Lupins Geheimnis

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„Nox.", flüsterte Severus und der kleine Lichtkegel am Ende seines Zauberstabs erlosch. Eine Handvoll Kerzen erhellten einen Teil des Raums. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich die Augen des Slytherins an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Die Tür fiel ins Schloss.
Er hoffte immer noch, dass es wirklich wichtig war und Lily ihm nicht in eine Falle gelockt hatte.
Als sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, erkannt Severus die Silhouette eines Menschen, die nur wenige Meter von ihm auf dem Boden saß.
„Ich bin froh, dass du gekommen bist.", sagte die geheimnisvolle Silhouette. Die Stimme verriet, dass es sich um einen Jungen handeln musste.
Der Junge stand auf und reichte ihm zur Begrüßung die Hand.
„Und mit wem habe ich das Vergnügen?", entgegnete Severus und versuchte dabei gelassener zu klingen, als er es tatsächlich war.
Der Junge lachte und sofort erschien durch ein Lumos! ein winziges Fünkchen Licht auf der Spitze seines Zauberstabs.
Severus atmete erleichtert aus, als er das altbekannte Gesicht von Remus Lupin erblickte.
„So so, Lupin also. Und was bringt uns heute Nacht zusammen?", sagte Severus und schaute abwertend auf eine der Kerzen, „Wusste gar nicht, dass du so eine romantische Seite hast."
Er traute Remus keinen Meter über den Weg. Es war bestimmt irgendein ein dummer Streich von James.
Gerade als sich Severus umdrehen wollte und den Artefakteraum verlassen wollte, ergriff Remus rasch sein Handgelenk und hielt ihn fest.
„Bitte, geh nicht.", sagte Remus und hielt noch immer das Handgelenk fest umklammert, „Du bist der einzige, der mir helfen kann!"
Remus' Stimme klang verzweifelt.
„Na schön, ich bleibe. Aber nun sage mir doch endlich was hier los ist!", fauchte Severus und riss sich genervt von Remus los.
Der Gryffindor zog einen großen schweren Kessel aus einem der vielen Regale und stellte diesen vorsichtig auf den Boden.
Als nächstes kramte Remus mehrere kleine Fläschchen aus seiner Schultasche und platzierte diese behutsam neben dem Kessel.
Würde er um kurz vor Mitternacht mit ihm etwa Tränke brauen wollen?
Und falls ja, was war daran so wichtig, dass es unbeobachtet und heimlich im Artefakteraum passieren musste?
„So, wir können anfangen!", trällerte Remus voller Freude und schlug die Hände zusammen.
Mit einem erwartungsvollen Blick schaute er zu Severus, der die Arme verschränkt hatte und verwirrter denn je aussah.
Die beiden Schüler setzten sich jeweils gegenüber vom Kessel auf den Boden.
Remus atmete tief ein und sprach: „Erstmal bin ich dir dankbar, dass du hier bist, Snape. Da gibt es nämlich etwas, was du wissen solltest."
„Na endlich.", knurrte Severus ungeduldig.
Remus lachte verlegen, kratze sich am Hinterkopf und wurde etwas rot.
„Ich weiß nicht genau, wie ich es dir sagen soll, Snape. Aber ich denke, da ich deine Hilfe brauche, muss ich dir mein Geheimnis offenbaren."
Severus nickte zustimmend ohne etwas zu sagen.
„Ich bin anders. Ich bin ein Werwolf.", flüsterte er so leise wie er nur konnte.
Für ein paar Sekunden war es still.
Remus starrte beschämt auf den leeren Kessel vor sich.
„Dann ist es also wahr.", sagte Severus und schien Remus mit seinem Blick fast schon zu durchbohren, „Und ich habe mich immer gefragt, wieso du an Vollmond zusammen mit deinen lächerlichen Freunden verschwunden bist."
Severus hob eine der zahlreichen Fläschchen auf, die vor den beiden Schülern ausgebreitet auf dem Boden lagen.
In ihr glitzerte eine schwarze Flüssigkeit.
„Und du verlangst von mir, dass ich dir beim Brauen des Wolfsbanntranks helfe, richtig?", fragte er und ein Hauch von Abneigung zog sich durch seine monotone Stimme.
Remus nickte.
Genervt atmete Severus aus und krempelte die Ärmel seines Pullovers hoch.
„Ich werde den Trank für dich herstellen, Lupin."

Es dauerte eine Ewigkeit den Trank zu brauen. Als Severus die letzte Zutat in den Kessel fallen ließ, nämlich Wolfswurz, färbte sich der Trank in ein tiefes und dunkles Blau.
Ein bitterer Geruch stieg Remus in die Nase und er verzog angeekelt das Gesicht.
„Wer hat dir sonst den Wolfbanntrank gebraut?", fragte Severus und schöpfte mit einer rostigen Kelle etwas von dem Trank in einen Becher ab.
„Professor Slughorn. Aber er hat es zeitlich nicht geschafft und desh-"
„Und deshalb fragst du mich, obwohl du mich nicht ausstehen kannst.", fiel ihm Severus ins Wort und gab ihm den Becher.
Remus verbrannte sich fast Finger, so heiß war der Becher.
Seine grünen Augen starrten auf die kleinen blauen Dampfwölkchen, die auf der Oberfläche des Tranks schwebten.
„Danke.", sagte Remus und nahm vorsichtig kleine Schlucke von dem bitteren Trank.

Durch den Spalt zwischen Boden und Tür kroch das morgendliche Sonnenlicht hervor. Sie hatten die ganze Nacht damit verbracht den Wolfbanntrank zu brauen.
Remus streckte sich und rieb sich seine müden Augen.
„Kaum zu glauben, dass wir die ganze Nacht hier waren.", lachte er und versuchte die Stille, die zwischen ihm und Severus schon seit Minuten anhielt, zu brechen.
Doch Severus ging auf den Kommentar nicht ein, sondern stellte den inzwischen abgekühlten Kessel zurück in das Regal.
Er war sich nicht sicher, ob er Remus nun vertrauen konnte oder nicht.
Denn das Geheimnis zu offenbaren, dass er ein Werwolf war, war zu riskant für einen dummen Streich.
„Das ist für dich, Snape."
Severus war aus seinen Gedanken gerissen worden und drehte sich um.
Remus hatte ein kleines braunes Leinensäckchen in der Hand und übergab es ihm.
Noch nie zuvor hatte ihm jemand, außer Lucius und Bellatrix, ein Geschenk gemacht.
Zögerlich nahm er das Säckchen entgegen und öffnete es.
Ein paar goldfarbene Münzen kamen zum Vorschein.
„Fünf Sickel.", sagte Remus, „Es ist nicht viel, aber ich möchte dir trotzdem etwas geben. Schließlich hast du mir geholfen."
Remus verabschiedete sich mit einem Lächeln und verließ den Artefakteraum.
Gebannt starrte Severus auf die Münzen.
Hatte ihm Remus Lupin, ein Freund von seinem Feind James Potter, etwa tatsächlich ein Geschenk gemacht?
Aus reiner Güte?
Verwirrt kratzte er sich am Hinterkopf, bevor auch er aus dem Raum verschwand.

Inzwischen war es kurz nach 7 Uhr. Vereinzelt taumelten Schüler durch die kalten Gänge von Hogwarts. Einige trugen bereits ihre Schuluniform und manche huschten im Schlafanzug umher.
Severus überlegte, was er nun bis zum Beginn des Unterrichts tun sollte.
Eine Standpauke von Lucius, wieso er diese Nacht nicht zurückgekehrt war, wollte er sich ersparen. Und alleine beim Frühstück in der Großen Halle zu sitzen und gelegentlich James ausgeliefert zu sein wollte er ebenfalls nicht.
Dann kam ihm eine Idee.
Er würde Lily von der Nacht berichten und ihr sagen, dass er den Auftrag erledigt hatte.

Es war das erste Mal, dass er sich in den siebten Stock zum Turm der Gryffindors begab.
„Slytherins sind hier nicht erwünscht!", brüllte ihn ein Schüler an, der gerade durch das Portraitloch kam.
Doch Severus ignorierte das Geschrei und lehnte sich gegen die Steinmauer.
Müde schloss er für einen Moment die Augen. Am liebsten würde er sich in sein Bett legen und drei Tage lang durchschlafen.
Erneut kam jemand durch das Portraitloch.
Severus öffnete müde seine Augen und erspähte die langen kupferfarbenen Haare von Lily.
Sofort fing sein Herz schneller an zu schlagen.
Sein Mund wurde trocken und er zitterte am ganzen Körper.
„Guten Morgen, Lily!", rief Severus und stieß sich von der Wand weg, wobei er beinahe das Gleichgewicht verlor.
Lily schaute verwirrt um sich, bis sie in das blasse Gesicht ihres Freundes schaute.
Mit offenen Armen kam sie auf ihn zu und umarmte den Slytherin mit voller Kraft.
Lily hatte Freudentränen in den Augen und begann zu schluchzen.
Severus' Herz pochte noch immer wie wild. Er befürchtete sogar, dass Lily seinen schnellen Herzschlag hören könnte.
„Vielen Dank, dass du Remus geholfen hast.", brachte sie unter Tränen hervor.
Severus streichelte ihr sanft über den Rücken.
„Keine Ursache, keine Ursache.", murmelte er bescheiden.
Es fühlte sich gut an, Lily zu umarmen.
Es fühlte sich gut an, wenn sie bei ihm war.
Lily machte Severus zum glücklichsten Jungen der Welt.

Nach einer Weile löste sich Lily von seiner Brust und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Möchtest du mit mir vielleicht mal ein Butterbier trinken?", fragte Severus schüchtern und schaute verlegen zu Boden, sodass seine schwarzen Haare das errötete Gesicht verdeckten.
„Ein Butterbier?", wiederholte Lily.
Severus fühlte, wie seine Handflächen schwitzig wurden.
„A-Als Freunde versteht sich!", fügte er stotternd hinzu.
„Ich würde sehr gerne mit dir ein Butterbier trinken, Sev. Was hältst du von heute nach dem Unterricht?", fragte sie strahlend.
Severus nickte hastig.
Es fühlte sich an, als würde ein Schwarm Schmetterlinge durch seinen Körper strömen.
„Also dann bis später.", kicherte das Mädchen und verließ den Turm.

Als Lily außer Sichtweite war schlug Severus die Arme über dem Kopf zusammen und drehte sich grinsend im Kreis. Es war Wochen her, dass er alleine Zeit mit Lily verbracht hatte. Und schon heute würde er zusammen mit ihr gemütlich ein Butterbier trinken.

Five Sickles - eine Snily Fanfiction (Deutsche | German Version)Where stories live. Discover now