Foto (#Kostory)

1K 78 8
                                    

"Hier du Streber, fang!"

Mich erwischte ein Rugbyball frontal an meinem Oberkörper und hustend taumelte ich rückwärts, die wenigen Treppenstufen hinter mir verfehlte ich und rudernd stürzte ich zu Boden. Meine Tasche riss auf und mit verzerrtem Gesicht hielt ich mir die Rippen. Fuck...! Mir tat alles weh durch den Aufprall und zischend blinzelte ich den Hang hinauf zu demjenigen, der mich abgeworfen hatte.

Sie waren zu dritt, wie immer. Die fiesesten Schlägertypen und Schülermobber unserer Oberstufe. Und da sie sich nicht durch Leistungen im Unterricht behaupten konnten, ärgerten sie viel lieber diejenigen, die zu schwach oder zu ängstlich waren, um sich dagegen zu wehren. Mich zum Beispiel.

"Naww, hast du dir etwa wehgetan? Das tut mir aber leid, Kostas! Ich hätte schwören können, dass du ihn fangen würdest!" Sie lachten über ihren tollen Scherz und schauten mir zu, wie ich kommentarlos und schwer atmend meine Sachen aufhob, die aus der Tasche gefallen waren. Bücher, Mappen, Stifte, Hefte, ein paar lose Zettel. Und noch immer lachten sie hoch über mir und aus meinen Augenwinkeln sah ich sie langsam auf mich zukommen.

"Hey, alles gut? Brauchst du Hilfe?"

Ich erschrak, als ich die fremde Stimme an meinem Ohr hörte und drehte mich zackig zu ihm um. Aber es war keiner von den Schlägern, zum Glück! Es war Marik, der neue Schüler, der erst heute früh in unsere Klasse gekommen war und seit der ersten Minute lang furchtbar geheimnisvoll gewirkt hatte. Irgendwie... anziehend und verschwiegen und doch wahnsinnig interessant. Insgeheim hatte ich mir gewünscht, dass er mich ansprach, aber nicht jetzt!

"Geh besser wieder, sonst werden die dich auch noch mobben!", erklärte ich ihm leise und unbeeindruckt schaute er zu ihnen. "Die da?"

Sie waren stehengeblieben, eher unsicher darüber, wie sich die Situation soeben entwickelt hatte, aber dann schnaubte einer plötzlich: "Ach, guckt mal! Kostas hat jetzt einen Freund! Wie niedlich!" Trotzdem kamen sie nicht näher, so als wäre drei gegen zwei bereits zu hoch für sie. So ein Glück! Hastig stopfte ich mit Mariks Hilfe die restlichen Sachen so gut und sicher wie möglich in die zerschlissene Tasche und richtete mich mit einem leichten Ziehen in der Seite auf. Die Schläger standen immer noch da und machten ihre Scherze auf unsere Kosten: "Hey, du Möchtegern-Schutzengel! Ja, dich meinen wir! Komm doch her wenn du dich traust! Der Kostas ist es gar nicht wert, dass er von dir bemuttert wird!"

Marik kniff seine Augen leicht zusammen und fixierte die drei. Er hatte doch nicht wirklich vor...? Darauf durfte er sich nicht einlassen! Er sah zwar sportlich und auch muskulös aus, aber gegen diese Überzahl würde er ganz sicher irgendwann einknicken! "Tus nicht!", warnte ich ihn rasch und schämte mich gleich darauf. Hoffentlich dachte er nicht, dass ich eine Pussy war und deswegen riesige Angst vor den Kerlen hatte. Aber er schüttelte nur milde lächelnd den Kopf. "Ich prügel mich nicht. Nicht mit denen. Pass mal auf!"

Marik hob den Rugbyball auf, der mich vorhin aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, warf ihn einmal prüfend ein Stück nach oben und schleuderte ihn dann zu dem Jungentrio, mit solcher Kraft, dass derjenige, der ihn abfing, durch die Wucht von den Füßen gerissen wurde und auf seinem Hintern landete. Entsetzt und verblüfft zugleich klappte mir der Mund auf. D-das war eine Entfernung von zwanzig Metern zwischen uns gewesen und obwohl er ihn eindeutig gefangen hatte, war er trotzdem umgefallen! Wie stark war Marik bitte?! Das hätten die besten aus unserer Klasse nicht einmal zusammen hinbekommen!

Auch unsere Peiniger schienen das zu verstehen. Innerhalb weniger Sekunden hatten sie das Weite vor uns gesucht und ich schaute meinen Retter dankbar an: "D-das war Wahnsinn! Ohne dich hätten sie mich heute nicht mehr in Ruhe gelassen!"

"Gern geschehen! Ruf mich, falls sie dich noch einmal so angehen! Und du solltest dich wegen dem Sturz untersuchen lassen, damit scherzt man lieber nicht!" Marik verabschiedete sich noch von mir und ging. Eine ganze Weile sah ich ihm noch ungläubig nach. Wow... Wie gerne wäre ich doch genauso cool wie er!


"Koschtiii? Komm mal her, ich hab das Foto entwickeln lassen und dabei etwas total seltsames bemerkt!"

Fragend schaute ich Myriam an, die mir vom anderen Ende des Klassenraumes winkte. Es war nach dem Schluss der letzten Stunde und alle waren schon nach draußen geströmt, bis auf mich und das Mädchen, die nebenbei meine allerbeste Freundin hier an der Schule war. Fotografie war eines ihrer unzähligen Hobbys und sie knipste quasi immerzu alles, was ihr vor die Linse geriet. Ich wusste auch, welches Foto sie gerade meinte. Myriam hatte Marik und mich mit ihrer Kamera festgehalten, als er mir gegen die Gruppe an Fieslingen geholfen hatte. Ich schätzte, sie hatte ein Auge auf den gut aussehenden Jungen geworfen, weil sie immer ins Schwärmen kam, wenn jemand den Neuen erwähnte. Nur, was hatte sie seltsames gefunden? Und warum wollte sie es so unbedingt mit mir teilen?

"Guck mal Koschti, was fällt dir auf?", fragte sie und hielt mir eins von den drei Hochglanzpapieren hin, die sie verdeckt unter ihrer Hand versteckte. Verwundert legte ich meinen Kopf schief: "Du hast mich fotografiert? Also, noch ohne Marik, während ich mein Zeug aufsammel. Hmm, aber ich sehe nichts seltsames."

Myriam nickte mit erröteten Wangen und zusammengekniffenen Lippen, auf denen aber ein Lächeln aufblitzte. Sie wollte das Mysterium unbedingt selbst auflösen, aber genauso sehr meine eigene Schlussfolgerung hören. "Und jetzt das zweite!"

Hier stutzte ich tatsächlich. Wieder war nur ich zu sehen, aber alle meine Sachen waren bereits in der Tasche verschwunden. Huh? Zu dem Zeitpunkt war Marik doch schon längst bei mir gewesen! Und noch etwas merkwürdiges entdeckte ich. Ein einzelner Block schwebte am unteren Bildrand vielleicht einen Zentimeter über dem Boden! Wie konnte das sein? Das Foto war groß genug geschossen, sodass der Junge neben mir zu sehen sein musste, aber er tat es nicht und stattdessen flog dort ein Block! Nagut, ein Windstoß hätte ihn erfassen können und Myriam hatte im perfekten Moment den Auslöser gerückt, aber wie groß sollten bitte die Chancen dafür sein?

"Und das dritte!", grinste das Mädchen jetzt breit. Hier war es eindeutig! Der Rugbyball, den Marik aufgehoben hatte, schwebte völlig frei in der Luft, mein Ich in der Fotografie sah ihm sogar noch dabei zu! Nein, das war so definitiv nicht passiert! Ich schaute auf. "Er ist nicht auf den Fotos! Er... ist unsichtbar!"

"Krass, oder? Das ist kein Fake und wenn du mich fragst, macht ihn das gleich noch zehnmal cooler!", kicherte Myriam verträumt. Ich bekam allerdings ein beklommenes Gefühl. Wer oder was war Marik...?

______________________

Letzter OS für eine Woche liebe Leute, jetzt muss ich mich erst einmal in mein Abitur reinknien! Danach sollte es hoffentlich wieder ganz regulär weitergehen! :)

Youtuber Oneshots Vol.2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt