3- Können sie mich bitte mal schlagen?

2.5K 123 8
                                    

Für einen kurzen Moment spürte ich den Anflug von Schwindel

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Für einen kurzen Moment spürte ich den Anflug von Schwindel. Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben. Irgendwie fühlte ich mich seltsam benommen. Mir fiel die Taschenuhr wieder ein und ich bückte mich, um diese aufzuheben. Doch die Stelle, an der sie auf den Boden fiel, war leer. Die Uhr war verschwunden. Alles, was ich sah, war die Kette, welche an der Taschenuhr befestigt war. Wie konnte das sein? Ich meine, vor zwei Sekunden fiel die Uhr genau vor meinen Füßen auf den Boden... Sie muss sehr wichtig gewesen sein, denn mein Großvater hatte sehr ängstlich gewirkt, als ich sie in den Händen hielt. Apropos... ich richtete meinen Blick auf die Tür. Sie war geschlossen. Mein Großvater war gegangen. Ich beschloss wieder nach unten zu gehen. Zum einen, um meinen Großvater zu suchen und mich wegen der Uhr zu entschuldigen, wo auch immer sie sein mochte, und zum anderen, weil ich schleunigst zurück auf die Hochzeitsfeier sollte. Ich wusste nicht, ob es reine Einbildung war, aber ich hatte das Gefühl, es sei kühler geworden und hatte es sich draußen verdunkelt. Der Himmel war nicht mehr wolkenlos, wie gerade eben noch. Ich öffnete die Tür und bevor ich überhaupt zwei Schritte in den Flur machte, prallte ich gegen jemanden.

„Oh, tut mir leid... Ich bin etwas neben der Spur und habe Sie erst im letzten Moment gesehen.", entschuldigte ich mich rasch, den Kopf peinlich berührt zur Seite gedreht.

„Lassen Sie mich Ihnen helfen."

Zuvorkommend nahm er meine Hand und half mir auf die Beine. Immer noch total durch den Wind strich ich mir einige Strähnen aus dem Gesicht und konnte nun meinem Gegenüber erstmals ins Gesicht blicken. Die grauen Augen, die mich eine Spur amüsiert musterten, gehörten einem jungen Mann vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Jedenfalls sah er mit den leicht verstrubbelten dunkelblonden Haaren zu seinem athletisch gebauten Körper unglaublich gut aus. Er trug so eine merkwürdige schwarze Pinguin-Anzugsjacke, ihr wisst schon die, die hinten so spitz zusammenlaufen mit dem Schlitz in der Mitte. Okay Sophie hör auf ihn so anzustarren! - Aber ich konnte nicht. Niemals hätte ich gedacht, dass graue Augen so anziehend wirken können und - verdammt - dieses Grinsen, was sich der Fremde leichtherzig versucht zu verkneifen, ist einfach nur heiß.

Als ich wieder auf den Beinen stand, sah er mich interessiert an: „Aber nicht doch, geht es Ihnen gut? Was haben sie überhaupt hier oben zu suchen?".

„Ich gehe sofort wieder nach unten und ich bitte nochmals um Entschuldigung", gab ich knapp von mir und machte mich auf den Weg nach unten, aber nicht ohne mich auf der Treppe nochmal unauffällig herumzudrehen. Der hotte Pinguin starrte mir mit Irritation und einer Spur Misstrauen hinterher, also ging ich rasch weiter und war stolz, ohne weitere unangenehme Missgeschicke unten anzukommen. Unheimlich attraktiv, absolut, aber wie redete dieser Typ bitte? „Aber nicht doch", wer sagte sowas noch. Charly würde sich den Finger in den Hals stecken.

Ich begegnete niemandem mehr und noch verwirrter war ich, als ich im großen Saal ankam und ebendieser leer war. Also er sah so aus wie immer: Wanduhr, Kronleuchter, Esstisch und der Flügel, wobei es sich merkwürdigerweise um das schwarze Exemplar handelte, standen alle noch an ihrer Stelle, doch der Raum war weder hochzeitlich geschmückt, noch sah ich irgendwelche Gäste. Ich ging auf die Fenster zu und stellte fest, dass auch im Garten keine Gäste oder gar Stühle und Blüten zu finden waren. Alles sah aus wie an jedem beliebigen Tag im Jahr, nur nicht, wie am Hochzeitstag von Katharina. Vielleicht erlitt ich eine Art Schock, weil mein Großvater mich so stark erschreckt hatte und war jetzt ohnmächtig und träumte wirres Zeug. Oder ich war tot und das ist der Himmel, aber diesen Gedanken wollte ich lieber schnell verdrängen. Oder aber mir wurde etwas in den Sekt gekippt, den ich kurz vor meiner Rede angenommen hatte... Ich wollte mir eigentlich nur etwas Mut antrinken, aber jetzt im Nachhinein hatte ich ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken daran.

Hundred years back ||✔Where stories live. Discover now