31. Kapitel

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Clive bemüht sich seine Aufmerksamkeit auf das Gesamtgeschehen zu richten, doch Sinas Trauer geht nicht spurlos an ihm vorbei. Die hitzige Diskussion zwischen Rebecca und Cuno dringt nur gedämpft in sein Ohr, die Schaulustigen Leute blendet der Alchemist aus. Stattdessen nähert er sich der Fee, Sina wimmert und sitzt im Dreck. Vor ihr liegt Clives Körper, ein befremdlicher Anblick, mit dem sich der Alchemist gleich erst beschäftigen möchte.

Wenn Clive nur könnte, dann würde er ihre Tränen auffangen. Es ehrt ihn, dass Sina um ihn trauert. Oft wusste er nicht, wie die Fee wirklich zu ihm steht. Ihr schönes Gewand wird seinetwegen ganz dreckig, ihre Augen sind von den vielen Tränen geschwollen.

Sina ist zu abwesend, um zu merken, dass ihr Atem gefriert. Clive sieht nun von ihr zu seinem bereits blassen Körper, seine Muskulatur ist bereits erschlafft. Wären seine Augen offen, könnte er eine fehlende Pupillenreaktion feststellen. Viele würden ihn damit als Toten abstempeln, doch Clive vermisst die Totenflecken. Nach einer halben Stunde des Todeszeitpunktes sollte eigentlich violettrote bis zur blaugrauen Verfärbung der Haut auftreten. In den nächsten Stunden wird sich dann erst zeigen, ob die Totenstarre eintritt und darauf folgt die Fäulnis. Aber soweit möchte Clive es gar nicht kommen lassen.

Jelko nähert sich ihm interessiert. „Wie fühlt es sich an, deinen eigenen Körper dort zu sehen?"

Clive blickt auf und antwortet gefasst: „Wie ein schlechter Traum. Aber hier stimmt etwas nicht, denn ich vermisse die Totenflecken."

„Die was?"

„Dieser Zustand ähnelt mehr einem Tier, das sich für den Winterschlaf zurückzieht", grübelt der Alchemist.

Jelko hält ihn nun vor Augen: „Sie werden dich begraben."

„Du sagtest, du könntest Sina auf uns aufmerksam machen", kommt Clive auf den Plan zurück.

Der Kommandant seufzt laut und spricht seine Zweifel aus: „Ich kann es versuchen, die Frage ist nur, ob sie es mitbekommt."

Das hat Clive befürchtet, Sina ist viel zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt und der Trauer verfallen. Also handelt er aus Instinkt und versucht, seine Hand auf ihre Wange zu legen. Als seine Finger jedoch in ihrem Mund verschwinden, nimmt er die Hand erschrocken von ihr. Zu seiner Verwunderung hat der Alchemist ihre warme Temperatur gespürt und auch ihre Nähe dient ihm in dieser kalten Welt als Wärmequelle.

Sinas steife Finger lockern sich, schniefend bewegt die Fee ihren Kopf in seine Richtung. Als er ihren Namen sanft ausspricht, weiten sich ihre Augen. Der Schrecken steht ihr ins geschrieben, schnürt ihr die Atemwege zu. Die Farbe weicht der Fee aus dem Gesicht, als seine Gefährtin plötzlich von Clive wegrutscht.

„Du sollst sie nicht verängstigen!", beschwert sich Jelko bei ihm.

„Entschuldige", bereut Clive sein Handeln.

„Sina?", wird die Fee von Cuno angesprochen. „Was ist los?"

„Da war dieser Atem, direkt an meiner Wange und ich meine, meinen Namen gehört zu haben", antwortet die Fee bibbernd.

„Was sagst du da?!", klingt Cuno, als wolle man ihn auf den Arm nehmen.

„Ein fremder Atem? Eine Kälte? Hab ich auch gespürt, du wirst nicht verrückt", versichert Rebecca ihr trocken.

„Was?! Ihr spinnt doch!", glaubt Cuno ihnen kein Wort.

„Ein Geist? Etwa Clive?", spricht Sina ihren Gedanken verängstigt aus.

Rebecca blickt nachdenklich umher. „Oder ein Warnsignal, wenn die Hexe ihre Macht freilässt. Wie gesagt, ich habe da eine Spur und..."

„Wie oft noch?! Nein! Bleib gefälligst hier! Reicht ja schon, dass Clive tot ist!", fällt Cuno ihr ins Wort.

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