Kapitel 08

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Jake

Wenn mich jetzt jemand kneift, raste ich aus. Wenn ich jetzt meine Augen aufschlage, an meine triste, weiße, von Spinnennetzen übersäte Decke starre und schweißgebadet aufwache, dann wüsste ich absolut nicht, was ich tun soll.

Denn das hier, mit Cara, das ist echt. Es muss einfach echt sein.

Heute morgen noch sind wir Fremde gewesen, doch es haben ein paar Stunden ausgereicht und ich habe ihr bereits von meinen Träumen erzählt.

Es ist, als würden wir uns schon ewig kennen. Und auch, wenn sie vielleicht ein ganz anderer Mensch ist, als ich es mir wünsche, wenn ich sie total falsch interpretiert habe, dann ist es das trotzdem durchaus wert.

Denn mit wem spricht man besser, als mit einem neutralen Menschen, der anscheinend die gleichen Ansichten und Meinungen hat, wie man selbst?

Cara und ich sind vielleicht verschieden aber ich habe nur die paar Stunden hier auf der Brücke am Fluss gebraucht um zu verstehen wie sie tickt.

Sie scheint aus irgendeinem Grund pessimistisch zu sein, obwohl ich sie heute morgen noch für viel zu naiv eingeschätzt habe.

Aber mittlerweile, ganz plötzlich und unerwartet und wahrscheinlich nicht mal mit Absicht hat sie mir gezeigt, dass sie die Wahrheit liebt. Die Realität. Sie ist keine Träumerin, wie ich einst vermutet habe. Sie sieht die Welt mit offenen Augen, so wie ich.

Und es tut gut, endlich mal jemanden gefunden zu haben, der nachts nicht von Glitzereinhörnern, dem großen Geld, Weltfrieden und Glück träumt.

...

Es ist bereits kurz nach elf, als wir in der Videothek ankommen. Durchgefroren, mit roten Nasenspitzen, eisig kalten Händen und Füßen. Aber dennoch grinsend, von einem Ohr über das andere.

,,Tut uns leid, wir haben schon geschlossen," brummt eine dicke, alte Frau, kommt hinter ihrem Tresen hervorgekrochen und zeigt in Richtung Tür.

Na super, hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass um diese Uhrzeit nicht mehr viele Läden aufhaben. Aber ein Versuch ist es wert gewesen.

Und aufgeben werde ich so schnell ganz sicher nicht, immerhin geht es hier gerade darum, Cara mit Dinosauriern vertraut zu machen und sie auf die Seite meines Lieblingsfilms zu ziehen!

,,Wer ist denn uns?" hake ich freundlich nach, ,,ich sehe hier niemanden außer sie."

Die Frau schnaubt verächtlich, wie der T - Rex im ersten Jurassic Park Teil, der gerade die aufgenommene Fährte seiner Beute verloren hat.

,,Sie wollen also kein Geld mehr dazu verdienen?" erkundige ich mich und zwinkere ihr grinsend zu, woraufhin sie anscheinend ein wenig wütend wird.

,,Ich habe heute schon genug Geld verdient und nun haut ab!"

Cara zieht etwas nervös an meinem Ärmel und will mir eindeutig klar machen, dass wir lieber verschwinden sollten, aber ich bin noch lange nicht fertig.

Ob wir nun zu spät sind oder nicht, so müssen wir uns auf jeden Fall nicht behandeln lassen! Ich tue so, als würde ich mich in dem Laden ein wenig umsehen, ehe mein Blick wieder auf der älteren Frau ruht, die wahrscheinlich jeden Tag missmutig zur Arbeit kriecht, anstatt zu gehen. Und nachdem ich ihr genau das gesagt habe, ist auch der letzte Funken Freundlichkeit aus ihr entwichen und vor uns steht Lord Voldemord höchstpersönlich, keuchend und pumpend wie ein verärgerter Marienkäfer.

Während Cara sich hinter mir nicht mehr einkriegt.

So bekommen wir garantiert keinen Film mehr...

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