2- Sie dürfen die Braut jetzt küssen

3.1K 124 15
                                    

Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit
Marie von Ebner-Eschenbach

》Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit《Marie von Ebner-Eschenbach

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Samstag, 19.03.2016

Ich betrachtete mein Spiegelbild und war gar nicht mal so abgeneigt von der Auswahl meiner Mutter. Mein dunkelbraunes Haar harmonierte eigentlich ganz gut mit dem veilchenblauen Kleid. In sanften Wellen fielen meine leichten Locken über meine Schultern und das betonte Make-up ließ meine grünen Augen erstrahlen. Unten warteten bereits meine Eltern auf mich, damit wir zu meinen Großeltern aufbrechen konnten, bei denen die Hochzeit stattfand. Es war echt tolles Wetter, relativ warm, sonnig und der Frühling machte sich bemerkbar. Also wenn man bedachte, dass es nicht einmal Ende März war, konnte man sich wirklich nicht beschweren. Auch wenn ich meiner Schwester nicht immer alles gönnte, freute ich mich für sie, denn eine Hochzeit im Regen wäre verdammt blöd gewesen. Gerade für die Organisation einer Trauung im Freien wäre das sehr problematisch gewesen. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und fragte mich, was wohl passiert wäre, wenn es aus Eimern geschüttet hätte oder gar ein Sturm aufgezogen wäre. Wahrscheinlich hätten die gesamten de Lacy Frauen einen Kollaps erlitten, angefangen bei Katharina bis hin zu meiner Urgroßmutter, die sich einmal im Grab wälzen würde. Lange gelang es mir jedoch nicht mehr abzuschalten. Die Autofahrt dauerte zwar nicht lange, doch während dieser kurzen Zeit hyperventilierte meine Mutter beinahe, denn es könnte ja noch so viel schiefgehen. Man könnte meinen, es sei ihre eigene Hochzeit.

„Sophie, habe ich dir schon gesagt, dass du bezaubernd aussiehst?", ich war noch erstaunt über die freundlichen Worte meiner Mutter als sie auch schon fortfuhr: „Und denke bitte daran, dich angemessen zu verhalten. Heute werden viele wichtige Personen anwesend sein und da willst du doch sicher einen guten Eindruck hinterlassen." Ihre eindringliche Warnung hinter einem süffisanten Lächeln verborgen, schaute sich mich durch den Rückspiegel an.

Ha! Ich wusste es, wenn meine Mutter Komplimente verteilte, glichen diese stets der Ruhe vor dem Sturm.

„Sophie, hast du mich verstanden?!" Ich musste mich zusammenreißen ihr nicht, um die Ohren zu werfen, dass ich es bereits bei den vorigen dreißig Malen diese Woche verstanden hatte:

„Ja, ich werde mich bemühen, nicht negativ aufzufallen". Das hörte sich fast schon so an, also wäre ich ein ungebändigtes Kleinkind, dabei war ich im Allgemeinen ziemlich ruhig. Manchmal konnte ich mir aber bei den aufgeblasenen Freunden meiner Mutter ein Augenrollen nicht verkneifen, was bei ihr jedes Mal die Halsschlagader anschwellen ließ.

Angekommen bei meinen Großeltern, stellte ich fest, dass das alte, aber bezaubernde Herrenhaus wunderschön geschmückt worden war. Unser Haus ist modern und groß, aber im Vergleich hierzu, beinahe als Gartenhütte zu bezeichnen. Meine Großeltern empfingen uns im Foyer und ließen uns augenblicklich etwas zu trinken bringen - was ich schnell runterkippte, wofür ich mit bösen Blicken gestraft wurde. Dann führten sie uns weiter hinaus in den riesigen Garten. Mir war bekannt, dass der Garten wunderschön ist, mit den vielen Blumen, Bäumen und Sträuchern. Aber ich musste zugeben, die Hochzeitsplanerin hatte ganze Arbeit geleistet. Die weißen Stühle, die an beiden Seiten aufgereiht waren und der mit weißen und rosa Blüten bedeckte Weg in der Mitte verliehen dem Garten ein extravagantes Flair. Alles war wunderschön, aber erzähle das mal jemand meiner Mutter. Nach weniger als zwei Minuten, in denen wir draußen standen, begann sie bereits sich über Kleinigkeiten, wie einen nicht akkurat in der Reihe stehenden Stuhl, aufzuregen. Man hätte denken können hier würde gleich ein Staatsempfang stattfinden, denn genau so führte sich meine Mutter auf. Ich beschloss dem Ärger aus dem Weg zu gehen und machte mich auf zu Katharina, die bereits oben im Gästezimmer war. Wobei vielleicht lief ich auch geradewegs in einen Tornado.

Hundred years back ||✔Where stories live. Discover now