27. Kapitel

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Das Knistern des Feuers und der Tanz der Flammen zieht Clive Aufmerksamkeit auf sich. Schlafgetrunken hebt er den Kopf und blickt auf die einzige Lichtquelle in diesem kalten Raum. Die Temperatur ist so niedrig, dass er seinen Atem als Kältenebel zu Gesicht bekommt. Seine Handgelenke schmerzen, denn er ist an etwas festgebunden. Seine Glieder sind steif vom langen Sitzen, gefroren in der Kälte.

Durch den Schein des Feuers erblickt der Alchemist seine Beine und kann aufatmen, denn sein Körper besteht nicht mehr länger aus Stroh. In der Dunkelheit entgehen ihm selbst ohne seine Sehhilfe die schnellen Bewegungen nicht, er ist nicht allein.

Seine Kehle ist trocken und sein Körper sehnt sich nach einem Schluck Wasser. Sein Körper ist kraftlos, als wäre er schon eine Weile an diesem schrecklichen, finsteren Ort. Bei jeder nahen Bewegung macht sein Herz einen kurzen Aussetzer und als dann diese himmelblauen Augen aus der Dunkelheit stechen, zuckt der Alchemist vor Schreck zusammen. Leuchtende Augen, die ihn fixieren und Clive eine ganze Weile anstarren.

Erst als sich sein Herz beruhigt, nähern sich ihm die Augen und aus der Dunkelheit tritt der schwarze Kater von Alberts Hof hervor. Das süße Fellknäuel setzt sich neben Clive ans Bein, drückt seinen warmen, pelzigen Körper an den Alchemisten und mauzt kurz.

„Er ist wach, Luela", gibt der Kater preis.

Clives Blick schweift umher, gefasst darauf, dass jeden Moment die Hexe ins Licht tritt. Aber eine lange Zeit passiert einfach nichts und doch entgehen ihm die fernen Bewegungen nicht. Der Kater Amon gähnt bereits und legt sich auf alle viere zu Boden.

Dann als Clive bereits das Warten leid ist, tritt die wunderschöne Hexe aus dem Dunklen hervor. Dreist setzt sie sich auf seinen Schoss und schon im nächsten Augenblick liegen ihre Lippen auf seine. Clive wollte protestieren, doch Luela spült ihm eine kühle und geschmacklose Flüssigkeit in den Mund, während sie ihn küsst. Also lässt der Alchemist den Kuss gewähren und sein Körper nimmt die kühle Flüssigkeit dankbar entgegen.

Als sie den Kuss dann beendet, werden seine Gedanken klar und die Reue fällt gnadenlos über ihn her.

Denn wer garantiert Clive, dass es sich hier nicht um Gift handelt?

Als könnte Luela seine Gedanken lesen, haucht sie ihm ein Versprechen ins Ohr: „Keine Angst, Alchemist. Es ist wirklich nur Wasser gewesen, ich werde dich nicht töten."

Das Wasser hat seine Kehle benetzt und doch folgt nur ein Krächzen und ein Husten, als er sich dazu äußern wollte. Daraufhin setzt die Hexe einen Flaschenbeutel an ihren Mund und der nächste Schluck Wasser folgt über einen weiteren Kuss. Auch wenn es Clive anwidert, lässt er es zu. Denn wann hat er schon die Chance, sich mit einer Hexe zu unterhalten.

Luela betrachtet ihn freudig und erst jetzt fällt dem Alchemisten eine Blumenkette um ihren Hals auf, die aus vielen starken Duftblumen besteht. Clive ist sich sicher, dass sie den Gestank von schwarzer Magie verbergen möchte, aber selbst die Blumen können nicht alles überdecken. Die Hexe folgt seinem Blick und ihr Grinsen wird breiter.

Sie geht jedoch vom Falschen aus: „Gefalle ich dir, Alchemist?"

Clive sieht ihr schlagartig in die Augen und erkennt: „Die schwarze Magie hat ihren Preis."

Damit überrascht er sie und nun tätschelt sie ihn respektvoll über den Kopf.

„Du vertraust also einer Weißhexe", kaum ist es ausgesprochen, hört Clive die Verbitterung aus Luela.

„Weißhexe?"

„Oh, sie hat es dir nicht gesagt. Es gibt tatsächlich Hexen, die ihre Macht dafür einsetzen, um den Menschen etwas Gutes zu tun. Ihre Kräfte sind nicht mal annähernd so stark als die einer Schwarzhexe und doch sind sie Hexen. Die Menschen würden sie trotz ihrer guten Absichten hinrichten. Ihretwegen erholen sich die Felder, der Boden und das Wetter schlägt um. Eins ist klar, sie ist mächtig. Mächtiger, als ich annahm."

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