Kapitel 27

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Ich spüre, wie ihre Fingerspitzen über meine Haut tanzen. Federleichte Berührungen, die eine prickelnde Gänsehaut hinterlassen. Weiche Lippen, die sich langsam ihren Weg über meinen Körper küssen. Sinnliche Worte, die sie mir lüstern ins Ohr raunt.
Wir verschmelzen miteinander, werden eins im Schatten der Nacht. Alles um mich herum löst sich auf, wird von den Wellen der Leidenschaft und Ekstase verschlungen, bis nichts mehr zu existieren scheint außer sie und ich. Da ist nur noch Hitze, Sehnsucht, heißes Begehren. Und der Wunsch, dass dieser Augenblick niemals enden mag, wir uns in dieser Unendlichkeit verlieren und für immer hier an diesem Ort bleiben können, auf ewig gefangen in den Armen der anderen.
„Hallo. Erde an Maja!"
Die Hand, die wild vor meinen Augen herumfuchtelt, holt mich unsanft zurück in die Realität. Nur langsam nehme ich die Umgebung um mich herum wahr. Da ist Leonie, die in einem Traum aus Weiß vor mir steht und mich erwartungsvoll anschaut. Wir befinden uns in einem Brautmodegeschäft, umgeben von Rüschen und Tüll. Eine Frau kommt auf uns zugelaufen, während sie auf einem Tablett zwei Sektgläser balanciert.
Da begreife ich. All das war nur ein Traum. Ich habe mich mal wieder verloren in den Erinnerungen an Augenblicke, die längst verloren sind und die Realität dabei vollkommen aus meinem Bewusstsein verdrängt.
Ich seufze frustriert auf. So sollte das nicht laufen. Nicht heute. Nicht, wenn ich meiner besten Freundin die Trauzeugin sein will, die sie so sehr verdient hat.
„Entschuldigung. Ich war nur so gefangen von diesem Anblick", versuche ich mich rauszureden und deute vielsagend auf das Brautkleid, das sich wie eine zweite Haut um Leonies Körper legt. Es ist keine Lüge, denn sie sieht wunderschön darin aus. „Es steht dir wirklich fantastisch."
„Ich glaube dir kein Wort!", entgegnet sie, schenkt mir aber ein verständnisvolles Lächeln, das ihren Worten die Schärfe nimmt. „Du warst mit deinen Gedanken wieder bei ihr, nicht wahr?"
„Wie könnte ich das nicht sein? Ich denke seit Tagen an nichts anderes."
Ich greife nach einem Sektglas, die uns die Dame mit einem höflichen Lächeln auf den kleinen Tisch neben der opulenten Couch stellt. Das Brautmodengeschäft liegt im Zentrum der Stockholmer Innenstadt, besteht aus drei Stockwerken und beherbergt mehr Kleider und Anzüge, als ein einzelner Mensch je in seinem ganzen Leben tragen könnte. Aber Leonie scheint die luxuriöse Aufmachung des Ladens und riesige Auswahl an Brautkleidern zu gefallen. Ihre Augen strahlen wie die eines kleinen Kindes am Heiligen Abend.
Ich schwenke die goldsprudelnde Flüssigkeit im Glas und bemerke den sorgenvollen Ausdruck, mit dem mich Leonie jetzt betrachtet.
„Ich weiß, wie wahnsinnig viel sie dir bedeutet."
Ich lächle sanft. „Es ist so viel mehr als das. Sie brachte mir Frieden für mein Herz, Geborgenheit für meine Seele. Wenn ich in ihren Arm lag, fühlte sich jeder Moment unendlich an. Da war ich mir sicher, dass wir beide für die Ewigkeit bestimmt waren. Mit ihr hatte ich keine Angst mehr vor dem Lieben. Nur davor, was passieren könnte, wenn sie es eines Tages nicht mehr tut."
„Warum warst du dir damit so sicher? Warum glaubst du, dass sie einfach so damit aufhören könnte, dich zu lieben?"
Weil sie es schon einmal tat. Einfach so aus meinem Leben verschwand, eine Sekunde nachdem sie mir ihre ewige Liebe versprochen hat. Und jetzt tat sie es wieder.
Ich antworte Leonie nicht. Weil dann die Tränen kommen, die Verzweiflung und die Sehnsucht, die durch die Oberfläche brechen und all die Qualen bringen würden, die ich mit all meiner Willenskraft zu verdrängen versuche. Und das ist nicht richtig. Nicht heute, wo es doch einzig und allein um Leonie und ihren großen Tag gehen soll.
Ich zucke als Antwort nur mit den Schultern, nehme einen großen Schluck aus dem Sektglas und deute dann auf das Brautkleid an Leonies Körper.
„Das soll es also werden? Es sieht umwerfend an dir aus."
Sie beäugt mich kritisch, dreht sich dann aber schließlich doch herum und betrachtet sich im wandgroßen Spiegel. Ich versuche alles, um ein Lächeln auf meine Lippen zu zwingen, auch wenn es sich falsch anfühlt.
Es verstreichen weitere Sekunden, in denen sie sich von allen möglichen Seiten begutachtet, ehe sich ein entschlossener Ausdruck auf ihre Züge legt.
„Ja. Das wird es."

Forgotten LoveWhere stories live. Discover now