Kapitel 19

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Eric und ich kämpfen uns so schnell wie es geht durch den tiefen Dschungel. Hinter uns ertönen immer noch Schüsse, doch sie sind immer weiter entfernt. Ich fühle nur Angst und Schmerz. Angst, dass einer von uns gleich erschossen wird und Schmerz, weil Blut an meiner rechten Seite herunterfließt. Jeder Schritt tut höllisch weh, doch ich eile immer weiter Eric hinterher.

Nach einiger Zeit bleibt er stehen, stützt sich an seinen Knien ab und atmet hektisch ein und aus. ,,Ich glaube sie können uns hier nicht mehr treffen.", meint er.

Als er diese Worte gesagt hat, sinke ich auf dem Boden zusammen. Meine Beine knicken ein und ich liege einfach nur da. Meine Wunde sticht immer schlimmer und ich verzerre mein Gesicht. Obwohl ich nicht mehr laufe, ist der Schmerz unerträglich. Meine Augen tränen vor Schmerzen und ich würde am liebsten einfach nur schreien. Das darf ich aber nicht, denn der Schütze könnte auch wieder herkommen.

,,Was war das denn eben?", stöhne ich. ,,Die Männer die uns hier reingelassen haben. Ohne sie wären wir gar nicht hier. Aber die haben anscheinend Spaß daran Leute sterben zu sehen. Stell dir vor der Schütze hätte besser zielen können. Was wäre dann, hm?", regt Eric sich auf.

Ich kann seinen Worten aber nicht einmal so richtig folgen, denn ich spüre nur den Schmerz auf meiner rechten Seite. Es tut so weh! Mensch Ami, reiß dich zusammen, ermahne ich mich selbst. Eric hat keinen linken Arm mehr und ich heule hier schon wieder wegen einem Kratzer. Okay, Kratzer ist untertrieben. Ich habe Angst nochmal auf meine Wunde zu schauen. Was ist wenn sie so tief ist, dass eine Rippe zu sehen wäre oder wenn das Krokodil mir ein wichtiges Organ verletzt hat?

,,Eric, kannst du schauen, wie schlimm meine Verletzung ist.", bitte ich meinen Begleiter also.

,,Tut es weh?" Was ist das für eine Frage? Fast wäre ich wieder wütend geworden, doch schon als ich mich nur einen Millimeter vorbeuge, schmerzt die Wunde schlimmer.

,,Okay, ich hätte nicht fragen sollen. Klar tut das weh. Schaut tief aus.", stellt Eric fest. ,,Sieht man Knochen oder Organe?", heule ich. Ich sehe seine Mundwinkel kurz hochzucken, doch er versucht es sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn das amüsiert. Dieser Vollidiot! Ich sterbe hier und er findet es lustig.

,,Nein, alles gut.", antwortet er auf meine Frage, doch das beruhigt mich nicht wirklich.

Eine Weile verharren wir in dieser Position ohne etwas zu sagen. Ich kann einfach nicht aufstehen, denn die Wunde würde sofort wieder so sehr schmerzen, dass ich nicht weiterlaufen kann. Mein Oberteil ist blutgetränkt. Davon ekele ich mich. Was ist, wenn ich verblute?

,,Weißt du wieso wir Nadel und Faden zur Verfügung gestellt gekriegt haben?", fragt Eric plötzlich. ,,Nein.", antworte ich verwirrt. Wieso kommt er denn jetzt damit an? Kümmert es ihn gar nicht, dass ich hier eine ziemlich tödlich anfühlende Verletzung habe? Auch wenn nicht, es würde mir nichts ausmachen. Ich brauche Eric nur um hier rauszukommen, nichts weiter. Dann bin ich wieder bei meinen alten Freunden und vor allem bei Damion. Da gehöre ich hin.

Eric löst meine Verwirrung: ,,Nähen?" Und da macht es klick in meinem Kopf. ,,Niemals!", sage ich. Will er jetzt hier mitten im Urwald noch bisschen Arzt spielen? Er weiß sicher nicht mal wie das geht.

,,Wie du willst, aber es schaut nicht gut aus. Keine Ahnung, wie lange du so weiterlaufen kannst.", antwortet Eric. Er schaut süß aus, wenn er sich Sorgen macht. Stopp! Hör auf an ihn zu denken. Er ist dir egal. Du nutzt ihn nur um wieder nach Hause zu kommen. Mir kommt es vor, als ob gerade mein altes Ich mit meinem jetzigen redet und beide versuchen mich auf ihre Seite zu ziehen. Ich weiß aber nicht für welche ich mich entscheiden soll.

,,Dann steh auf, wir laufen weiter.", seufzt Eric. Ich versuche aufzustehen, doch meine Wunde pocht regelrecht. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten und schon gar nicht wage ich es an meiner rechten Seite herunter zu schauen. Halb stehend, halb noch sitzend, bleibe ich kurz in Ruhe. Mir entringt ein Stöhnen.

,,Ach scheiße, du weißt nicht wie weh das tut.", werfe ich Eric vor. ,,Vielleicht hast du es noch nicht gemerkt, aber ich habe keinen Arm mehr.", gibt er zurück.

,,Bitte nicht streiten.", weine ich. Es ist eh schon alles scheiße, auf keinen Fall will ich mich jetzt noch gegen Eric rechtfertigen. Natürlich bin ich schuld daran, dass er seinen linken Arm verloren hat. Das ist mir schon mehr als klar, denn schließlich bin ich diejenige, die direkt ins Raubtiernest laufen musste, um aufs Klo zu gehen. Schlimmer als die Schuld noch, ist aber wenn Eric sie mir vorwirft.

,,Ich will das doch auch nicht. Ich wünschte auch, dass ich es verhindern hätte können, dass das Krokodil dich verletzt hat." Diese Worte waren lieb. Ich mag Eric, weil er sich immer so um einen sorgt. Er ist nett. Damion ist niemals nett.

,,Okay, mach das. Aber wehe du machst was falsch.", beschließe ich. In meiner Stimme schwingt Angst mit. Berechtigt, denn wer will schon mitten im Dschungel von einem Klassenkamerad zusammengeflickt werden.

,,Ich gebe mir Mühe.", verspricht Eric. Als er seinen Rucksack von seiner Schulter absetzt und hineingreift, um Nadel und Faden zu holen, pocht mein Herz immer schneller. Das wird jetzt wahrscheinlich das schmerzhafteste, was ich in meinem Leben erleben werde. Als das Krokodil mich verletzt hat, war ich zu sehr von Angst um mein Leben betäubt, dass ich große Schmerzen empfinden könnte, aber die Angst, die ich jetzt habe, ist eine ganz andere. Normalerweise macht man sowas bei einem Arzt bestimmt mit irgendeiner Narkose oder so. Wie soll ich das hier nur aushalten?

Mit Eric durch die Wildnis Where stories live. Discover now