Kapitel LVI

2.8K 71 0
                                    

"Nun gut. Das sollte fürs Erste genügen. Sie wissen alle, was Sie zu tun haben. Mr. Georges, Mr. Martinez, folgen Sie mir bitte in mein Büro? Mr. Cliff und Mr. McIntyre, Sie kümmern sich um die Aufstockung der Wachen. Und ich möchte bitte möglichst bald Rückmeldung bekommen. Mr. Lang, Mr. Banks, Sie bleiben wachsam, lenken Ihre Aufmerksamkeit aber bitte wieder auf den Unterricht. Mr. Blom, Sie werden wie gewohnt, ihren Unterricht wöchentlich fortsetzen und sich ansonsten in Ihrem Metier umhören. Außerdem werden Sie weiterhin Ms. Silver begleiten. Und Ms. Silver, Sie werden ab morgen wieder Ihren normalen Alltag leben. Für heute sind Sie noch freigestellt."
Damit beendete Mr. Morlet das Gespräch und ging hinaus. Ihm folgten alle, zum Schluss Trina und Kendrick. Sie gingen die Treppe hinauf und dann verabschiedete er sich von ihr.
"Bis nächste Woche, Trina." Er streichelte ihr über die Wange und gab ihr einen flüchtigen Kuss.
"Ja, bis zum nächsten Mal. Ich vermisse deine Nähe schon jetzt, Kendrick", sagte sie etwas traurig und ging rückwärts Richtung Zimmer. Er blieb dort stehen und wartete, bis sie um die Ecke gebogen war, dann setzte er sich auch in Bewegung. Weit kam er nicht, denn Trina kam zurück und hielt ihn fest. Sie war sehr schnell und er ziemlich erschöpft, deswegen sah er sie nicht kommen. Stürmisch umarmte sie ihn und presste ihre Lippen fest auf seine. Er legte seine Hände um ihre Taille und drückte sie an sich, dann verlangte er mit seiner Zunge Einlass in ihren Mund. Leidenschaftlich erwiderte sie den Kuss und beendete ihn erst, als sich neben ihnen jemand räusperte. Es war Corvin. Genervt fragte er: "Könnt ihr euch kein Zimmer nehmen? Und hattet ihr nicht genug Zeit dafür im Sarg?"
Kendrick grinste und klopfte seinem Freund auf die Schulter. "Was ist los? Eifersüchtig? Du hast ja keine Ahnung, wie unwiderstehlich dieser kleine Juwel hier ist."
"Ja ja, wie auch immer. Komm mit, du brauchst jawohl frische Kleidung und eine Dusche oder?"
Corvin klang noch viel genervter als eben.
"Ja, danke, alter Freund. Kleidung werde ich gerne von dir nehmen, aber duschen werde ich bei Trina", er wandte sich zu ihr: "Gehst du schon vor?" Kendrick kramte in seiner Hosentasche und zog Trinas Zimmerschlüssel hervor. Sie nickte, nahm ihren Schlüssel und machte sich davon, vernahm aber noch Corvins strenge Stimme: "Du weißt schon, dass Lehrer sich nicht in den Zimmern der Schüler aufhalten dürfen?" und dann Kendricks weichere Stimme: "Aber Liebende dürfen das Zimmer teilen oder nicht?"
Sie musste lachen. Typisch, Kendrick. Er bog sich die Dinge immer hin, wie er sie brauchte. Und was, wenn er es auch so meint?, fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Unsinn, Kendrick liebt niemanden. Weder sie noch eine andere. Sie schloss ihr Zimmer auf und gleich hinter sich wieder zu. Auf ungebetene Gäste hatte sie keine Lust, sie würde durchs Schlüsselloch gucken, wenn jemand klopfte. Dann entledigte sie sich ihrer Klamotten und dachte noch daran, wie gut es war, dass sie ihre ganzen neuen Sachen bei Kendrick gelassen hatte. Er hatte sie noch vor der Rückfahrt zum Schloss überzeugt, die neue Kleidung bei ihm zu deponieren, da sie sie ohnehin nur bei ihm tragen würde. Die Schmutzwäsche packte sie weg und band sich ein Handtuch um, dann wartete sie. Und wartete... Und wollte gerade aufgeben und ins Bad gehen, als es an der Tür pochte. Auf Zehenspitzen schlich sie dorthin und lugte durchs Schlüsselloch. Sie erkannte Kendricks Hemd und machte die Tür auf. Nachdem er eingetreten war, verschloss sie sie wieder. Kendrick hatte frische Sachen dabei, die er auf ihr Bett warf. Dann zog er sich wortlos aus und stolzierte ins Bad. Sie hörte, wie er die Dusche anstellte und folgte ihm. Wow, er war so extrem sexy, wie er dort stand und das Wasser an ihm herunter lief. Seine Haare hingen ihm nass ins Gesicht, welches er nach unten gerichtet hatte. Achtlos ließ sie ihr Handtuch fallen und stieg zu ihm. Sie umarmte ihn von hinten, und da war es wieder, zwar nur hauchzart, aber es war da: dieses wohlige Knistern, wenn sich ihre Körper berührten. Sacht strich sie über seine neuen Narben, am Hals und am Oberkörper. Dann glitt sie tiefer zu seinem Bauch und langsam noch tiefer zu seinem Glied. Doch ehe sie dort anlangt, drehte Kendrick sich mit rasender Geschwindigkeit um und presste Trina gegen die geflieste Wand. Er warf seinen Kopf zurück und die Haare lagen wieder wie gewohnt nach hinten. Ganz dicht brachte er sein Mund an ihr Ohr und flüsterte: "Meine Trina...". Dann stieß er plötzlich seine Zähne in ihren Hals und trank ihr Blut. Sie keuchte auf, drängte sich dann aber an ihn und wartete ab, bis er seine Zähne wieder aus ihrem Fleisch zog. Er lächelte und sie taten es unter der Dusche. Nachdem sie beide gekommen waren, drehte er sich um, duschte sich gründlich ab und stieg dann aus der Dusche. Er nahm sich ein Handtuch und ging dann aus dem Badezimmer raus. Jetzt war sie alleine und umfasste als erstes ihren Unterleib. Kendrick war etwas unsanft gewesen und in ihrem Unterleib pochte ein leichter Schmerz. Sie verdrängte ihn und duschte sich gründlich ab. Dann hob sie ihr fallen gelassenes Handtuch auf und wickelte es um ihren Körper. Danach ging sie in ihr Zimmer, doch Kendrick war schon weg. Sie entdeckte eine Nachricht von ihm auf ihrem Schreibtisch. Er hatte auf einem abgerissenen Stück Papier geschrieben: Ich muss jetzt los, obwohl ich viel lieber noch bei dir geblieben wäre und den Rest der Nacht mit dir gevögelt hätte, meine Königin... Ich freue mich, dich übermorgen schon wiederzusehen und hoffe, mich zurückhalten zu können, im Unterricht. Pass auf dich auf. Kendrick

Sie lächelte. Ach, Kendrick. Als wären seine aufgeschriebenen Worte ein Schatz aus purem Gold, nahm sie die Nachricht und packte sie zu ihren anderen Schätzen. Die bewahrte sie in einem unscheinbaren Schuhkarton unter ihrem Bett auf. In dieser Kiste lagen ausschließlich Dinge, die ihr etwas bedeuteten. Etliche Liebesbriefe von Rubin, Sam, Bennet und ihren anderen Verehrern, teilweise waren sie schon acht Jahre alt. Außerdem Steine und Muscheln, die sie bei Ausflügen gesammelt hatte und eine Liste mit Liedern, die sie gerne mochte und die ständig erweitert wurde. Auch eine Rose, die sie vor zwei Jahren in ihrem Bett gefunden hatte und die mittlerweile getrocknet war, lag darin. Sie hatte nie herausbekommen, von wem sie stammte, doch sprach sie diese intensive dunkelrote Farbe der Blume an, weswegen sie sie behalten hatte. Doch das Allerheiligste war ein Plüschtier aus ihrer Kindheit. Mae hatte es schon immer so gemacht und tat es immer noch: Für jedes Kind, dass sie zugewiesen bekam, nähte sie eines. Ganz individuell. Sie sagte, sie beobachtete jedes ihrer Kinder ganz genau, wie es aussah und wie es sich verhielt und ordnete ihnen dann ein Tier zu. Und dieses Tier, dass dem Kind entsprach, nähte sie dann, in ihrer sehr begrenzten Freizeit. Die meisten Plüschtiere gingen irgendwann verloren oder wurden weggeschmissen, doch Trina bewahrte ihres. Es war eine Katze mit Schmetterlingsflügeln und einer Schlange als Schwanz. Mae konnte sich damals bei ihr nicht für ein Tier entscheiden, deswegen gestaltete sie ein Fantasietier.

Sie stellte die Schachtel zurück unters Bett, verschloss ihre Zimmertür und zog sich schnell eine Shorts, einen BH und ein bauchfreies Sporttop über und machte sich daran zu lernen. Streber, dachte sie über sich selbst und vertiefte sich in den Unterrichtsstoff.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als es laut an ihrer Tür klopfte. Erst versuchte sie es zu ignorieren, doch als dann Luciens wütende Stimme ertönte, die ihren Namen rief, resignierte sie. Genervt schlug sie ihre Bücher zu und machte ihm die Tür auf. Er stürmte ins Zimmer, fasste sie an die Schultern und begann sie zu schütteln.
"Was soll das?", fragte sie und schüttelte seine Hände ab.
"Sag mir, was passiert ist, Trina. Ich habe mir Sorgen gemacht", verlangte er mit bebender Stimme. Seine Augen glänzten wieder wie Saphire und er schien wirklich besorgt um sie zu sein.
"Ich habe es gewusst. Ich habe gewusst, dass er dich nicht beschützen kann. Er ist oberflächlich und du bist ihm egal", sprach er aufgeregt weiter. Eigentlich wollte sie protestieren, doch damit würde sie ihn nur noch mehr Rage bringen, deswegen ging sie gar nicht auf das Thema ein, sondern sagte: "Mir geht es gut, Lucien. Ich war 48 Stunden in einem Sarg und habe mich hinreichend kuriert. Nur der Hunger wird mich noch umbringen..."
"Hunger?", knurrte er, "ernsthaft? Ich kann dir aber leider kein Blut mit Geschmacksverstärker bieten, wie dein zweifelhafter Beschützer."
"Eine stinknormale Konserve reicht völlig", lächelte sie und Lucien machte sich murrend auf den Weg, ihr eine Blutkonserve von der Krankenstation zu holen.

BlutsMacht - Die ZeremonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt