Kapitel 20

22 4 7
                                    

,,Fertig.", gibt Eric nach einer Ewigkeit bekannt. Erleichtert lockere ich meinen Biss. Ich musste gerade so sehr meine Zähne zusammen beißen, damit ich nicht schreie, dass mein Kiefer schmerzt. Viel schlimmer als dieser Schmerz ist immer noch der Schmerz an meinem Oberkörper. Aber es war auch zu erwarten, dass es durch ein paar Nadelstiche nicht aufhört, weh zu tun. Ich atme tief durch. Jetzt müssen wir weiter. Egal, wie sehr es wehtut. Ich richte mich auf. ,,Schaffst du es?", fragt Eric und ich nicke.

Nach ein paar schmerzvollen Minuten, in denen wir nicht gerade großartig vorangekommen sind, wird es dunkel. ,,Lass uns schlafen gehen. Der heutige Tag war sehr lang und anstrengend." Das kann er laut sagen! Zuerst der Abhang, dann die Verfolgungsjagd mit dem Krokodil und zuletzt noch der Schütze. Es ist wahrscheinlich noch nie so viel an einem Tag meines Lebens passiert. Müde murmele ich ein ,,Hm".

,,Leg dich schon mal hin. Ich mache das Feuer.", sagt Eric sorgenvoll. Ich lächele und mache es mir auf dem Waldboden bequem, insofern man es sich hier halt bequem machen kann. Ich beobachte noch wie Eric Holz aufeinander stapelt, spüre meinen leeren Magen knurren und fühle meine schmerzende Wunde, doch dann fallen meine Augen zu.

,,Tag 7. Halbzeit.", sagt Eric, als ich wach werde. Ach scheiße! Wir haben sicher nicht die Hälfte des Weges geschafft. Besteht für uns überhaupt noch eine Chance? Egal, auch wenn eh alles verloren wäre, Eric hätte es doch weiter versucht. Ich kenne ihn schon gut genug, um das zu wissen. Ich richte mich also auf, trinke einen Schluck aus der Flasche, die Eric eben aufgefüllt zu haben scheint und dann laufen wir los. Zu meinem Erstaunen schmerzt meine Verletzung nicht mehr so stark wie gestern. Klar, es ist immer noch einfach nur schrecklich, aber tatsächlich ist es besser geworden. Bestimmt habe ich das Eric zu verdanken.

,,Danke."

,,Hä für was?"

,,Danke dafür, dass du meine Wunde genäht hast. Ich habe in deinem Blick gesehen, dass du das ekelig findest und du dich überwinden musstest. Es tut heute nicht mehr weh. Es ist besser. Wegen dir.", erzähle ich ihm.

,,Nichts zu danken.", sagt er und wir gehen glücklich weiter.

Eric scheint die ganze Zeit nachdenklich. Nach einer Weile packt er die Karte aus. Was ist nur? Ist ihm was aufgefallen? Gibt es einen anderen Weg und wir müssen uns nicht hier mitten durch den Dschungel kämpfen. Auf Dauer ist es sehr anstrengend mit einer Verletzung über Baumstümpfe zu springen, sich unter tiefen Ästen hindurch zu ducken und Kletterpflanzen beiseite zu schieben, um weiter zu kommen.

,,Omg! Du weißt ja, dass wir drei Flüsse hätten überqueren müssen, um ans Ziel zu kommen. Schau mal wo wir sind.", erklärt er und zeigt auf die Karte. Da sehe ich es. Wir sind mit dem kleinen Fluss in einen größeren geflossen und nun ist es dazu gekommen, dass wir auch auf der anderen Seite des zweiten Nebenflusses sind. Also nur noch einen Fluss und paar Wanderwege, dann sind wir draußen. ,,Wuhuu.", jubele ich. Nun kann uns doch nicht mehr so viel im Weg stehen oder?

,,Schau mal da ist schon der Weg.", freue ich mich, als ich endlich Kieselsteine erblicke. Glücklichkeit überfällt mich. Endlich können wir normal geradeaus laufen. Doch Eric muss mich leider enttäuschen: ,,Das ist nicht der Weg." Er lässt mich einen weiteren Blick auf die Karte werfen. Ich sehe, dass es der falsche Weg ist und wir noch sehr viel weiter müssen. ,,Ach so.", sage ich enttäuscht und lasse den Kopf hängen.

Der weitere Tag verläuft mit durch das Dickicht kämpfen und immer wieder Trinkwasser aus dem Fluss holen. Dann geht die Sonne schon wieder unter. ,,Lass uns diese Nacht wieder weiterlaufen und nicht schlafen.", schlägt Eric vor. Ich bejahe, obwohl ich total müde bin. Aber wir müssen einfach weiter. Wir haben so viel hinter uns, jetzt müssen wir es schaffen. Wir machen uns wieder Fackeln und dann geht es mit ihnen in den Händen schon weiter durch den Dschungel.

Bei Sonnenaufgang lassen wir uns erschöpft auf den Boden plumpsen. Diese Nacht war echt anstrengend. Aber es hat sich ausgezahlt, wir sind um einiges vorangekommen. ,,Tag acht. Kurze Pause.", gibt Eric bekannt und trinkt einen Schluck aus seiner Flasche. Ich nehme ebenfalls mein Wasser zur Hand und trinke die Flasche leer.

,,Auf geht's zum Fluss neues Wasser holen.", motiviert Eric uns und ich raffe mich hoch. Das hier war als Pause definitiv zu kurz. Egal, weiter.

Wir gehen zum Fluss und halten unsere Flaschen hinein, so dass das Wasser rein fließt. ,,Schau mal!", ruft Eric und zeigt mit dem Finger auf seine Entdeckung. Es sind zwei Fische, welche sich am Ufer aufhalten und Algen essen. ,,Denkst du das, was ich denke?", fragt Eric. ,,Auf jeden Fall, das wird ein Festessen." Zwar habe ich keine Ahnung, wie wir die Fische aus dem Wasser befördern sollen, aber bei ihrem Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

,,Kannst du noch bis heute Abend warten? Es ist glaube ich schlauer jetzt weiterzugehen und dann, wenn wir gar nicht mehr können zu angeln.", sagt Eric. Das stimmt wohl. Mein Magen knurrt, aber dass kann warten. Also sage ich ,,Okay" und es geht weiter.

Wir kämpfen uns den ganzen Tag voran. Man könnte behaupten es sei langweilig, wegen der Einseitigkeit, doch tatsächlich ist es das Anstrengendste, was man sich denken kann. Als die Dämmerung bereits eingetreten ist, beschließt Eric endlich stehen zu bleiben. Ich atme erleichtert aus. Das gibt mir einen Stich an der Seite. Wie weh meine verdammte Wunde einfach tut. Musste das Krokodil mich erwischen? Es hätte einiges erleichtert, wenn das nicht passiert wäre.

,,Ich baue Angeln und versuche damit Fische zu fangen und du machst das Feuer.", bestimmt Eric und bewegt sich schon in Richtung Wald, um geeignete Stöcke für unsere Angelruten zu suchen. Ich mache mich auch sofort an die Arbeit. Mit meinem Schuh schaufele ich einen Platz frei, an dem ich das Lagerfeuer aufbauen kann. Dann sammele ich Holz, stapele es und lege Steine rum herum, damit sich das Feuer nicht zu sehr ausweiten kann. Als ich damit fertig bin, lasse ich mir von Eric zeigen, wie man mithilfe zweier Steine einen Funken erzeugt und nach einer Weile klappt es tatsächlich. Ich sehe glücklich ein, wie viel ich hier eigentlich von ihm lerne. Seine Angeln sind ebenfalls fertig. Es handelt sich um Stöcke, um die er vorne etwas von unserem Faden befestigt hat. Unten hängen verbogen Nadeln. Es schaut auf jeden Fall nicht sehr professionell aus. Aber vielleicht muss es das auch nicht, Hauptsache ein Fisch beißt an.

Wir gehen runter zum Wasser. Eric reicht mir die Hand, damit ich gut über eine Erhebung nach unten komme. Seine Handfläche ist warm und löst ein Kribbeln in mir aus. Irgendwie ist es schön. Es fühlt sich nach Freiheit und Schwerelosigkeit an.

Wir schmeißen die Angelschnüre ins Wasser und machen es uns bequem. So sitzen wir still nebeneinander und warten auf die Fische. Es gefällt mir.

Mit Eric durch die Wildnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt