sɪx - hospital corridors

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Triggerwarning: Beschreibung einer sehr kranken Person und allgemein „klinischen" Themen.

Der potenziell triggernde Teil kommt erst am Ende vor, ich setze direkt davor noch eine Triggerwarnung, damit ihr den Rest des Kapitels trotzdem genießen könnt.

Stay safe everybody.

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Scorpius Hyperion Malfoy hasste Krankenhausessen.

Vielleicht, weil der Dreizehnjährige es vom Malfoy Manor gewöhnt war, nur feinste Delikatessen serviert zu bekommen. Vielleicht, weil Hogwarts ihn an eine schier endlose Anzahl von Optionen gewöhnt hatte.

Und vielleicht einfach nur, weil es für den Jungen zu den Stunden des Wartens gehörte, zu ernst aussehendem Personal, das ihnen Diagramme zeigte, zu der sterbenden Frau, in die sich seine Mutter verwandelt hatte.

Lust- und appetitlos schob Scorpius die genormten Karottenscheiben auf seinem Teller herum. Er wusste, dass es seinen Hunger nicht entfachen würde, das hatte schon bei dem pulvrigen Kartoffelbrei und den Erbsen nicht funktioniert, doch er konnte sich einfach nicht dazu aufraffen, seinen Teller zu leeren.

Die Kantine des St. Mungo's war gut besucht an diesem Nachmittag, erfüllt vom Klappern des Bestecks, leisen Gesprächen und lauten Geräuschen aus der Küche. Es gab ganze Familien, die hier mit müden Gesichtern aßen, doch die meisten waren, wie Scorpius, allein an ihren Tischen. Zauberer und Hexen mit dunklen Ringen unter den Augen, resignierten Ausdrücken auf den Gesichtern und blasser Haut.

Scorpius seufzte leise und schob den Teller mit dem kalt werdenden Gemüse zur Seite. Sein Blick wanderte kurz zur Uhr – Viertel nach vier, wie vor zwanzig Sekunden auch schon -, bevor der Junge ihn auf den langen Fenstern der Kantine ruhen ließ.

Sie waren unverständlicherweise in die Wand, die ins Gebäude hinein zeigte, eingelassen, nicht in die Außenmauer. Durch die milchigen Plexiglasscheiben hatte man einen guten Blick auf die sandgelb gestrichenen Flure des Krankenhauses.

Als wäre das ein willkommener Ausblick.

In den Gängen vom St. Mungo's herrschte reger Betrieb, Hexen und Zauberer in grünen Kitteln liefen geschäftig mal hier und mal dort hin, hielten ihre Klemmbretter wie Schutzschilde gegen Chaos dicht vor ihren Körpern. Sie bildeten einen extremen Kontrast zu den Besuchern, die offensichtlich nicht wussten, wohin mit sich.

Es war, als strahlten die Ärztinnen und Krankenpfleger nur mit schnellem Laufen durch die Gänge Kompetenz aus, als stände auf ihren Namensschildern Ich weiß, wo ich hin will.

Doch vielleicht war das Ein-Ziel-haben an sich schon Ziel genug? War es nicht das, was alle in diesem Krankenhaus wollten? Wissen, wo es langging?

Die Besucher wussten das offensichtlich nicht, verloren standen sie in den Fluren und saßen nervös in Wartezimmern. Ein untersetzter Zauberer mit so kurz rasiertem Haar, dass es sich kaum von seiner dunklen Haut abzuheben schien, war im Gang stehengeblieben und wurde von einer fast schon joggenden Ärztin mit vollem Tempo gegen die Schulter gerempelt. Der Mann folgte der Bewegung, drehte sich wie ein angestoßener Kleiderständer.

Der Mensch als lebende Drehtür.

Scorpius lag irgendwo zwischen Arzt und Besucher. Er hatte keine Ahnung, was als nächstes passieren würde und verstrickte sich in all den Fachworten wie in durch Finsternis ungesehene Spinnenweben (Verbotener Wald, erstes Schuljahr, mit Albus. Nichts, was er gern wiederholen wollte).

Gleichzeitig kannte er das St. Mungo's, kannte die Wandfarbe, die an die frisch gerührten Kuchenteiges erinnerte (Sommerferien, die Wohnung der Potters, das erste Mal, dass er der Familie als bester Freund vorgestellt wurde), kannte die von Babyschreien erfüllten Wartezimmer, die Kittel, die abgegriffenen Holzspielzeuge, die für die Kleinsten bereitstanden. Ja, sogar die genormten Karottenscheiben mit leicht geriffelter Oberfläche, die momentan auf seinem Teller kälter wurden, kannte er.

IMMORTAL ᵃ ˢᶜᵒʳᵇᵘˢ ˢᵗᵒʳʸWhere stories live. Discover now