🌸|punkt der offenbarung

31 3 124
                                    

Punkt der Offenbarung, der
(auch ‚Point Of Revelation' genannt)
Gelegenheitsbezeichnung aus der Drehbuchliteratur, die den Augenblick der Handlung erfasst, in dem die Hauptfigur einen (Handlungs- oder Charakter-)Fehler erkennt, in dem er auf die Grenzen seines eigenen Handlungsvermögens stößt oder in dem er versteht, dass er zum Handeln gezwungen ist.

•••

Ich konnte ganz genau sehen, wie überrascht meine Mutter war als ich neben Sihyun auf dem breiten Treppenabsatz stand.
Schon in diesem Moment wollte ich eigentlich schon auf dem Absatz kehrt machen und gehen.

Ich wollte mich dem nicht hingeben.
Nicht schon wieder.

Im Inneren des Hauses wurde es nicht wirklich besser.

Onkel, Tanten und einige von entfernten Arbeitskollegen meines Vaters und derer Familien türmten sich in dem Wohnzimmer, das unmittelbar am Esszimmer mündete.

Verblüffte Blicke, unbedeutende Küsse auf Wangen, hochgestochene Sprache und reservierter Smalltalk.

Der einzige Lichtblick war Seohyun, der an seinem neunten Geburtstag grinste wie ein Honigkuchenpferd und sich so zu freuen schien mich hier zu sehen, dass er mich prompt umarmte, worauf die alten Damen beherzt aufseufzen.
Allein dafür überlegte ich für einen kurzen Moment, ob es nicht doch wert gewesen war zu kommen.

Sihyun hatte schließlich recht behalten.
Ich hätte Seohyun kein besseres Überraschungsgeschenk geben können.

Als ich ihn fragte, ob er ein Teleskop bekommen hatte, schüttelte Seohyun enttäuscht den Kopf, weshalb ich ihm tröstlich die Haare verwuschelte und innerlich aufseufzte.

Was hatte ich eigentlich erwartet.

Es war ungewohnt wieder in so eine Etikette geschmissen zu werden.
Es hatte einen Grund, weshalb ich meinen Anzug erst zu Chanyeols und meinem Dreh wieder getragen hatte.
Ich war es einfach nur unfassbar Leid.

Meine Mutter kam kurz zu mir, nachdem sie Minseok, Sihyuns Mann und Architekt, begrüßt hatte, um leise zu fragen, wie es mir denn so ging. Ich nickte und sagte, es ginge mir gut. Auf meine Gegenfrage nickte sie ebenfalls und doch konnte ich so etwas wie Erleichterung in ihrem Blick sehen.
Ich lächelte klein und vorsichtig daraufhin.

Mein Vater war durch und durch in einem Gespräch mit seinen Arbeitskollegen vertieft.
Mir sollte es recht sein. Die Arbeit war schließlich auch dann Priorität, wenn sie es nicht war.

Wenige Minuten später wurde zur langen Tafel gerufen, die hoheitlich vor den Panoramafenstern stand, durch die man einen hervorragenden Blick in den dunklen Garten werfen konnte.
Wären es weniger Gäste gewesen, hätten wir sicherlich in unserem Wintergarten aufgetischt.
Allerdings hatte ein Familienmitglied der Anwaltsfamilie Byun Geburtstag und da musste groß eingeladen werden.
Natürlich.
Wie sollte es auch anders sein.

Teurer, nordspanischer Wein wurde geöffnet und in ebenso teure, bauchige Gläser gegossen.
Darauf wurde angestoßen. Auf Seohyun. Er stieß mit Apfelschorle an und grinste mich zufrieden von der Seite an. Ich grinste zurück.
Er hatte darauf bestanden, dass ich neben ihm saß.

Der Blick meines Vaters streifte mich nur kurz und auch hier fand ich wieder die Bestätigung, dass er hervorragend darin war, wenn es darum ging, eine Maskerade aufrecht zu halten. Das machte ihn wahrscheinlich zu so einem guten Anwalt.
In seinen Augen sah ich nur ganz kurz Überraschung aufblitzen. Dann wieder nichts. Nichts bis auf blanke Souveränität und einem zugeflüsterten Reiß' dich zusammen, Baekhyun. Wir haben Gäste'.
Ich ignorierte es, so gut es ging.

post-it | chanbaekWhere stories live. Discover now