Ocean Eyes [MERMAID!AU]

By xxFlasher2Nightxx

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"Ich darf doch sehr bitten! Meine Wenigkeit entspringt nicht Eurer blΓΌhenden Fantasie, sondern einem traditio... More

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„Fuck", fluchte Clayton dunkel und zog seine Augenbrauen so grob zusammen, dass sich die Finsternis über sein Gesicht spannte. Die Strapazen der Reise schlugen sich allmählich auf seinen Schlafrhythmus über und er ertappte sich dabei, wie er hin und wieder wegdöste, nur um Sekunden später aufzuschrecken und sich alarmiert nach Feinden umzublicken. Es nervte ihn. Das permanente Salzwasser, das ihm obgleich der Magie der Luftbeere nichts anhaben konnte, und vor allem die Tatsache, dass er sich wie ein schwerfälliger Stein mit den Händen durch das Wasser paddeln und strampeln musste wie eine fehlgebildete Robbe. Er hatte das Schwimmer immer schon verabscheut – Ironie des Schicksals, möchte man meinen. Seine Haare trieben in der Meerströmung langsam um seinen Kopf, wie Seeanemonen in ihren eleganten Tänzen, zu gern hätte er jetzt seinen Freund neben sich gewusst, nach seiner Hand gegriffen und ihn schlichtweg bei sich gehabt. Er fehlte ihm. Sein ansteckendes Lachen und die Halbmond-förmigen Äuglein, die ausdrückten wie sehr er sich freute wann immer der Romantiker unter der rauen Schale hervorlugte. Ja, sogar ihre Date-Nights zu kitschigen Liebesfilmen vermisste Clayton an diesem Punkt seiner Stabilität. Er vermisste Harvey. Fürchterlich. Und er legte sich für ihn allein in's Zeug, so schnell wie möglich hier fertig zu werden und die Kinder zurückzukriegen, wer auch immer und aus welchem Grund auch immer so grausam war, sie aus den Armen der Eltern zu rauben. Bald, Chim. Ich versprech's dir, wisperte er zu dem Sinnbild seiner lieben Tanzmaus, das einfach nicht aus seinem Verstand weichen vermochte. Zu seiner Rechten balancierte ein alter Bekannter, ein alter Freund von Ezra, die schwerwiegende Verantwortung dieser Misere auf seinen Schultern, während Clayton's gereiztes Gemüt kein Einhalten fand und darstellte, wie unerträglich ungern er noch länger als unbedingt nötig im Reich der Fische dümpelte: „Und ihr rühmt euch mit der Überlegenheit über uns? Wie konntet ihr nicht merken, dass ihr von vorn bis hinten verarscht worden seid? Friedensbündnis...tsk"

Der andere, getroffen von den harschen Worten des immer schon direkten Köpfchens, senkte betreten sein Haupt und blickte auf den vor ihm liegenden Palast, die hohen Türme erbaut aus dunklem Gestein, die trotz ihrer schaurigen Atmosphäre eine selten ehrfürchtige Baukunst symbolisierten. Nicht alles im Gebiet der Ungeheuer war monströs oder missgebildet. Manchmal, nur manchmal, lag die Schönheit in den Andersartigkeiten. „Mein Dienst unter der Führung seiner Hoheit wurde mir abgesprochen, ebenso das Aufenthaltsrecht in diesen Mauern. Du verstehst also, weshalb ich nicht imstande war euch eine Warnung zukommen zu lassen. Mir war die Teilnahme an Zusammenkünften nicht mehr gestattet, seitdem ich ein gut gemeintes Wort für seine Hoheit fallen ließ"

Clayton schnaubte abfällig und verschränkte beide Arme, wobei er den Balanceakt seinem Beinschlag überließ um nicht ziellos in der Strömung zu treiben. „Seine Hoheit ist ziemlich zimperlich, was Süßholzgeraspel angeht. Hoffentlich erwischt ihn Kooks nicht auf dem falschen Fu- auf der falschen Flosse", korrigierte er sich brummend und beäugte mit wachsender Kritik den Palast, in dem sein bester Freund trotz der unzähligen Warnungen hineingeschwommen war. Einfach so. Einfach, weil sein Dickschädel auf die irrwitzige Idee festgefahren war, dass er um jeden Preis an den schlimmsten der Monsterwelt herankommen musste, um ihn auf seine Seite ziehen zu können. Fest entschlossen, die unrechtmäßigen Lügen und Märchen über seine Welt zu berichtigen und nicht eher wieder zu erscheinen, bis er seine Kinder an den Händen aus dieser Grotte führte. Denn wer auch immer töricht genug war, sich mit Ezra anzulegen: es würde definitiv nicht hübsch enden. Erst recht nicht im Zuhause von Dragstor, der aus Ezra's Erzählungen eine perverse Vorliebe für Folterungen und sämtliche kreative Handgreiflichkeiten hegte. Dass Clayton demnach sichtlich angespannt war, konnte man ihm nicht übel nehmen.

„Dürfte...dürfte ich die Fotografie bitte noch einmal sehen?", bat der Ältere leise, seine Wehmut hatte ihn letztendlich doch übertroffen, und obwohl die zwei Menschen vielmehr auf seine Hilfe angewiesen waren, seit Anbeginn der Reise, wirkte er nun mit seinen eingefallenen Schultern und der gekrümmten Haltung...verzweifelt. Traurig. Sehnsüchtig auf den minimalen Einblick in das Leben seines Sohnes, der so weit entfernt sein Glück gefunden hatte und über die Existenz des verbliebenen Familienmitglieds sicherlich keinen Gedanken mehr verschwendete. Clayton hob eine Braue, ihm war die feine Ausdrucksweise seines Gegenübers selbst nach Monaten noch nicht geläufig geworden, doch weil er den Schmerz eines Vaters verstehen konnte, weil er anhand von Ezra wusste wie sehr man die Grenze des Leidens spannen konnte, holte er aus Ezra's Habseligkeiten das laminierte Foto hervor, was der Schwarzhaarige heimlich mit in die See gebracht hatte. Einen handfesten Beweis, dass er sich die Erinnerungen nicht herbei fantasiert hatte. Das es echt war, alles. Dass er für einen Zweck hier unten dümpelte und nicht in einer verführten Midlife-Crisis festgefahren war. Zwei Hälften einer Seele, die sich gleich der Herkunft finden und zu einer Einheit verschmelzen, gelten als vom Meerreich selbst beschlossenem Gesetz ausgenommen. Die kosmischen Bindungen entspringen dem Werk der Götter, perfekt vorhergesehene Umstände führen zur Reinkarnation der einst verflossenen Liebschaft zwischen den Herzen. Gefährten, deren Opferbereitschaft über das eigene Leben hinausgeht, beschreiten den tragischen Weg ihrer spirituellen Reise Seite an Seite. Ihre Seelen seufzen in jauchzender Wiederfindung, die Grenzen ihrer Abstammung verschwinden und reich beschenkt werden die, die das Werk der Götter mit Ehre achten und den sorgsam ausgewählten Kindern Geleit und Respekt erbringen. Die Macht des Universums gespalten in zwei Teile, dazu bestimmt sich zu finden und das zusammenzufügen, was einst zerbrach.

Herr Élcalad, dessen mittlerweile perlmuttweiße Haare in einem Zopf auf seinem Rücken gebunden trieben, schenkte dem reservierten Menschen ein dankbares Nicken und betrachtete die Fotografie mit einem wehmütigen Bauchziehen. Um dem ihm anvertrauten Schützling zu helfen, beschloss er damals selbst zum obersten Staatsfeind zu werden. Ohne mit der Wimper zu zucken. Eine Alternative sah er nicht, beim besten Willen. Es ließ ja jeden kalt, was mit dem einst schönsten Kind der Meere passierte. Ob es verendete oder ein langes Leben führte. Herr Èlcalad konnte die drückende Sorge der Mutter nicht vergessen, die ihr selbst noch im Sterben die Augen mit Tränen füllte. Sie trug immerzu das Wohl ihres größten Schatzes im Herzen, richtete die Entscheidungen nach ihrem Sonnenschein und gab ihm all die Liebe, die sie geben konnte. Diese mütterliche Aufopferung sollte nicht umsonst gewesen sein. Und sie war es nicht – die Ablichtung des Familienfotos in seinen Händen, die Familie seines Sohnes, war der unleugbare Beweis, dass das alles nicht vergeblich geopfert worden war. Cassian lebte sein Leben. Und die Lebenslust stach aus seinem bezaubernden Lächeln geradezu heraus.

„Er sieht glücklich aus", bemerkte er langsam, väterliche Liebe spiegelte sich in seinen Augen und er konnte nicht leugnen wie sehr er sich für das Glück seines Sohnes freute und gleichzeitig spürte er eine Beklemmung, die Enkelkinder wohl niemals kennenlernen zu dürfen. Schwermütig seufzte er und verband Ezra's Geschichten und Erzählungen der vier Wirbelwinde mit den Gesichtern auf dem Foto, erkannte Rosie's niedliches Prinzessinenkrönchen auf ihren schwarzen Haaren. Cedric's schelmisches Flunkern, das er zweifelsfrei von Ezra vererbt bekommen hatte. Die zwei jüngsten, Miles und Noah, je einer auf dem Schoß eines Elternteils und dazu das große rote Plüschie – Tata, Noah's allerliebstes Spielgefährte. Herr Élcalad lächelte selig auf jedes seiner Enkelkinder, verspürte große Trauer sie nie treffen zu dürfen. Es war zu viel passiert, einfach zu viel negative Interaktion zwischen Land und Wasser, als das er leichtfertig ein weiteres Chaos riskieren wollte. Cassian wurde zu viel groteske Schande zugemutet, da wollte Herr Élcalad nicht von eigensinnigem Egoismus getrieben ein weiteres Mal durch das Familienglück funken. Cassian lebte sein Leben schließlich in vollsten Zügen, liebte und lachte und das war alles, was sich ein Vater für das eigene Kind wünschte. Ein geisterhaftes Schmunzeln zeigte sich auf Clayton's harten Gesichtszügen während er dem Meermensch von der Seite die Sehnsucht als auch die Nächstenliebe ansah, er kannte ja selbst die Liebe von Cassian, die er den Kindern ungetrübt und in vollem Ausmaß entgegenbrachte. „Ist er ja auch", meinte er aufrichtig. Herr Élcalad, dem die Stimme zu zittrig erschien als das er sich für eine Antwort überreden könnte, nickte nur sentimental und lächelte.

Und es war die ungetrübte Wahrheit. Das Bild, welches Ezra mit sich trug um die anmutigen Gesichtszüge seines geliebten Gefährten auf der anderen Seite des Ozeans nicht zu vergessen, um sein Bild zu betrachten wann immer ihn die Last der Aussichtslosigkeit erdrückte, ruhte in der Hand von Cassian's wahrem Vater und beglückte sein trauerndes Herz. Er war selbstlos aus dem Leben der ozeanblauen Augen gewichen, hatte sich hinten angestellt um seinem Kind ein gutes und erfülltes Leben ermöglichen zu können, und dennoch vermisste er den Knaben auf eine Weise, die nur ein Vater nachempfinden konnte. Ein Vater, der liebte. Ezra, der konnte verstehen warum Herr Élcalad ihn nicht wegschickte als er ihn nach tagelanger Suche letztendlich aufgespürt hatte, in den entlegenen Riffen und umringt von nichts als bunten Fischlein, die seine Identität als Volksflüchtling verbargen. Er konnte verstehen, warum der Meerbewohner so bestürzt reagierte auf die Nachricht, als warum sich der Mensch in diese Tiefen verschlagen hatte, wo er doch eine Familie gegründet hatte.

„Sag mal...", fragte Clayton ruhiger, je länger sie versteckt auf dem Riff hinab auf den Palast blickten, in denen Ezra wohl ordentlich für Tumult sorgen musste, so wie er vorher die brodelnde Mordlust in den Augen getragen hatte. Kein Wunder: da erfuhr man, wer an dem Diebstahl der Engelchen Schuld trug, und dann sollte man sich beherrschen? Ezra würde kein Steinchen auf dem anderen lassen, bis er seine Familie aus den Fängen der garstigen Fische befreit hatte. „...weiß Cassian, dass du sein Vater bist?"

„Der Jüngling ist Euch offensichtlich wichtiger als das eigene Leben", brummte er inmitten seinen Gedanken, die er nicht abstellen konnte. Seine Untertanen waren zur Treue bis auf den Tod verpflichtet, jedoch stellte ihn die derzeitige Situation vor eine nicht gekannte Wendung. Eine Begebenheit, mit der er nicht vertraut war und nicht umzugehen wusste. Die Lichten ließen den Jüngling schutzlos zurück, trotz seines kritischen Zustandes, und nur ein einziger verweilte an seiner Seite? Entweder segneten die Götter Herr Èlcalad mit dem menschlichen Stumpfsinn oder es lag mehr hinter dem genannten Grund, das Leben retten zu wollen. Und Dragstor, der sich mithilfe vieler Intrigen und Lügenmärchen die Gunsten der schönsten Edelfrauen erschwindelte, erkannte eine flaue Unwahrheit selbst blind. „Bedenkt man den Umstand, dass auf Euch inzwischen eine hübsche Summe Kopfgeld ausgesetzt worden ist. Weshalb diese Loyalität? Bis auf Euch scheinen die verbliebenen Lichten sich von dem Kind abgewendet zu haben"

Natürlich spielte er diese Konversation nach seinen Regeln. Sein gerissener Verstand zählte die ihm präsentierten Fakten zusammen und brachten die entlarvten Geheimnisse in einen logischen Kontext, der für Verleumdungen keinerlei Spielraum übrig ließ. Der König der Monster, versessen auf schurkische Kriminalität und gnadenlose Durchsetzung seines Willens, hob eine Braue und ließ die Stille für ihn sprechen. Er wollte die Bestätigung seiner Theorie aus dem Mund des anderen hören.

Herr Èlcalad, der bislang stumm lauschte und dabei das blasse aber gleichzeitig furchtbar entspannte Gesichtchen des einst schönsten Kind der Ozeane betrachtete, drohte seine Standhaftigkeit zu vergessen und seiner Zunge Erlaubnis zu erteilen, ihm die Lasten von den Schultern zu nehmen. Sich von der Seele zu reden, was er nun schon viel zu viele Jahre als tonnenschwere Ballast herumschleppte. Ihm lief eine Träne über die Wange, seine Hände zitterten und doch riss er sich zusammen, seine Kummerlaute und das schlechte Gewissen im Zaum zu halten. Ob er die folgenden Worte bereuen würde, stand derzeit in den Sternen. Doch eine Sache stand fest: noch länger würde Herr Èlcalad nicht über die Wahrheit schweigen können. Und selbst wenn König Dragstor ihm für die Hinterlistigkeiten sein Messer in die Brust bohrte für das, was er in den alten Tagen zugelassen hatte: Herr Èlcalad gab sein Bestes und hegte niemals, zu keiner Zeit, böse Absichten. Er strebte nicht nach Macht, nicht nach der erdrückenden Bürde die die glitzernden Kronjuwelen mit sich brachten. Einzig die Verzweiflung eines liebenden Vaters trieb ihn dazu, all die Jahre der unterwürfigen Dienerschaft in Kauf zu nehmen, solange es seine Liebsten nur gut hatten. Ein schönes Leben für seine Familie im Austausch gegen seine Freiheit – ein verhältnismäßig kleiner Preis für einen Vater.

„Ich versprach seiner Mutter auf ihn aufzupassen, ganz gleich was auch komme...auch wenn es hieß, dass mein eigenes Kind einen anderen Meermann als Vater kannte...", gestand er unter Tränen und schüttelte untröstlich den Kopf.

Der Meerbewohner, dem die Erwähnung seines Sohnes ein trauriges Lächeln entlockte, antwortete aus reinem Selbstschutz mit einer Gegenfrage: „Wäre es denn ratsam zu wissen, dass der eigene Vater einer anderen Rasse angehört und somit ein Zusammenleben nicht möglich ist?"

„Ist es denn ratsamer, ihn in dem Glauben zu lassen, seine Eltern wären wirklich tot?", drehte Clayton das Fragespielchen um und hob eine Braue. Er erwartete keine Rechtfertigungen, dafür bestritt er nicht die richtige Position in dieser Handlung, aber er wollte die Hintergründe dieser erdrückenden Geheimnisse wissen, um sie verstehen zu können. Cassian war ein so guter Mensch, einer der Frieden verdient hatte, und deswegen passte es ihm nicht, dass der Arme in einem falschen Glauben leben musste. Clayton's Vater hatte ihn nie richtig für den akzeptiert und unterstützt, der er war. Persönliche Hintergründe bewegten ihn zu dieser Konversation, er hatte damals viel Kummer durchgestanden und wollte Cassian, der mittlerweile zu seinem engsten Kreis der Vertrauten zählte, dies ersparen. Wenn sein Vater am Leben war und so bereitwillig zurücksteckte, dann war es doch das Mindeste, wenn die Karten ein für alle Mal auf den Tisch gelegt wurden. Oder?

„Die berüchtigte Edeldame mit dem Namen Faura von Tropoli, deren obszöner Ruf ihr vorauseilte, war bereits zu mehrfachen Konferenzen im Palast erschienen und hatte ihre anzüglichen Blicke nicht besonders gut versteckt", erhielt Clayton statt einer Antwort eine Erklärung desjenigen, der sich für den Schutz seines Kindes in die einsame Wildnis zurückgezogen hatte. Vielleicht war es eine Rechtfertigung, vielleicht auch nicht. Es waren Herrn Élcalad's intimste Gedanken und wahre Erfahrungen aus den Zeiten seines Amts als königlicher Berater. „Für sie stellte der Erbe der Krone ein wahrlicher Leckerbissen dar, ein überaus begehrter Träger für ihren Nachwuchs. Die Adelige aus der bekanntesten und wohl fruchtbarsten Provinz des Meerreiches hatte seit geraumer Zeit ein Auge auf den Königsspross geworfen, damals, als meine Anstellung im Palast das einzige war, was mich meinem Kind näher brachte. Ihre Eitelkeit und das permanente Streben nach idealistischer Schönheit, in der sozialen Gesellschaft hoch geachtet zu werden, verschleierte ihren Blick und trübte ihr Empathievermögen – sofern sie jemals welches besessen hatte. Die Meerwesen unter ihrer führenden Hand gebaren seit Jahrhunderten die kräftigen Kämpfer für die royale Armee, und Faura von Tropoli hätte ihre Blutlinie nur zu gern mit der des Königshauses verbunden, auf das sie zu endlosem Ruhm aufsteigen würde", sprach Herr Élcalad und biss sich auf die Lippe. Wie oft nur hatte er der verzogenen Frau Fauna herrlich gereiften Wein zubereitet, während sie sich an seinem Sohn vergriffen hatte? Bis heute erzürnte es den verwittweten Elternteil, nie Recht walten zu lassen über die entwürdigenden Verbrechen, die die zielstrebige Kämpferfrau mit nichts als einem belustigten Lächeln abgetan hatte? Als sei es ihr gleichgültig, wie sehr sie das royale Oberhaupt misshandelte und verletzt hatte. Bestimmt empfand ihr garstiger Hochmut bis zu diesem Tag keinen Funken Reue. „Mein Sohn wurde ihr als schmackhafte Beigabe zu einem Abkommen versprochen, besiegelt durch die Unterzeichnungen der machtversessenen und korrupten Ratsmitglieder. Ihr habt nicht miterlebt, wie diese Edeldame ihn gebrochen hat. Wie oft ich mir die Schuld für die Striemen gab, die meinem Sohn zugefügt wurden – weil er sich nicht dem Willen einer egozentrischen, rücksichtslosen, bestechlichen, respektlosen, machthungrigen, perversen...", ihm gingen sichtlich die Anschuldigungen aus. „...Min Clayton, ich beliebe anzunehmen, Ihr besitzt eine Person Eures Herzens an Land, die auf Eure Rückkehr wartet?"

Er nickte klamm. Dass es Cassian nicht einfach gehabt hatte, hatte er von Ezra grob geschildert bekommen. Aber dass das Entsetzen, die Traumata nicht nur auf psychischer, sondern vielmehr auf körperlicher Ebene ihren Lauf genommen hatten...das war ein harter Brocken zu schlucken. Wenn Harvey so etwas bevorstehen würde...

„Ihr versteht", erkannte Herr Élcalad und atmete zynisch aus. „Bekäme ich die Gelegenheit, all das unrechtmäßige Schänden gebührend zu rächen, würde ich sie nicht ungetan verstreichen lassen. Im Morgengrauen pflegte ich ihn, wachte an seinem Schlafgemach bis er einschlief, im Glauben ich wäre sein loyalster Diener dem er als einziger in dieser Tragödie vertrauen durfte, ließ er es zu"

Clayton wollte sich gar nicht ausmalen, wie viel mehr Schmerz in dem ruhte, was der Vater nicht mehr gewillt war ein letztes Mal anzusprechen. Es reichte für eine gesamte Lebensspanne, was Cassian damals ertragen hatte. Keine weiteren Indizien oder Schilderungen nötig. Da bekommt ja vom Zuhören schon 'nen psychischen Knacks...

„Daher lautet meine Antwort nein", hauchte der Meerbewohner gefasst, verschränkte seine Arme hinter dem Rücken und blickte mit gestrafften Schultern gerade nach vorne. Seine imposante Meerflosse, auf der Clayton eine Partie mit vernarbten Riffelungen ausmachen konnte, schwang majestätisch in der Strömung und weil Herr Élcalad nicht ansetzte, die Verletzung zu erklären, fing Clayton nicht an ihn darüber auszufragen. Er würde es ebenso wenig begrüßen, wenn ein praktisch Fremder in sein Leben tanzte und ihm unangenehme und intime Fragen über die gescheiterte Beziehung zwischen Vater und Sohn aufzwang. Der weißhaarige Flüchtling seufzte nostalgisch. „Wieso sollte ich beabsichtigen, Cassian einen Grund zu geben, an dieser schlimmen Zeit festzuhalten? Besiehe dir die Ablichtung, mein Freund. Mein Kind ist glücklich und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um dieses Lächeln niemals aus seinem Antlitz weichen zu lassen. Es ist das mindeste, was ihm nach dieser Hölle hier zusteht"

Der einzige, der die vor sich hin vegetierende Seele nicht aufgab und sich selbst überließ, damals, war Herr Èlcalad. Faura beanspruchte ihr Eigentum und das damit erworbene Vergnügen in jeder erdenklichen Hinsicht, bohrte unvergessliche Bilder in die Erinnerungen des von Zerfall gekennzeichneten Jungen und das wohl tragischste an all dem: Herr Èlcalad, der Cassian so lange Zeit aufzog und behütete, konnte rein gar nichts dagegen unternehmen. Ihm waren in seiner unterlegenen Position beide Hände gebunden. Wortlos und mit unfassbar schlechtem Gewissen musste er der ranghöheren Edeldame ihren geliebten Wein bringen, alsbald sie die royalen Schlafgemächer verließ und sich auf zu dem nächsten rauschenden Fest machte. Es erzürnte ihn bodenlos, dass diese selbstverliebte Kreatur das viel zu junge Königskind durch gnadenlose Gier immer weiter in die offenen Arme der Verzweiflung trieb. Sich an ihm schamlos verging und nicht die Empathie besaß, die angerichteten Wunden zu versorgen. Weder die körperlichen, noch die mentalen. Cassian vegetierte in einem undurchsichtigen Delirium, nach Kräften bemüht nicht aufzugeben und stattdessen die eben erfahrenen Quälungen zu verdrängen. Dass Herr Èlcalad erst eine ruhige Minute fand, nachdem er seinem gepeinigten und hilflosen Schützling mit Salbe die blutigen Kratzer und von Frau Faura zugefügten Schandtaten versorgte, den Blauhaarigen anschließend zugedeckt und an seiner Seite wachte bis er unter Tränen in den Schlaf entführt wurde, wusste niemand. Weder Baek – der Herr Élcalad nie ganz geheuer und vertrauenswürdig erschienen war - noch Cassian, noch ein anderer Bediensteter. Der Meermann litt mindestens so sehr wie Cassian selbst, wenn nicht noch mehr aufgrund seiner Machtlosigkeit.

Herr Èlcalad konnte einfach nicht zusehen, wie die Reinkarnation von Cassian's bezaubernder Mutter das Leben nur mehr erduldete und insgeheim nur darauf wartete, nie wieder aus seinem Schlaf erwachen zu müssen. Es brach dem Meermann das Herz in der Brust, fiel sein Blick auf das liebe Kind seiner verehrten Königin. Er versprach, als ihr damaliger oberster Berater und treuer Freund, sich um ihren größten Schatz zu kümmern, als wäre es sein eigener. Was Cassian auch zu einem gewissen Teil war. Die beiden verbrachten so viel Zeit zusammen, dass das Kind Herr Èlcalad wirklich als eine zweite Vaterfigur betrachtete. Ob er es immer noch tat, oder je wieder konnte, bezweifelte der Meermann. Zu Schreckliches war dem unschuldigen Geist widerfahren, zu intensiv prägten die Abscheu und die Traditionen sein gutmütiges Herz. Und irgendwann suchten Herr Èlcalad erste Zweifel heim, ob sein Meinungswechsel nicht entschieden zu spät kam. Die toten ermatteten Augen, die leer und teilnahmslos vor sich hinblickten und sich irgendwo an einem unbestimmten Punkt verloren. Die schlanken Gliedmaßen, die für ein gesundes Verhältnis längst nicht mehr stark genug waren. Cassian's mentale Kapitulation, die den Rat zufrieden stimmte und somit freies Geleit über seine liebste Marionette beschaffte.

All das ängstigte Herr Èlcalad bis zu einem Punkt, an dem er sich sicher war diesen Leuten um sich herum, die er immerzu als seine Familie respektiert hatte, keinen Tag länger seine Loyalität unter Beweis stellen zu dürfen. Das Meerreich schrieb die Priorität der Familie ganz oben in ihren Gesetzen, wie wichtig der Zusammenhalt ihrer Rasse war. Davon spürte er nichts. Davon spürte Cassian nichts. Der Berater erkannte sein Findelkind schon lange nicht mehr wieder. Cassian lebte nicht, er existierte auch nicht mehr. Er atmete und vegetierte mit blutendem Herzen, fristete einen Tag nach dem anderen ab bis es keinen nächsten mehr geben würde. Das ging entschieden und strikt zu weit. Niemand deutete die Zeichen richtig, keinen interessierte es, dass der rechtmäßige Thronerbe willenlos mit sich machen ließ, was man von ihm verlangte. Er gab auf und beging damit den Fehler, der ihm das Leben kosten würde.

Bemüht sich zu fassen wandte er den Kopf ab und biss sich fest auf die Lippe. Nichts zeigte Wirkung. Der Edelmann blickte zurück auf des Meeres ruhiges Antlitz bei Nacht und flüsterte gebrochen, zu viele melancholische Erinnerungen tanzten vor seinem inneren Auge umher: „Bevor meine Frau mich verließ um unserem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen als Felder zu bewirtschaften, einigten wir uns darauf, diesen Teil der Vergangenheit zu überlassen und unseren Sohn in Unwissenheit über die Wahrheit leben zu lassen. Meine Frau wurde zur Königin gekrönt, es...es war hart, doch ein jeder wahrte das Versprechen. Ich hielt mich von meiner Frau fern und vergaß um unsere Liebe...im Gegenzug sagte der König ein gutes Leben für mein Kind zu. Liebte es wie ein Vater es tat...er schenkte meinem Sohn die Liebe, die mir verweigert wurde zu geben"

An diesem Punkt obsiegte die jahrelang zurückgehaltene Trauer und ließ Tränen anstatt Worte sprechen. Sie perlten dem Edelmann haltlos über die Wangen und brachen sich in dem trüben Mondlicht, bluteten die Wehmüte und Sehnsucht des geschundenen Herzens aus. Er hatte ein ganzes Leben versäumt, hatte versäumt wie sein einziges Kind einen Gefährten durch die Liebe fand und wie er mit eben dieser mächtigen Liebe kleine Miniaturversionen seines Gefährten gebar. Herr Élcalad opferte sein Alles, gab es bereitwillig weg und jetzt, da er erkannte, wie richtig er gehandelt hatte, wurde er reumütig und traurig. Denn Cassian wusste weder ihre wahre Verbindung zueinander, noch würde der Großvater seine Enkel im Arm halten dürfen. Er hatte alles gegeben...und war nun allein in einer Welt, die ihn lieber tot sah als ausgestoßen.

„Élcalad?", pflichtete Clayton berührt von den reinen Absichten des Vaters und gab zu Bedenken, teilte seine persönliche Meinung weil er es nicht gut hieß, wie sich der Ältere grämte über etwas, worüber er keine Macht besaß: „Ich weiß, dass du zurückstecken musstest und so tust, als sei es okay. Aber wenn du ehrlich zu dir bist, bricht es dir das Herz. Kuck dir das Foto an...willst du sie nicht mal besuchen? Es ist nicht nur Cassian's Familie...es ist auch deine Familie"

Natürlich. Natürlich wünschte sich Herr Élcalad die vier hübschen Kinderchen kennenzulernen, nichts lieber als das, wünschte sich ihre Namen aussprechen zu dürfen und nur zu gern würde er an die Meeresoberfläche schwimmen, um seinem geliebten Kind sagen zu können, wie stolz er auf ihn war. Wie sehr er sich für sein Glück freute. Wie sehr er ihn lieb hatte, lieb genug, um ihn gehen zu lassen. Diese Gewässer bargen Schönheit und Anmut im gleichen Maß wie Verderb und toxische Gifte. Leben und Überleben. Fressen und gefressen werden. Das war die Regelung der Nahrungskette.

„Mein Wohlbefinden zählt nicht zu den Prioritäten eurer Reise", wehrte er betrübt ab, ein mattes Seufzen und kleine Blubberbläschen folgten als er ausatmete und seine Lungen wieder mit kaltem Meerwasser vollsog. Er könnte gar nicht lange dort oben überleben, er gehörte dem Meerreich an und das Meer ließ nichts in seinem Besitz andere Wege gehen. „Meine Kontaktperson erstattete mir am vergangenen Tag Bericht, dass der Spion im Kreise der Friedensmitglieder identifiziert wurde als niemand geringerer al-"

„Baek", schnitt Yoonig ihm das Wort ab und nickte. Innerlich war er dankbar für den Themawechsel, denn als Realist fühlte er sich mit sentimentalen Angelegenheiten rasch unwohl und fehl. Das war nicht seine Welt. „Kooks hat mir auf der Planschtour durch diesen gigantischen Teich alles erzählt, was damals passiert ist. Und, sorry für die Ausdrucksweise, was für ein beschissenes Rechtssystem ihr habt. Echt, das ist unter aller Würde", schnaubte er sarkastisch. „Selbstjustiz? Was seid ihr, Batman's heimliche Gehilfen?"

„Wer auch immer der Herr mit diesem seltsamen Namen sein mag...", betitelte Herr Élcalad verwirrt. „...wir unterstehen keineswegs jenem Wort. Und zu dem Part mit dem...unglücklichen Regelungen: dessen bin ich mir bewusst", schmunzelte er verbittert und dachte an die langen Nächte zurück, in denen er Cassian im tiefsten Erschöpfungsschlaf an dem pompösen Schreibtisch vorgefunden hatte, mit dem Gesicht auf Unmengen aufgeschlagener Bücher gebettet und dem Mondlicht im kristallblauen Haar. So viel Last für ein kleines goldenes Krönchen...war es das alles wert gewesen? Eine durchtaktete Kindheit? Zofen und Diener anstelle von gleichaltrigen Freunden?

Und während die zwei auf eine Nachricht des Kontaktfisches warteten, der im freundschaftlichen Dienst in den Reihen der Schwarzen schwimmen konnte, während Herr Élcalad die Fotografie der Familie an Clayton zurückhändigen wollte, schüttelte dieser nur sanft den Kopf. Das tiefsinnige Gespräch vermochte seine Denkweise geringfügig geändert zu haben und vielleicht, womöglich, konnte er deswegen besser nachvollziehen, weshalb Cassian so ein harmoniebedürftiger und anhänglicher kleiner Kuschelfanatiker war. Weil es die kleinen Dinge waren, die er nie erfahren durfte und deren Schönheit ihm von Ezra gezeigt wurden. „Behalt es", flüsterte er also und deutete auf das Familienfoto der Weltenkinder, die umringt von ihrem Nachwuchs lächelten und sich verliebt an den Händen hielten. „Dein Zurückstecken hat bewirkt, dass Cassian's Leben auf die richtige Bahn gerutscht ist. Dieses Lächeln ist dein Verdienst, also betrachte es mit dem Wissen, dass du Cassian ein wirklicher Vater warst. Mindestens so, wie Kooks für die Kids den hohen Tieren da unten die Leviten liest"


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