niemand wird mir helfen.

Jack setzte sich seelenruhig auf meine Oberschenkel. Ich zuckte zusammen, als er meine Wange berührte. Sein Atem stank erbärmlich.

Ich schloss die Augen, um meine Tränen zu verbergen. Jack lachte.

Gott, schoss es mir durch den Kopf. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.

Ein seltsames Bild durchzuckte meinen Kopf. Ich sah eine Nonne, die mich streng musterte.

Einen Moment lang war ich so verblüfft, dass ich Jack fast vergaß. Dann spürte ich seine Lippen auf meinen.

Mein Herz setzte einen Schlag aus.

Mach, dass er aufhört! Bitte, Mama!

Dann explodierte plötzlich meine Umgebung und eine fremde Stimme erfüllte meine Gedanken.

Fürchte dich nicht.

Kinder der Hölle - eine LiebesgeschichteWhere stories live. Discover now