3. Kapitel

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Wohlwollend verfolgte der junge Lehrer und Weltkriegsveteran die täglichen Pausenspiele.

Er selber hatte als Mitglied der 1. SS Panzergrenadier-Division den feigen Bolschewiken bei der sogenannten Schlacht um Charkov im Februar und März 1943 in der Ukraine ausgiebig gezeigt, was ein deutscher SS-Soldat zu leisten vermochte. Natürlich war die jetzige Schülergeneration schon zu verweichlicht und würde nicht mehr zu dieser soldatischen Härte geschmiedet werden können, doch die Pausenspiele waren für ihn doch ein ermutigendes Zeichen für das Weiterleben natürlicher, kerndeutscher Instinkte auch in der verweichlichten Adenauerzeit.  

Die genaue militärische Bezeichnung seiner  Division – also der Zusatz  „Leibstandarte SS Adolf Hitler" - kam in den unterrichtsbegleitenden Kurzvorträgen des Lehrers nicht zur Sprache. Auch nicht die Massenmorde und die unzähligen anderen Verbrechen dieser Truppe in praktisch allen Einsatzländern von Frankreich über Polen und die Ukraine bis nach Italien, wo die Division im September 1943 am Lago Maggiore  erste Massenmorde an italienischen Juden verübte.

Der Iwan hatte dem jugendlichen SS-Leibstandarten-Panzergrenadier damals im März 1943 einige Finger abgeschossen, und so konnte er mit den verbliebenen zwei Fingern statt kräftiger Ohrfeigen nur unterschiedlich starke Fingerschläge an die Schüler austeilen.

Der junge Lehrer hatte dafür seine eigene Methode entwickelt. Aus zentimeterkurzem Abstand hämmerte er meist im Sekundentakt mit seinen gekrümmten Restfingern gegen den Kopf des unwürdigen Schülers, bis der Wutausbruch über die Dummheit diese „Blödels" verraucht war oder bei ihm selbst eine allgemeine Erschöpfung eingetreten war. Manchmal wimmert der Schüler auch mehr oder weniger laut um Gnade. Dann ließ sich der junge Lehrer erweichen und liess vom gepeinigten Schüler ab, beschimpfte ihn stattdessen aber noch tagelang als Memme.

Der Sportunterricht, der überwiegend einer Art vormilitärischer Ausbildung ähnelte, fand zu jeder Jahreszeit auf dem Sportplatz vor dem Dorf statt. Der Weg dahin wurde genutzt, um das Marschieren in Reih und Glied zu üben. Natürlich wurde auf dem Marsch auch gesungen, das Lied vom Westerwald etwa, auf dessen Höhen der Wind so kalt pfeift oder das Lied von der schwarzbraunen Haselnuss und natürlich auch das Deutschlandlied. Mangelnde Textkenntnisse führten regelmässig zu Brüll-Exzessen des jungen Lehrers und zu späterem „Sprung-auf-Marsch-Marsch"-Drillrunden auf dem Sportplatz. Manchmal wurde auf dem Marsch auch das Horst-Wessel-Lied gesungen. Allerdings nur außerhalb des Dorfes.

Den Text kannte der Junge ja glücklicherweise bereits von zuhause. 

EIN BISSCHEN PRÜGEL HAT NOCH KEINEM GESCHADETWhere stories live. Discover now