Schneeball (#Stexpert)

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"Pass auf, Stegi!"

Ich drehte mich noch lachend um und sah plötzlich einen Schneeball auf mich zurasen. Er zielte genau auf mein Gesicht und vor lauter Schreck konnte ich mich nicht einmal von der Stelle bewegen, um ihm auszuweichen. Das würde wehtun! Besonders, wenn da kleine Steinchen drin waren, vor denen unsere Lehrerin uns jedes Jahr ausgiebig mahnte. Ich konnte nur noch hastig die Augen zusammen kneifen und auf den schmerzhaften Aufprall warten, aber... es geschah nichts. Wirklich gar nichts...!

Meine Freunde atmeten laut auf und tuschelten irgendetwas, weshalb ich schließlich meine Augen vor Neugier wieder öffnete und nochmals zusammenzuckte. Der Schneeball schwebte immer noch vor meinem Gesicht, aber er kam mir nicht mehr näher. Er schwankte nur ein wenig in der Luft, doch bevor ich meine Gedanken komplett gesammelt hatte oder nur ein einziges Wort sagen konnte, fiel er auch schon wieder herunter und zerplatzte vor meinen Füßen in lauter kleine Bruchstücke. W-wie hatte ich das hinbekommen? Das war kurzzeitig wie Magie gewesen!

Auch das gegnerische Team unserer spielerischen Auseinandersetzung kam jetzt erstaunt zu uns gestürmt, scharrte sich um mich und verlangte, dass ich das nochmal machte. "Du hast die Kugel irgendwie schweben lassen, wie hast du das hingekriegt Stegi?!"

"Ich weiß es selbst nicht!", gab ich verlegen und völlig durcheinander zu, aber sie wollten nicht auf mich hören! "Versuch es doch nochmal!"

"Komm schon!"

"Spielverderber!"

Meine Wangen liefen rot an. W-was sollte ich denn bitte tun? Ich wusste ja nicht einmal, was ich getan hatte, damit der Schneeball gestoppt war! Aus Mangel an Einfällen schaute ich mich unangenehm berührt um und entdeckte einen Ast, der halb aus der zertretenen, weißen Decke herausragte, und streckte meinen Arm aus. So vielleicht? Ich stellte mir vor, wie ich ihn hochhob und kam mir im nächsten Moment dämlich vor, wie ich mich von meinen Freunden vorführen ließ. Aber zur Überraschung aller funktionierte es seltsamerweise! Der Stock erzitterte leicht, dann wurde er von unsichtbarer Hand aus dem Boden gezogen und flog frei in der Luft vor sich hin. Wahnsinn! Nur woher kam das so plötzlich? Ich konnte doch noch nicht schon immer Dinge schweben lassen!

"Wie cool! Ist das ein Trick?", staunten die Jungs um mich herum nicht schlecht und starrten alle fasziniert auf das leicht trudelnde Stück Holz. Danach hob jemand einen Kiesel auf: "Hier versuchs mal mit dem!"

"Ich weiß nicht...", murmelte ich unsicher, aber die anderen waren schon nicht mehr aufzuhalten. "Ach man Stegi, findest du das etwa nicht total krass? Bitte, nur noch der Stein!"

Ich seufzte, noch immer stark verunsichert, und versuchte jetzt auch noch, den Stein zum Fliegen zu bringen. Und tatsächlich funktionierte auch das! Ja, irgendwie war das schon ein wenig cool!


Als ich am Nachmittag wieder Zuhause angekommen war, atmete ich erst einmal tief durch. Obwohl sie mir versprochen hatten, dass der Kiesel das letzte war, das ich schweben lassen sollte, hatten sie mich noch den ganzen Tag über mit weiteren Bitten überhäuft, die ich ihnen schließlich nach langem Betteln erfüllt hatte. Jetzt war ich müde und brauchte dringend Ruhe.
Trotzdem setzte ich mich an meinen Schreibtisch, anstatt mich aufs Bett zu legen, und kritzelte ein wenig in meinem Notizbuch herum. Ich konnte Sachen fliegen lassen... Irgendwie klang das immer noch wie ein unglaublicher Traum! Versonnen legte ich den Stift beiseite und richtete meine Finger aus kurzer Entfernung auf ihn, um es noch einmal für mich zu versuchen. Nur kurz und aus Spaß. Er hob sich auf mein Zeichen und ich lächelte zufrieden, aber plötzlich tat er etwas seltsames. Er wackelte hin und her, als würde er mir... winken? Dafür war ich nicht verantwortlich! Mit offenem Mund beobachtete ich den Kuli, ehe ich mir ein Herz fasste: "Eh, hallo? W-wer bist du?"

Er hielt kurz inne, dann wanderte er geradewegs zu meinem Block vor mir und begann, über die Seiten zu tanzen. Als er sich wieder hinlegte, stand dort in leicht krakeliger Schrift ein kompletter Satz!

Hallo Stegi, mein Name ist Tim.

"B-bist du ein Geist?"

Ja, bin ich.

"Und warum bist du dann bei mir? Bist du ein Schutzengel?" Mein Herz pochte mir dabei immer schneller und aufgeregt wartete ich auf seine Antwort. Ein waschechter Geist und ich unterhielt mich einfach so mit ihm! Das war noch viel cooler, als Sachen fliegen zu lassen!

Nein, kein Schutzengel. Aber ich wollte dir helfen, weil du immer nett zu anderen bist!

Schon spürte ich die Hitze in meine Wangen kriechen. Hatte er mich schon länger beobachtet? Huh, das war ein wenig unerwartet und gruselig, aber wenn er nichts schlechtes von mir dachte, war ich auch echt erleichtert!

"D-dann danke, dass du mir heute geholfen hast! Ohne dich hätte ich mir bestimmt ganz schön weh getan!"

Kein Problem, habe ich gerne gemacht!

Ich grinste glücklich. Dieser Tim klang wirklich nett! Schade nur, dass ich ihn nicht sehen konnte. Zum Schreiben musste er gerade genau neben mir stehen, aber er war vollkommen durchsichtig. Kurzzeitig konnte ich meine unverschämte Neugier noch zügeln, dann fragte ich ihn aber trotzdem: "Du, Tim? Wer genau bist du eigentlich? Hast du mal gelebt? Und wie siehst du aus?"

Diesmal tat er sich scheinbar schwer beim Schreiben. Andauernd sah ich den Stift vom Papier absetzen, für Sekundenbruchteile verharren und dann weiter kritzeln.

Ich habe einmal gelebt, aber das ist Ewigkeiten her. Hier in der Gegend bin ich groß geworden, deswegen komme ich ab und zu noch hierher, um nach dem rechten zu schauen. Warum ich ein Geist geworden bin, weiß ich aber auch nicht wirklich.

Der Kuli ruhte kurz auf meinem Schreibtisch, ehe Tim ihn nochmal aufnahm und weiterschrieb.

Willst du mich mal sehen?

"Ja, bitte!", verlangte ich und schaute gespannt in meinem Zimmer umher. Irgendwo würde Tim gleich auftauchen, der sich heute so geduldig um mich gesorgt hatte und jeden einzelnen Gegenstand hatte fliegen lassen, der mir aufgedrängt worden war!

Er erschien, als wäre er bloß hinter einem Vorhang hervor getreten, ein schelmisches Lächeln im Gesicht und die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ich staunte, weil ich ihn mir eigentlich als Erwachsenen vorgestellt hatte, aber er sah aus, als könnte er auch noch die Schule besuchen! Dafür war er viel größer als ich und wir hätten unterschiedlicher nicht sein können. Ein Eindruck blieb trotzdem unverändert: Er sah wirklich nett aus, als könne man eine Menge Spaß mit ihm haben!


Bonus

"Stegi, kommst du zum Abendessen?", rief meine Mutter von unten und sofort sprang ich von meinem Bett auf. "Ja, ich bin gleich da!" Dann stupste ich Tim neben mir an: "Komm doch auch mit! Bestimmt kannst du dir unbemerkt etwas stibitzen, das Essen von Mama ist echt wahnsinnig lecker!"

Er lächelte unbeholfen. "Ich muss nichts mehr essen, aber ich komme gerne mit. Ich mag den Duft von frisch gekochten Sachen sehr!" Doch noch während wir mein Zimmer verließen, hörte ich hinter mir ein Rumpeln und schaute mich erschrocken um. Tim hielt sich die Stirn und stöhnte leise auf. Er war genau vor die Kante meiner Zimmertür gelaufen, und das nicht gerade sanft. Autsch...!

"Bist du okay?", wollte ich leise von ihm wissen und er nickte vorsichtig. "Ich war schon so lange nicht mehr materiell, dass ich ganz vergessen habe, was ich in Menschengestalt kann und was nicht. Durch Wände laufen, zum Beispiel. Ich bin ein ziemlicher Schussel..."

"Alles gut bei dir, Stegi? Ich hab ein lautes Geräusch gehört!", rief meine Mutter plötzlich aus der Küche und ich rief hastig zurück: "Alles gut, nichts passiert! Bin gleich da!"

Doch ich brauchte Tim gar nicht zu erinnern, dass er besser wieder unsichtbar wurde, denn als ich mich umdrehen wollte, war er bereits nicht mehr zu sehen. Tihi, da hatte ich heute durch reinen Zufall einen tollen neuen Freund getroffen! Vielleicht konnte ich ihn auch dazu überreden, noch ein wenig länger bei mir zu bleiben. Ich mochte ihn jedenfalls sehr!

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Ich sitze schon über ein viertel Jahr auf diesem OS und fand ihn immer zu schlecht geschrieben, aber jetzt hab ich nochmal ein klein wenig dran rumgebastelt ;) Es ist nichts besonderes, aber manchmal muss ja auch gar kein riesiges Drama passieren, ne?

Youtuber Oneshots Vol.2Where stories live. Discover now