4 - Ein Netz aus Gold

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"Eure Hoheiten, Yngwen, die Gemahlin des Jarls von Rise und Königin des goldenen Reichs", kündigte der Diener sie an, bevor die Fremde begann, auf Almar und seine Söhne zuzugehen.

Ihre Verbeugung war seicht; die Traube hinter ihr sank hingegen so tief, dass einige zur Gänze in ihren fell- und goldbesetzten Kleidern untergingen. Das Haar der jungen Frauen war mit Federn, Perlen und goldenen Reifen geschmückt, wie auch der Rest von ihnen, wodurch sie in Metall gehüllten Vögeln glichen. Die Königin selbst war für die Reise in einen dicken Fellmantel gehüllt, der vorne aufklaffte und ein feingearbeitetes Goldmuster enthüllte. Auf Brusthöhe waren einige goldene Ketten an dem Kleid befestigt, das zum Boden hin in Schichten auslief. Schnitt und Muster waren ein ungewohnter Anblick für Cam, der ihn daran erinnerte, wie weit die Frauen gereist waren. Rise besaß in seinem Süden eine geteilte Grenze mit dem goldenen und mit dem östlichen Königreich, aber das weitflächige Jarltum erstreckte sich über viele Tausende Kilometer in den Norden hinauf, flankiert von dem neutralen Maerelunt auf der einen und einem kleinen Jarltum namens Elbwasser auf der anderen Seite. Über dem nördlichen Königreich mit seinen fünf Jarls lag nur noch die Weite; eine unwirtliche Ebene, auf der es sich nicht mehr lohnte, Zelte aufzuschlagen oder den Boden zu bearbeiten. Der Kälte im Norden waren die dicken Mäntel geschuldet, aber das Gold an Kleidung, Haut und Haar der Frauen zeugte von ihrem Aufenthalt im goldenen Reich, dessen Faible für das glänzende Metall ihm seinen Namen eingebracht hatte.

Als sie begrüßt worden war, machte die Königin Platz für ihre Tochter, die mit gemäßigten Schritten durch den silbergrauen Saal aufschloss. Dumpf hallten ihre Schritte in den hohen Hallen wider, ohne ein einziges Mal aus dem Takt zu geraten. Ihr kupferrotes Haar war unter einem Netz aus goldenen Fäden gefangen, das metallene Schmetterlinge zierten, und ihr Fellmantel war dicker als der ihrer Mutter. Ansonsten stellte Cambriel an ihrem Äußeren nichts Besonderes fest; mühelos hätte sie in den Hintergrund treten und mit der Traube aus Hofdamen hinter sich verschmelzen können, wenn ihr flammendes Haar sie nicht verraten hätte. Nach einer tiefen Verbeugung trat sie an die Seite der älteren rothaarigen Frau, sodass ihre Gefolge miteinander verschmolzen. Erwartungsvoll blickten die Königin und ihre Tochter zu ihren Gastgebern auf.

"Reik ist nicht bei ihnen", stellte Cam mit sinkendem Herzen fest. Hinter ihm wechselten Jonathan und Almar einen bedeutungsschweren Blick. Verhandlungen waren schwer; Verhandlungen mit Mittelsmännern waren schwerer. Es konnte Wochen dauern, bis Nachricht von einem Posten zum anderen überbracht worden war und so viel Zeit wollte er nicht verstreichen lassen. Raven würde die Nachricht von seinem Arrangement noch in dieser Woche erhalten; am liebsten würde er gleichzeitig ankommen und den Brief verbrennen, bevor sie ihn öffnen konnte. Aber er wusste, dass es unmöglich war. Stattdessen tat er wie ihm geheißen worden war und lächelte.

"Es ist uns eine Ehre, Euch und Eure Tochter auf Silbermeer willkommen zu heißen. Ich hoffe, die Reise war nicht allzu beschwerlich. Um diese Jahreszeit sollte es keine Probleme mit den Straßen gegeben haben."

Die Königin verzog ihre breiten Lippen zu einem Lächeln, das trotz ihres fortgeschrittenen Alters seine Wirkung auf ihr Umfeld nicht verloren hatte. Ohne nachzusehen konnte Cam aufgrund des knarzenden Leders feststellen, dass sein Vater sich nach vorne gebeugt hatte.
"Wir sind es gewohnt in Rise zu reisen, Eure Hoheit. Walesteins Straßen sind gut instand, das Wetter mild und unser Kutscher dankbar dafür. Ihr besitzt eine schöne Hauptstadt unter Eurem Schloss."

Nun erhob sich Almar, der das Gespräch bisher über die Köpfe seiner Söhne hinweg geführt hatte, und schritt die Steinstufen hinab zu den Gästen. Jonathan, Viktoria und Cambriel folgten ihm unaufgefordert in angemessenem Abstand. Wieder fiel dem blonden Prinzen auf, dass die Komtess aus Klinmaere seinen Bruder keines Blickes würdigte. Stur hielt sie den Blick auf die Gäste und die Räumlichkeiten gerichtet, als wolle sie jeden Kontakt mit ihrem Mann vermeiden.

KupferkindWhere stories live. Discover now