Beichtstuhl (#Stexpert)

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Ich hörte Schritte vor dem Beichtstuhl, die sich langsam und bedächtig näherten, und dann den Vorhang, der zurück gezogen wurde. Wie üblich sah ich nur die Silhouette, die sich gegen das Licht von draußen in die zugegeben enge und leicht muffige Kammer mir gegenüber zwängte. Die Person setzte sich und ich wartete, dass er oder sie das Gespräch eröffnete.

Ein leises Räuspern kam von der anderen Seite, scharrende Füße auf Holz. "Daddy? Tut mir leid, ich war unartig!"

Kurz verharrte ich regungslos, dann seufzte ich: "Zum allerletzten Mal, Stegi! Es heißt 'Vergib mir Vater, ich habe gesündigt!' Das kann mich meinen Rang kosten, weißt du das?" Denn dieser Bengel, mein Bengel gewissermaßen, war ein Wiederholungstäter. Er machte sich einen Spaß daraus, die Kirche und meinen Glauben zu verspotten, wann immer er sich danach fühlte. Ich hatte schon mehrere Rügen von unserem Oberhaupt bekommen, dass ich den Jungen besser erziehen sollte, aber das war nicht so einfach, wie es sich von außen vielleicht anhörte. Weil... Stegi war ein Dämon.

Es war schon mehrere Jahre her, seitdem ich ihn kennengelernt hatte, nach einem schweren Sturm um genau zu sein. Ich hatte nur nach meinem Garten schauen wollen, ob alles die tagelangen Schauer und Windböen überlebt hatte, und dabei war ich über seinen zusammen gerollten, klatschnassen Körper gestolpert. Er war nicht bei Bewusstsein gewesen und kurz hatte ich sogar geglaubt, er wäre möglicherweise tot. War er aber nicht - dem Himmel sei Dank - nur völlig verausgabt und ohne jede Orientierung. Natürlich hatte ich seine zerrupften schwarzen Flügelchen gesehen und die Hornspitzen auf seiner Stirn und hatte kurz gezögert, ob ich ihn wirklich in mein gesegnetes Heim bringen wollte, aber für uns Christen galt es, unseren Mitmenschen zu helfen, egal welcher Abstammung, Herkunft und Gesinnung. Nächstenliebe zu empfinden, selbst für die Geschöpfe des Teufels... Also hatte ich ihn bei mir aufgenommen, seine wahre Natur für unser Umfeld vertuscht, ihn nach den besten Möglichkeiten als normales Menschenkind erzogen und gehofft, er würde kein Chaos auf der Welt anrichten. Funktioniert hatte es nur mittelmäßig. Er war frech, log wie gedruckt und hatte ein Auge für alles, das Verwirrung stiften konnte. Doch er hatte auch ein gutes Herz und verletzte niemanden mit seinem Unfug. Vermutlich war es das Beste, was ich je aus dem kleinen Teufelchen heraus kitzeln konnte.

"Aber ich war wirklich unartig", beichtete Stegi mit einem undefinierbaren Nachdruck in seiner Stimme, von dem ich bis heute nicht herausgefunden hatte, ob es echte Reue oder Stolz auf seine Taten war, oder möglicherweise noch etwas ganz anderes. "Ich hab schon wieder das Gartentor der Nachbarn demoliert und ihre Katze so lange am Schwanz gezogen, bis sie auf den Apfelbaum geflüchtet ist!"

Ich musste ein zweites Mal seufzen. Nicht schon wieder. "Warum hast du das getan?", fragte ich ihn, während ich resigniert meinen Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger knetete. Kurzes Schweigen füllte den Beichtstuhl.

"Weiß nicht", meinte Stegi dann leichtherzig, "Ist einfach so passiert! Die Mieze kommt schon wieder von alleine runter und das Tor ist nicht ganz futsch. Nur ein Brett ist kaputt."

"Und hast du dich dabei verletzt?"

"Nein, hab ich nicht. Kein Kratzer!" Jetzt grinste Stegi hörbar und ich beschloss erleichtert, ihn vorerst ohne Rüge nach Hause zu schicken und mich beim Abendessen nochmal mit ihm darüber zu unterhalten. "Gut. Dann geh jetzt wieder, wir sehen uns später."


Es musste zwei Stunden später sein, als ich es fühlte. Eine ungute Vorahnung, vielleicht durch die lange Zeit im dunklen Beichtstuhl, die meine Sinne mehr als sonst geschärft hatte. Ich brach meinen Kontrollgang durch die kleine Kirche ab, beeilte mich nach vorne zum Altar und lauschte von der erhöhten Position. Ja, da war etwas ungewöhnliches. Leises Klingeln, ein durchgehender Ton wie ein Holzklöppel, der in raschen Bewegungen gegen Glas getrommelt wurde. Glas - die Fenster! Vorsichtig ging ich auf eines der Mosaikfenster zu und legte prüfend meine Finger daran. Ja, s-sie bebten! Immer stärker! Ich wich zurück und im nächsten Augenblick glaubte ich, dass plötzlich die Hölle auf Erden ausgebrochen sei.

Youtuber Oneshots Vol.2Where stories live. Discover now